Christoph Heusgen würde gerne ein wenig Licht in die Finsternis der aktuellen Weltlage bringen. Bei all den Krisen, mit denen man es gerade zu tun habe, wolle er auf der Münchner Sicherheitskonferenz (MSC) auch über die Frage diskutieren: «Wo ist der Silberstreif am Horizont?», sagt der Leiter des weltweit wichtigsten Politiker- und Expertentreffens zur Sicherheitspolitik.
«Wie schaffen wir es, dass die Welt bei diesen ganzen Krisen nicht weiter auseinanderfällt, sondern dass wir dem Multilateralismus auf der Basis der Charta der Vereinten Nationen, der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte weiter eine Chance geben?»
Das ist zwar eine sehr berechtigte Frage. Es ist aber zweifelhaft, ob dafür viel Zeit bleibt an den drei Konferenztagen von Freitag bis Sonntag im Hotel Bayerischer Hof, wo sich dann wieder rund 50 Staats- und Regierungschefs und mehr als 100 Minister aus aller Welt tummeln werden. Denn die aktuelle Konfliktlage ist düsterer denn je.
Das Kriegsdrama im Gazastreifen spitzt sich zu, seitdem der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu die Vorbereitung einer Militäroffensive in Rafah an der ägyptischen Grenze befohlen hat. Im Ringen um die US-Hilfe für die Ukraine gibt es zwar Hoffnung, aber noch lange keinen Durchbruch. Und dann hat auch noch Donald Trump, Ex-Präsident der USA und aktuell wieder Wahlkämpfer, die Verbündeten jenseits des Atlantiks pünktlich zur Konferenz mit nur wenigen Worten verschreckt und aufgebracht.
In München geht es nun vor allem um drei Fragen:
Ukraine: Hält die Kriegsallianz gegen Putin?
Die Gästeliste der Konferenz ist lang, aber ein Teilnehmer sticht heraus: der ukrainische Präsident Wolodomyr Selenskyj. Er will erstmals seit dem russischen Angriff auf sein Land nach München kommen. Seine Anwesenheit ist wichtiger denn je für die Ukraine. Denn die Allianz seiner Verbündeten droht zu bröckeln.
Die Republikaner im US-Kongress blockieren seit Monaten neue Milliarden für Waffen und militärische Ausrüstung für die Ukraine. Mit der Zustimmung des Senats zu einem Hilfspaket gibt es nun zumindest Hoffnung. Als schwierigere Hürde gilt aber das Repräsentantenhaus, die zweite Parlamentskammer.
Gefragte Gesprächspartner werden in München daher dessen Mitglieder sein. Von den mehr als 30 Kongressmitgliedern, die nach München reisen, gehören etwa ein Dutzend Trumps Republikanischer Partei an. Die US-Regierung wird von Vizepräsidentin Kamala Harris und Außenminister Antony Blinken vertreten.
Wenn die USA als größter Geber ausfallen, könnten die Europäer das nicht vollständig kompensieren. Darin sind sich alle einig. Und Deutschland würde sich unverhofft in der Führungsrolle der Unterstützer wiederfinden. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) ist das nicht geheuer. Er versucht daher seit Jahresanfang, die EU-Partner zu mehr Hilfe zu drängen. Das wird auch in München für ihn ein wichtiges Thema sein. Scholz wird am Samstag seine Rede auf der Konferenz halten und mehrere Gespräche am Rande führen.
Nahost: Wie bekommt man den Konflikt in den Griff?
Die dramatische Situation im südlichen Gazastreifen und die verzweifelte Suche nach Lösungsmöglichkeiten für den Nahost-Konflikt wird am Rande der Konferenz vielleicht noch größeren Raum einnehmen als die Ukraine. Aus Israel kommen Präsident Izchak Herzog und Außenminister Israel Katz nach München.
