Steinmeier: Namibia verliert prägenden Staatsmann
Bundespräsident und Kanzler würdigen die Rolle des gestorbenen namibischen Staatsoberhaupts auf dem Weg der Aussöhnung mit der einstigen Kolonialmacht Deutschland.
Bundespräsident und Kanzler würdigen die Rolle des gestorbenen namibischen Staatsoberhaupts auf dem Weg der Aussöhnung mit der einstigen Kolonialmacht Deutschland.
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat den verstorbenen Präsidenten Namibias, Hage Geingob, als prägenden Staatsmann seines Landes gewürdigt. Vor dem Hintergrund der deutschen Kolonialverbrechen im heutigen Namibia vor mehr als 100 Jahren hob Steinmeier hervor, Geingob habe «trotz der schweren Belastung unserer Geschichte (...) den Weg der Aussöhnung mit Deutschland beschritten». Deutschland bleibe «dem Weg der Versöhnung mit Namibia und der Aufarbeitung des von Deutschland verübten Völkermords verpflichtet».
«Namibia verliert einen großen und prägenden Staatsmann», schrieb Bundespräsident Steinmeier in einem Kondolenzschreiben an Geingobs Witwe. Er erinnerte an Geingobs jahrzehntelangen Kampf für «die Befreiung Namibias vom Joch der Apartheid». «Er prägte die demokratische Verfassung seines Landes und wurde der erste Premierminister Namibias nach der Unabhängigkeit.»
Auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) drückte sein Beileid aus und erklärte, Deutschland verliere «einen Partner, der sich mit großer Offenheit im Prozess der Aufarbeitung der deutschen Kolonialgeschichte engagiert hat». Steinmeier schrieb über Geingob: «Erst vor drei Monaten telefonierten wir über den Fortgang des Versöhnungsprozesses und er war voller Hoffnung über den erfolgreichen Abschluss der Gemeinsamen Erklärung.»
Nach dem Tod Geingobs ist dessen ehemaliger Vize Nangolo Mbumba als neuer Präsident des südafrikanischen Landes vereidigt worden. Er sei sich der Verantwortung bewusst, die dieses bedeutsame Amt mit sich bringe, sagte Mbumba in der Hauptstadt Windhuk. Er werde den Menschen in Namibia mit «größter Hingabe» dienen.
Mbumba: «Säule des namibischen Hauses»
Hage Geingob starb am frühen Sonntagmorgen in einem Krankenhaus in Windhuk, wie Nangolo Mbumba in sozialen Medien mitteilte. Geingob war 82 Jahre alt. «Die namibische Nation hat einen hervorragenden Diener des Volkes, eine Ikone des Befreiungskampfes, den führenden Architekten unserer Verfassung und die Säule des namibischen Hauses verloren», sagte Mbumba in seiner Erklärung.
Seine Frau Monica und seine Kinder seien im Krankenhaus an seiner Seite gewesen, hieß es in der Mitteilung weiter. Geingob war in dem Privatkrankenhaus in der namibischen Hauptstadt behandelt worden, nachdem Ärzte bei einer Biopsie Krebszellen entdeckt hatten. Das Präsidialamt hatte am 1. Februar mitgeteilt, dass Geingob aus den USA zurückgekehrt sei, wo er eine «neuartige Behandlung gegen Krebszellen» erhalten habe.
Südafrikas Präsident Cyril Ramaphosa erklärte, Namibia habe einen «außerordentlichen Anführer» verloren. «Präsident Geingob war ein herausragender Veteran von Namibias Befreiung vom Kolonialismus und der Apartheid.»
Mit Blick auf Namibias Unterstützung während des südafrikanischen Freiheitskampfs gegen die weiße Minderheitsregierung dort fügte er hinzu: Geingob «war auch sehr einflussreich in Bezug auf die Solidarität, die das namibische Volk dem südafrikanischen Volk gewährte, damit auch wir heute frei sein können.» Südafrika sei Geingob dankbar und angesichts seines Todes voller Trauer, fügte Ramaphosa hinzu.
Die deutsche Kolonialzeit
Das Deutsche Reich war von 1884 bis 1915 Kolonialmacht im damaligen Deutsch-Südwestafrika und schlug dort Aufstände gegen seine Herrschaft brutal nieder. Während des Herero-und-Nama-Kriegs von 1904 bis 1908 kam es zu einem Massenmord, der als erster Völkermord im 20. Jahrhundert gilt. Historiker schätzen, dass rund 65 000 von 80 000 Herero und mindestens 10 000 von 20 000 Nama getötet wurden.
2021 erkannte Deutschland die Verbrechen als Völkermord an. Das Versöhnungsabkommen und die darin vorgesehenen Zahlungen Deutschlands für Entwicklungsprojekte in Namibia in Höhe von 1,1 Milliarden Euro liegen derzeit auf Eis. Der Grund ist, dass die Bundesregierung es ablehnt, mit den Nachkommen der damaligen Opfer direkt über persönliche Entschädigungen zu verhandeln. Deutschland verhandle mit der namibischen Regierung, die völkerrechtlich ganz Namibia vertrete, so die Position der Bundesregierung. Die vorgesehenen Finanzhilfen sollen über einen längeren Zeitraum für Entwicklungsprojekte in den Gebieten der Herero und Nama eingesetzt werden.
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