Die Partei von Präsident Aleksandar Vucic hat am Sonntag nach Angaben von Wahlforschern die Parlamentswahl in Serbien gewonnen. Nach Auszählung von 80 Prozent der abgegebenen Stimmen sahen die Belgrader Institute Cesid und Ipsos die Serbische Fortschrittspartei (SNS) mit 46 Prozent der Stimmen als klar stärkste Kraft.
Gegenüber der vorherigen Wahl vor 17 Monaten legte die SNS um zwei Prozentpunkte zu. Bleibt es dabei, würde sie im Alleingang über eine absolute Mehrheit von 129 Mandaten in der 250-sitzigen Volksversammlung (Skupstina) verfügen. Die liberale Opposition, die diesmal als Wahlbündnis «Serbien gegen Gewalt» gemeinsam antrat, vereinigte demnach 23 Prozent der Stimmen auf sich und kann mit 64 Mandaten rechnen.
Drittstärkste Kraft wurde die Sozialistischen Partei Serbiens (SPS) von Außenminister Ivica Dacic mit 7 Prozent der Stimmen und 18 Mandaten. Sie regiert seit 2012 in einer Koalition mit der SNS.
Vucic ist seit Mai formell nicht mehr SNS-Vorsitzender, bestimmt aber weiterhin die Geschicke der Partei. Im Wahlkampf brachte er sich massiv ein. Die SNS stand als Liste mit dem Namen «Aleksandar Vucic - Serbien darf nicht stehenbleiben» auf den Wahlzetteln.
Opposition und Wahlforscher warfen der Präsidentenpartei rund 450 Verstöße gegen die Wahlordnung vor. Unter anderem seien Stimmen gekauft und Menschen aus dem serbischen Teil Bosniens in Bussen nach Belgrad gebracht worden, um dort zur Wahl zu gehen.
Präsident Vucic will Macht festigen
Vucic hatte das Parlament nach nicht einmal zwei Jahren aufgelöst. Der Präsident, der seit 2012 in wechselnden Funktionen die Politik des Landes bestimmt, nutzt vorgezogene Wahlen immer wieder, um sich der Loyalität seiner Funktionäre und Anhänger zu versichern. Kritiker werfen ihm einen autoritären Regierungsstil vor.
Vucic missbraucht diesen Stimmen zufolge den Regierungsapparat, Polizei und Geheimdienste, um politische Konkurrenten wirtschaftlich zu ruinieren und in der Öffentlichkeit zu diffamieren. Zugleich seien die Machthabenden um Vucic mit der organisierten Kriminalität im Bunde, lauten Vorwürfe der Kritiker. Tätliche Angriffe auf Oppositionelle würden häufig von Schlägertrupps aus diesem Milieu durchgeführt.
Auslöser der vorgezogenen Wahl waren vor allem zwei Amokläufe im Mai mit 18 Toten sowie Konflikte in dem seit 2008 unabhängigen Kosovo. Serbien beansprucht seine einstige, heute fast ausschließlich von Albanern bewohnte Provinz weiterhin für sich.
Protestbewegung gegen Vucic-Regierung
Die Amokläufe im Mai hatten eine massive Protestbewegung gegen die Vucic-Regierung ausgelöst. Sie warf der Regierung und ihren Medien vor, ein Klima des Hasses und der Gewaltverherrlichung zu schüren. Die liberale Opposition schloss sich infolgedessen zum Wahlbündnis «Serbien gegen Gewalt» zusammen. Ihre Politiker und Anhänger hoffen darauf, bei Kommunalwahlen, die gleichzeitig stattfanden, die Hauptstadt zu erobern.
Gewählt wurden am Sonntag auch die Abgeordnetenkammer der halbautonomen Nordprovinz Vojvodina sowie 65 von 197 Gemeindevertretungen im Land, darunter die in Belgrad. Das vorläufige Endergebnis will die staatliche Wahlkommission am Montag bekanntgeben.
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