Zwölf weitere deutsche Panzerhaubitzen für Selenskyj
Der ukrainische Präsident dringt bei seinem Deutschland-Besuch auf weitere Waffenlieferungen. Die Bundesregierung lässt sich nicht lange bitten. Die deutsche Hilfe hat aber weiterhin Grenzen.
Der ukrainische Präsident dringt bei seinem Deutschland-Besuch auf weitere Waffenlieferungen. Die Bundesregierung lässt sich nicht lange bitten. Die deutsche Hilfe hat aber weiterhin Grenzen.
Deutschland unterstützt die Ukraine mit zwölf weiteren Panzerhaubitzen 2000 im Wert von 150 Millionen Euro in ihrem Abwehrkampf gegen die russischen Invasoren. Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) sagte dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj bei einem Treffen der internationalen Verbündeten auf dem US-Luftwaffenstützpunkt im rheinland-pfälzischen Ramstein zu, die ersten sechs der modernen Artilleriegeschütze mit einer Reichweite von 30 bis 56 Kilometern noch dieses Jahr zu liefern. Weitere sechs sollen nächstes Jahr folgen.
«Deutschland ist und bleibt der stärkste Unterstützer der Ukraine in Europa. Solange wie es nötig ist», versprach Bundeskanzler Olaf Scholz dem ukrainischen Präsidenten anschließend nach einem Gespräch in Frankfurt. Selenskyj dankte Scholz für die anhaltende deutsche Hilfe. «Diese Unterstützung ist sehr wichtig - sie ist die Grundlage für unseren erfolgreichen Kampf für die Unabhängigkeit der Ukraine», schrieb er auf X.
Selenskyj: «Wir brauchen mehr Waffen»
Am 926. Tag des Kriegs berieten die Verbündeten der Ukraine - darunter US-Verteidigungsminister Lloyd Austin - in Ramstein darüber, wie sie das von Russland angegriffene Land weiter unterstützen können. Selenskyj nahm erstmals selbst an einem solchen Treffen teil, was verdeutlicht, wie stark die Ukraine angesichts des russischen Vormarschs im Osten des Landes unter Druck ist. «Wir brauchen mehr Waffen, um die russischen Truppen von unserem Territorium zu vertreiben und besonders aus dem Gebiet Donezk», sagte der ukrainische Präsident bei der Eröffnungssitzung.
Er forderte insbesondere Waffen mit größerer Reichweite - und freie Hand, diese auch gegen Ziele in Russland richten zu dürfen. «Wir brauchen diese Mittel (...) nicht nur für die besetzten Gebiete der Ukraine, sondern auch für die russischen Gebiete, um Russland zu motivieren, um Frieden zu ersuchen.»
Scholz lehnt Taurus-Lieferung weiter ab
Gemeint ist auch der Vorstoß der ukrainischen Truppen in die russische Region Kursk. Der ukrainische Präsident hatte die Verbündeten vorab nicht über die Offensive informiert, setzt dabei aber auch westliche Waffen ein - darunter angeblich auch Marder-Schützenpanzer aus Deutschland.
Bei der Bundesregierung kommt das nicht gut an. Sie sieht eine Eskalationsgefahr. Scholz hat immer betont, dass er eine Ausweitung des Kriegs auf einen Konflikt zwischen Russland und der Nato unbedingt vermeiden wolle. Deswegen lehnt er auch weiterhin die Lieferung der deutschen Marschflugkörper vom Typ Taurus mit einer Reichweite von 500 Kilometern ab, mit denen auch Ziele in Moskau getroffenen werden könnten.
Waffenlieferungen als Wahlkampfthema
Generell will Scholz bei den Waffenlieferungen in die Ukraine aber nicht nachlassen, obwohl die Zustimmung in Deutschland dafür sinkt. Die Militärhilfe war und ist aktuell auch ein wichtiges Thema in den Landtagswahlkämpfen in Ostdeutschland. AfD und BSW setzen sich massiv für einen Stopp ein.
Deutschland ist nach den USA der zweitgrößte Waffenlieferant der Ukraine. Die Bundesregierung hat in diesem Jahr mehr als sieben Milliarden Euro und im nächsten Jahr vier Milliarden Euro für die Ukraine im Haushalt eingeplant. Danach soll die Hilfe umgestellt werden. Dann soll sie aus einem Kredit über rund 50 Milliarden US-Dollar (rund 45 Milliarden Euro) finanziert werden, der mit Zinserträgen aus eingefrorenen russischen Staatsvermögen finanziert werden soll. An der praktischen Umsetzung wird aber noch gearbeitet. Ein Brief von Finanzminister Christian Lindner (FDP), aus dem die geplante Umstellung der Ukraine-Hilfe hervorging, hatte zwischenzeitlich für Verunsicherung bei den Verbündeten gesorgt.
Selenskyj: «Wir müssen Putin zwingen, Frieden zu suchen»
Selenskyj war am Morgen in Ramstein gelandet. Im schwarzen Pullover, müde wirkend, hielt er im fensterlosen Sitzungsaal der riesigen Airbase sein knapp zehnminütiges Eingangsstatement auf Englisch. Die Ukraine wolle Frieden - im Gegensatz zum russischen Präsidenten Wladimir Putin, betonte er. «Wir müssen Putin zwingen, Frieden zu suchen.»
Derzeit sieht es aber nicht danach aus, dass das gelingen könnte. Mit Scholz sprach Selenskyj auch über eine mögliche Nachfolgekonferenz zum Schweizer Friedensgipfel im Juni, an dem dann auch Russland teilnehmen soll. Ursprünglich war dafür mal November im Gespräch und Saudi-Arabien als möglicher Ausrichter. Derzeit gilt ein solcher Nachfolgegipfel angesichts der Situation auf dem Schlachtfeld aber als eher unwahrscheinlich.
Pistorius nannte die jüngsten russischen Luftangriffe auf die Ukraine «die stärksten seit Beginn der brutalen russischen» Invasion. Erst am Freitag waren nach Raketenschlägen auf die Großstadt Pawlohrad mindestens ein Mensch getötet und mehr als 50 verletzt worden. «Moskau setzt, das wird deutlich an seinem Verhalten, weiter auf Bombenterror, auch gegen Zivilisten, anstatt auf den Verhandlungstisch», sagte Pistorius in Ramstein.
Austin: Zusätzliches US-Hilfspaket für Ukraine
Zu der Konferenz auf der größten US-Airbase außerhalb der Vereinigten Staaten hatte der US-Verteidigungsminister etwa 50 Staaten eingeladen. Austin sprach von einem «kritischen Moment» und rief die Verbündeten zu mehr Unterstützung auf. Er selbst kündigte ein zusätzliches Hilfspaket im Wert von 250 Millionen US-Dollar (rund 225 Mio. Euro) an.
Es ist das insgesamt 24. Treffen der Kontaktgruppe, allerdings fanden die meisten Gespräche als Videokonferenz statt. Selenskyj ist seit Kriegsbeginn zum fünften Mal in Deutschland. Zuletzt sprach er im Juni im Bundestag in Berlin. Bereits am Abend wurde er in Italien erwartet.
Von Wolfgang Jung und Michael Fischer, dpa
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