Steckt mit der SPD zu Beginn eines Superwahljahrs mit Europawahl und drei Landtagswahlen tief im Umfragekeller fes: Olaf Scholz.
Sebastian Christoph Gollnow/dpa
Steckt mit der SPD zu Beginn eines Superwahljahrs mit Europawahl und drei Landtagswahlen tief im Umfragekeller fes: Olaf Scholz.
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SPD-Fraktion spricht sich drei Stunden mit Scholz aus

Nach zwei Jahren an der Regierung sitzt die Kanzlerpartei SPD ganz tief im Umfragekeller fest. Zu Beginn eines Superwahljahrs wächst auch in der Bundestagsfraktion die Nervosität.

In einer dreistündigen Aussprache hat die SPD-Fraktion im Bundestag am Donnerstag auf ihrer Klausurtagung mit Bundeskanzler Olaf Scholz über die aktuelle Lage beraten. Über die Inhalte hatten die 207 Abgeordneten bereits vorher Stillschweigen vereinbart. SPD-Chefin Saskia Esken sagte anschließend lediglich, die Aussprache sei «sehr solidarisch, sehr angemessen, sehr beseelend» verlaufen.

Brandbrief: «Es geht heute um die Existenz der SPD»

Zuvor hatte es aus der SPD offene Kritik am Zustand von Partei und Regierung gegeben. Der Bochumer Abgeordnete Axel Schäfer, der seit mehr als 20 Jahren im Bundestag sitzt, schrieb in einem Brandbrief an die Fraktion, über den mehrere Medien berichteten: «Es geht heute um die Existenz der SPD als Mitgliederpartei und als mehrheitsfähige und mehrheitswillige Kraft in unserem Land.» Vor einer solchen Situation habe die Partei «noch nie gestanden».

Auch der Juso-Vorsitzende Philipp Türmer schlug Alarm. «Die Lage der SPD ist derzeit wie die allgemein politische Lage im Land: massiv von Krisen gebeutelt und zutiefst besorgniserregend», sagte er dem «Handelsblatt». «Weder die Ampel noch die SPD als führende Partei werden aktuell mit einer positiven Vision für das Land verbunden.»

Scholz hält sich bedeckt: «Schön, dass ihr da seid»

Die Aussprache mit Scholz dauerte doppelt so lang wie geplant. Der Kanzler selbst äußerte sich anschließend auch nicht inhaltlich, sagte beim Verlassen der Sitzung zu den wartenden Journalisten nur: «Schön, dass ihr da seid.»

Scholz und die SPD stecken zwei Jahre nach ihrem Wahlsieg von 2021 und zu Beginn eines Superwahljahrs mit Europawahl und drei Landtagswahlen tief im Umfragekeller fest. Bei der Sonntagsfrage zur Bundestagswahl kommen die Sozialdemokraten nur noch auf 14 bis 17 Prozent und liegen damit weit abgeschlagen hinter CDU/CSU und AfD auf Platz drei. Bei der Wahl 2021 war die SPD mit 25,7 Prozent noch stärkste Partei geworden.

Nur noch jeder Fünfte mit der Arbeit des Kanzlers zufrieden

Mit der Arbeit des Regierungschefs Scholz sind laut jüngstem aus dem Januar ARD-Deutschlandtrend nur noch 19 Prozent zufrieden. Das ist nach Angaben des Senders der niedrigste Wert für einen Kanzler oder eine Kanzlerin seit Beginn dieser Erhebungen 1997.

Vor der Aussprache hatte die Fraktion mehrere Positionspapiere beschlossen, darunter eins, in dem eine Reform der Schuldenbremse gefordert wird - ein Schritt, der vom Koalitionspartner FDP abgelehnt wird. «Die derzeit starren Regeln sind ein Wohlstandsrisiko für jetzige und kommende Generationen, indem sie nicht genügend Spielräume für starke Zukunftsinvestitionen ermöglichen», heißt es in dem Beschluss. Daher solle im Bundestag zügig ein haushaltspolitischer «Zukunftsdeal» für das Land erarbeitet werden. «Schulden sind nicht per se gut, sie sind aber vor allem nicht per se schlecht. Sie müssen so eingesetzt werden, dass sie volkswirtschaftlich sinnvoll sind.»

Die Schuldenbremse war nach dem Karlsruher Haushaltsurteil Ende 2023 erneut in den Fokus der politischen Debatte gerückt. Die Richter hatten eine Übertragung von Notkrediten auf folgende Haushaltsjahre als nicht rechtskonform eingestuft. Um zur Bekämpfung einer Krise Kredite aufzunehmen, müsste der Bund damit jedes Jahr erneut die Ausnahmeregelung der Schuldenbremse ziehen und eine Notlage erklären.

Mützenich: Demokraten müssen sich gegen «rechten Sumpf» stellen

Weiteres wichtiges Thema bei der Klausur, die noch bis Freitag dauert, war der Kampf gegen den Rechtsextremismus. Nach dem Potsdamer Treffen rechtsradikaler Kreise mit AfD-Funktionären forderte Fraktionschef Rolf Mützenich alle Demokraten dazu auf, sich diesem «rechten Sumpf» entgegenzustellen. «Ich hoffe, dass alle die, die für diese Demokratie einstehen, auch in Zukunft alles dafür tun werden, gegen solche Netzwerke vorzugehen, gegen solche Gedanken vorzugehen», sagte er. Die Zusammenkunft sei «auf einen Umsturz in Deutschland» ausgerichtet gewesen und bedürfe eine «Antwort der Demokraten und der Anständigen».

Im November hatten AfD-Politiker in Potsdam an einem Treffen teilgenommen, bei dem der Taktgeber der rechtsextremen Identitären Bewegung, Martin Sellner, seine Ideen vortrug, wie das Medienhaus Correctiv berichtete. Sellner stellte Ideen dazu vor, wie mehr Ausländer Deutschland verlassen und wie Menschen mit Einwanderungsgeschichte zur Assimilation gedrängt werden könnten.

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