Grenzkontrollen der Bundespolizei am Grenzübergang der Autobahn A8 zwischen Österreich und Deutschland nahe Salzburg (Archivbild)
Peter Kneffel/dpa
Grenzkontrollen der Bundespolizei am Grenzübergang der Autobahn A8 zwischen Österreich und Deutschland nahe Salzburg (Archivbild)
Vorschlag zu Zurückweisungen

Stationäre Kontrollen an allen Landgrenzen - Union will mehr

Mehr Grenzkontrollen und Zurückweisungen - im Ringen um eine striktere Migrationspolitik hat die Bundesregierung der Union einen Vorschlag unterbreitet. Fraktionschef Merz reagiert skeptisch.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hat vorübergehende Kontrollen an allen deutschen Landgrenzen angeordnet, um die Zahl unerlaubter Einreisen stärker einzudämmen. Die zusätzlichen Kontrollen sollen am 16. September beginnen und zunächst sechs Monate andauern, wie das Bundesinnenministerium am Montag mitteilte. 

Als Gründe für die nun angeordneten Kontrollen nannte das Ministerium neben der Begrenzung der irregulären Migration auch der Schutz der inneren Sicherheit vor aktuellen Bedrohungen durch den islamistischen Terrorismus und vor grenzüberschreitender Kriminalität. «Wir tun alles, um die Menschen in unserem Land dagegen zu schützen», sagte Faeser.

Bundesinnenministerin stellt mehr Zurückweisungen in Aussicht

Nach dem Migrationstreffen mit Unionsfraktion und Ländervertretern in der vergangenen Woche habe die Regierung zudem ein «Modell für europarechtskonforme und effektive Zurückweisungen entwickelt», hieß es vom Ministerium. Dieses Modell gehe über die derzeit erfolgenden Zurückweisungen hinaus. Faeser sagte, sie habe dies der Unionsfraktion mitgeteilt und vertrauliche Gespräche dazu angeboten. Ein solches Gespräch mit der CDU/CSU-Fraktion und dem Vorsitz der Ministerpräsidentenkonferenz ist für diesen Dienstag anvisiert.

Union wünscht sich vor nächster Gesprächsrunde mehr Details

Eine Zusage der Union gab es allerdings zunächst nicht. Man höre gerade «ziemlich widersprüchliche Angaben aus der Bundesregierung, was sie denn jetzt ernsthaft will», sagte Fraktionschef Friedrich Merz in Berlin. Es sei unklar, ob es tatsächlich zu umfassenden Zurückweisungen an den Grenzen kommen solle. «Wir wollen, dass die Bundesregierung uns bis zu diesen Gesprächen morgen spätestens noch mal wirklich klar sagt, am besten schreibt, was sie denn jetzt wirklich vorhat.»

Die Union werde sich «auf eine Relativierung oder auf irgendeine eingeschränkte Methodik der Zurückweisung nicht einlassen», betonte der CDU-Vorsitzende. «Wenn die Bundesregierung möchte, dass wir diesen Weg gemeinsam gehen, dann geht es nur, wenn wir wirklich im umfassenden Umfang an den deutschen Außengrenzen zurückweisen.» 

CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt erklärte, Faeser (SPD) habe angekündigt, über die bisherige Situation hinauszugehen. «Das reicht aber nicht», sagte er. «Es muss grundsätzlich um die Zurückweisung an der Grenze gehen, dann sind wir bereit, darüber Entscheidungen gemeinsam mit der Ampel auch zu treffen.» 

Zurückweisungen an deutschen Landgrenzen gibt es derzeit nur in bestimmten Fällen: wenn jemand mit einer Einreisesperre belegt ist oder kein Asyl beantragt. Zurückweisungen an den deutschen Binnengrenzen sind generell nur dort möglich, wo es Kontrollen direkt an der Grenze gibt.

Seit Oktober sind laut Bundesinnenministerium mehr als 30.000 Menschen zurückgewiesen worden. Mitte Oktober 2023 hatte Bundesinnenministerin Faeser stationäre Kontrollen an den Grenzen zu Polen, Tschechien und der Schweiz angeordnet. An der deutsch-österreichischen Landgrenze gibt es solche Kontrollen, die mit der irregulären Migration begründet werden, bereits seit September 2015. Die neu angeordneten Kontrollen direkt an der Grenze betreffen die Landgrenzen zu Frankreich, Dänemark, Belgien, den Niederlanden und Luxemburg.