Außerdem sind die palästinensische Autonomiebehörde und arabische Nachbarstaaten wie Katar, Saudi-Arabien, Jordanien und Ägypten hochrangig vertreten. Für sie wird es nur das eine Thema in München geben: Wie kann man den Nahost-Konflikt noch in den Griff bekommen, bevor er weiter eskaliert und es zum Flächenbrand in der gesamten Region kommt?
Bundesaußenminister Annalena Baerbock (Grüne) kommt praktisch gleich nach ihrer fünften Reise nach Israel seit dem Terrorangriff der Hamas vom 7. Oktober nach München. Sie hat dort zu einer neuen Feuerpause im Gaza-Krieg aufgerufen. Einer wird in München aber fehlen: Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu, der für seine Kriegsführung immer stärker in die Kritik gerät.
USA: Was passiert, wenn Trump an die Macht kommt?
Donald Trump hat schon als US-Präsident zwischen 2017 und 2021 sehr deutlich gemacht, dass die Nato alles andere als eine Herzensangelegenheit für ihn ist. Dass er nun säumigen Zahlern in der Nato den Schutz vor Russland verweigern will, hat aber dann doch nochmal eine neue Qualität.
Dass die USA unter einem Präsidenten Trump Truppen oder ihre Atombomben aus Europa abziehen oder gleich die Nato-Mitgliedschaft infrage stellen könnten, ist für die 29 Nato-Staaten in Europa ein sicherheitspolitischer Alptraum. Die USA kommen immer noch für zwei Drittel der Verteidigungsausgaben des Bündnisses auf und haben zehnmal so viele Atomwaffen wie die anderen beiden Nato-Nuklearmächte Frankreich und Großbritannien zusammen.
Ob und wie man sich auf einen möglichen Wahlsieg Trumps vorbereiten sollte, ist in Europa aber umstritten. Der französische Präsident Emmanuel Macron verlangt mehr europäische Souveränität in Sicherheitsfragen und hat schon vor vier Jahren für eine gemeinsame europäische nukleare Abschreckung geworben.
Kanzler Scholz will davon zwar nichts wissen, der neue polnische Ministerpräsident Donald Tusk allerdings schon. «Diese Worte von Donald Trump sollten wie eine kalte Dusche für all jene wirken, die diese immer realer werdende Bedrohung für Europa weiterhin unterschätzen», sagte Tusk Anfang der Woche bei seinem Antrittsbesuch in Berlin mit Blick auf die Atommacht Russland. Die Diskussion dürfte in München weitergehen.
Russische Regierung und AfD müssen draußen bleiben
Zu den Stammgästen der MSC zählten früher auch mal Regierungspolitiker aus Russland, allen voran Außenministerminister Sergej Lawrow. Seit dem russischen Angriff auf die Ukraine ist das vorbei, die russische Regierung ist in München unerwünscht. Der russische Präsident Wladimir Putin habe erst kürzlich wieder klargemacht, dass er zu Verhandlungen mit der jetzigen Regierung in der Ukraine nicht bereit sei, begründet Heusgen sein Vorgehen.
«Das heißt, da ist keine ernsthafte Gesprächsbereitschaft.» Deswegen hat der Konferenzleiter nur russische Exil-Politiker und Russen aus Nichtregierungsorganisationen eingeladen. Ähnlich ist er mit dem Iran verfahren. Und auch Politiker der AfD, vom Bündnis Sahra Wagenknecht und von der Werteunion müssen draußen bleiben.
Keine Beschlüsse vorgesehen
Und was kann am Ende bei der Konferenz herauskommen? Sie ist nicht darauf angelegt, Beschlüsse zu generieren. Die MSC ist ein Diskussionsforum, das Debatten vorantreiben und neue Ideen für mehr Sicherheit in der Welt entwickeln soll. Das fiel in den vergangenen Jahren aber immer schwerer. Und am Ende gab es vor allem eins: viel Ratlosigkeit.
Von Michael Fischer, dpa
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