Bislang war eine Änderung des eigenen Geschlechtseintrages beim Amt mit hohen Hürden verbunden. Die Bundesregierung will dies mit dem Selbstbestimmungsgesetz ändern.
Peter Steffen/dpa
Bislang war eine Änderung des eigenen Geschlechtseintrages beim Amt mit hohen Hürden verbunden. Die Bundesregierung will dies mit dem Selbstbestimmungsgesetz ändern.
Gesellschaft

Weniger Hürden: Was das neue Gesetz für Transmenschen ändert

Der Bundestag hat den Weg für das neue Selbstbestimmungsgesetz frei gemacht. Damit können Menschen ab November ihren Geschlechtseintrag beim Standesamt deutlich leichter ändern lassen als bisher.

Menschen, die beim Amt ihren Geschlechtseintrag ändern lassen wollen, haben es bislang mit hohen Hürden zu tun. Das will die Bundesregierung mit dem neuen Selbstbestimmungsgesetz ändern, das der Bundestag verabschiedet hat. Ein Überblick über die wichtigsten Fragen und Antworten:

Was soll sich mit dem neuen Gesetz ändern?

Es soll künftig leichter sein, seinen Geschlechtseintrag sowie den Vornamen offiziell ändern zu lassen. Dafür sollen Betroffene nur noch eine Erklärung beim Standesamt abgeben müssen - ohne ärztliches Attest, Sachverständigengutachten oder gerichtlichen Beschluss.

Wen betrifft es?

Im Fokus stehen laut Familienministerium drei Gruppen: Transgeschlechtliche, intergeschlechtliche und nicht-binäre Menschen. Transgeschlechtliche Menschen - auch als Transmenschen oder Transpersonen bekannt - identifizieren sich nicht oder nicht nur mit dem Geschlecht, das ihnen bei der Geburt zugewiesen wurde. Viele von ihnen leben mit dem Gefühl, im «falschen Körper» zu sein.

Etwas anders ist es bei intergeschlechtlichen Personen: Sie haben angeborene körperliche Merkmale, die sich nicht eindeutig als männlich oder weiblich einordnen lassen. Das kann neben den Geschlechtsmerkmalen auch den Chromosomensatz oder die Hormonproduktion betreffen. Als nicht-binär bezeichnet man Menschen, die sich keinem Geschlecht zugehörig fühlen.

Warum bedarf es neuer Regeln?

Bislang gilt das Transsexuellengesetz aus dem Jahr 1980, das mit dem neuen Gesetz hinfällig sein wird. Betroffene mussten bis dato eine langwierige und kostspielige Prozedur mit Gutachten und Gerichtsbeschluss über sich ergehen lassen, wenn sie ihren Geschlechtseintrag samt Vornamen ändern lassen wollten.

Bis 2011 mussten sich transgeschlechtliche Menschen dafür sogar noch sterilisieren lassen. Die geltende Rechtslage verletze die Würde des Menschen, sagt der Queerbeauftragte der Bundesregierung, Sven Lehmann. Auch der deutsche Psychotherapeutentag spricht sich seit längerem dafür aus, Hürden für Betroffene abzubauen.

Spielt das Alter eine Rolle?

Ja. Je nach Alter gelten unterschiedliche Regeln. Minderjährige unter 14 Jahren dürfen die Erklärung beim Standesamt nicht selbst abgeben. Übernehmen muss das der gesetzliche Vertreter. Ist die Person mindestens 14 Jahre alt, aber nicht volljährig, muss sie die Erklärung beim Standesamt zwar selbst abgeben, braucht dafür aber die Zustimmung des gesetzlichen Vertreters. Stimmt der nicht zu, kann sich das Familiengericht einschalten.

Wenn beide Elternteile das Sorgerecht haben und sich nicht einigen können, sind sie angehalten, im Sinne des Kindeswohls eine Entscheidung zu treffen. Ansonsten kann auch hier das Familiengericht eine Lösung herbeiführen. Volljährige geben die Erklärung grundsätzlich selbst ab, ohne dass weitere Zustimmungen oder Beratungen erforderlich sind. Eine Änderung ist aber immer nur maximal einmal im Jahr möglich.

Muss der Vorname immer mitgeändert werden?

Prinzipiell schon, es sei denn, der alte Vorname passt auch zum neuen Eintrag. Grundsätzlich gilt: Der Vorname muss dem Geschlechtseintrag entsprechen. Wer also beispielsweise den Eintrag «männlich» wählt, kann als Namen nicht Bettina oder Julia eintragen lassen.

Insgesamt gibt es wie bisher die Wahl zwischen «männlich», «weiblich» und «divers». Betroffene können sich auch entscheiden, keine Geschlechtsangabe zu machen. Eine separate Änderung des Vornamens ohne Änderung des Geschlechtseintrags ist auf Basis des Selbstbestimmungsgesetzes nicht möglich.

Ab wann gelten die neuen Regeln?

Ab 1. November 2024. Zu beachten ist dabei allerdings: Eine Änderung des Geschlechtseintrags muss drei Monate im Voraus beim Standesamt angemeldet werden. Der frühestmögliche Termin für die Anmeldung von Änderungen ist damit der 1. August dieses Jahres.

Was müssen Angehörige und Freunde beachten?

Im Gesetz gibt es einen Passus, der ein Zwangsouting nicht öffentlich bekannter Personen verhindern soll - also Betroffene davor schützt, dass Dritte ohne ihre Zustimmung die frühere Identität oder den früheren Namen verbreiten. Sonderregeln gibt es für enge Angehörige. Nur in offiziellem Schriftverkehr etwa mit Ämtern müssen diese sich zwingend auf den geänderten Namen und Geschlechtseintrag beziehen.

Für sie gilt das sogenannte Offenbarungsverbot ansonsten nicht - es sei denn, sie handeln «in Schädigungsabsicht», wie es im Gesetz heißt. Dann droht ein Bußgeld von bis zu 10.000 Euro. Im privaten Kontext bleibt es beispielsweise den Eltern eines Kindes weiterhin erlaubt, den früheren Namen ihres Kindes zu erwähnen - ohne dass sie mit rechtlichen Konsequenzen rechnen müssen.

Wie viele Menschen betrifft das neue Gesetz?

Die letzten verfügbaren Daten dazu stammen aus dem Jahr 2021, in dem es laut Bundesjustizamt 3232 Verfahren zur Änderung des Geschlechtseintrags gab. Die Pressestelle des Queerbeauftragten geht künftig von etwa 4000 Erklärungen im Jahr aus.

Betrifft das Gesetz auch medizinische Eingriffe?

Nein. Es wird lediglich der Geschlechtseintrag samt Vornamensänderung neu geregelt. Für Eingriffe wie geschlechtsangleichende Maßnahmen trifft das Gesetz keine Regelungen - auch wenn das scharfe Kritiker immer wieder behaupten.

Warum ist das Gesetz umstritten?

Vor allem aus dem konservativen Spektrum gibt es Protest gegen die Neuerungen. Kritiker befürchten, dass das Gesetz Anreize schaffen könnte, seinen Geschlechtseintrag willkürlich anpassen zu lassen oder sich gar geschlechtsverändernden Eingriffen zu unterziehen. Betroffene weisen diese Darstellung entschieden zurück und verweisen darauf, dass niemand diesen Weg freiwillig gehe.

Von Fatima Abbas, dpa
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