Zu Details hält sich die Regierung noch bedeckt

Wie der neue Vorschlag der Bundesregierung zu den Zurückweisungen genau aussieht, ließ Faeser zunächst offen. Diesen wolle sie zuerst der Union vorstellen, sagte die Innenministerin. Sie habe dazu mit dem Parlamentarischen Geschäftsführer der Unionsfraktion, Thorsten Frei (CDU), telefoniert. 

In der Vergangenheit hatte es aus dem politischen Raum unterschiedliche Ideen gegeben, etwa dass diese auf alle Ausländer ohne Ausweispapiere ausgedehnt werden sollten oder auf Asylbewerber, die bereits in einem anderen Land als Schutzsuchende registriert wurden.

Österreich will aber «keine Personen entgegennehmen, die aus Deutschland zurückgewiesen werden», sagte der konservative Innenminister Gerhard Karner der «Bild» und der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung». «Da gibt es keinen Spielraum.» Karner argumentiert, dass Deutschland zwar das Recht habe, Menschen zurückzuschicken, wenn ein anderes EU-Land für ihren Asylantrag zuständig ist. Dafür sei aber ein formelles Verfahren und die Zustimmung des betroffenen Mitgliedstaates nötig. Zurückweisungen im Rahmen von Kon­trollen an den EU-Binnengrenzen seien nicht erlaubt, sagt Karner drei Wochen vor der österreichischen Parlamentswahl.

Der Chef der CSU-Bundestagsabgeordneten, Alexander Dobrindt, forderte Österreich auf, selbst tätig zu werden. «Alle müssen sich wieder an das Recht halten. Und das heißt, dass auch die österreichischen Freunde zu dem Ergebnis kommen, dass sie an ihren Grenzen anfangen zu kontrollieren, auch Zurückweisungen machen», sagte der CSU-Landesgruppenchef in Berlin.

Reaktion auf Gewalttaten von Zuwanderern

Verschärft hat sich die Debatte um irreguläre Migration und Abschiebungen auch aufgrund von mehreren Gewalttaten. In Solingen waren bei einem mutmaßlich islamistischen Messerattentat auf einem Stadtfest im August drei Menschen getötet und acht weitere verletzt worden. Ein 26-jähriger Syrer sitzt wegen der Tat in Untersuchungshaft. In Mannheim hatte Ende Mai ein Afghane fünf Mitglieder der islamkritischen Bewegung Pax Europa und einen Polizeibeamten mit einem Messer verletzt, der Polizist starb. 

Grüne: Wir wollen Lösungen, keine Parolen

Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) sagte, man dürfe sich jetzt «nicht kirre machen lassen von denjenigen, die uns jetzt vorgaukeln, dass der Nationalstaat irgendwas in Europa alleine besser regeln könnte». Die Bundesregierung habe in jahrelangen Verhandlungen alles dafür gegeben, «dass wir in Europa ein gemeinsames europäisches Asylsystem auf den Weg bringen», erklärte sie mit Blick auf die Einigung über eine Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS). Die Reform sieht unter anderem vor, dass Schutzersuchen von Menschen aus Staaten mit niedriger Anerkennungsquote bereits an den EU-Außengrenzen geprüft werden sollen.

Die Grünen seien bereit, sich in Gesprächen zu Migrationsfragen zu bewegen, sagte der Parteivorsitzende Omid Nouripour. Die dabei besprochenen Vorschläge müssten aber rechtens, machbar und wirksam» sein. «Wir wollen keine Parolen produzieren, sondern Lösungen.»

FDP hält weitreichende Änderungen für notwendig

FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai sagte nach einer Präsidiumssitzung seiner Partei: «Wir brauchen eine grundlegende Neuordnung der Migrationspolitik in Deutschland.» Dabei dürfe es keine Denkverbote geben. Was tatsächlich möglich sei, habe zuletzt die Abschiebung von Straftätern in einem Flugzeug nach Afghanistan gezeigt. «Wo ein politischer Wille vorhanden ist, da gibt es auch Wege», sagte er.

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