Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) haben mit Tausenden Menschen in Potsdam ein Zeichen gegen Rechts gesetzt.
«Ich stehe hier als eine von Tausenden von Potsdamerinnen und Potsdamern, die einstehen für Demokratie und gegen alten und neuen Faschismus», sagte Baerbock der dpa. Auch der Bundeskanzler wohnt in der Landeshauptstadt und hat dort wie Baerbock seinen Wahlkreis. Beide trugen bordeauxrote Schals mit der Aufschrift «Potsdam bekennt Farbe».
Scholz und Baerbock in Potsdam
Nach Bekanntwerden eines Treffens rechter Aktivisten in Potsdam mit AfD-Politikern versammelten sich am Wochenende in mehreren Städten Tausende bei Demonstrationen gegen Rechts. In Potsdam waren es laut dem Initiator, Oberbürgermeister Mike Schubert, 10.000 Teilnehmer.
Tausende vor dem Brandenburger Tor
In Berlin demonstrierten Tausende vor dem Brandenburger Tor gegen Rechtsextremismus. Nach Angaben einer Polizeisprecherin versammelten sich am Sonntagnachmittag zunächst «mehrere Tausend» Teilnehmer. Eine Sprecherin der Klimaschutzgruppe Fridays for Future, die auch zu der Demonstration aufgerufen hatte, bezifferte die Zahl auf 25.000. In Saarbrücken waren laut Polizei rund 5000 Menschen bei einer Demonstration gegen Rechts.
Am Mittwoch hatte das Medienhaus Correctiv Rechercheergebnisse zu dem Treffen in einer Potsdamer Villa veröffentlicht. Daran teilgenommen hatten im November auch einzelne AfD-Funktionäre sowie einzelne Mitglieder der CDU und der erzkonservativen Werteunion.
Der frühere Kopf der rechtsextremen Identitären Bewegung in Österreich, Martin Sellner, bestätigte der Deutschen Presse-Agentur, dass er dort über «Remigration» gesprochen hatte. Wenn Rechtsextremisten den Begriff verwenden, meinen sie in der Regel, dass eine große Zahl Menschen ausländischer Herkunft das Land verlassen soll - auch unter Zwang. Laut Correctiv-Recherche nannte Sellner drei Zielgruppen: Asylbewerber, Ausländer mit Bleiberecht - und «nicht assimilierte Staatsbürger».
Wüst: «AfD ist eine gefährliche Nazipartei»
Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) sagte dem «Tagesspiegel am Sonntag», die Zusammenkunft in Potsdam mit einzelnen AfD-Funktionären habe gezeigt, dass die zweitgrößte Oppositionspartei im Bundestag keine Protestpartei sei. Er wurde wie schon vor einigen Monaten deutlich: «Die AfD ist eine gefährliche Nazipartei.»
CDU-Parteichef Friedrich Merz sagte nach einer Vorstandsklausur in Heidelberg mit Blick auf die anstehenden Wahlen, unter anderem in drei ostdeutschen Bundesländern: «Wir werden in diese Wahlen gehen mit einer sehr klaren, sehr harten Auseinandersetzung insbesondere gegen die AfD.»
Grünen-Chef Omid Nouripour forderte Konsequenzen: «Wenn sich Personen treffen, um einen Umsturz oder Deportationen von Millionen Menschen zu planen, dann ist das strafrechtlich zu belangen», sagte er der «Welt», «mit der vollen Härte des Gesetzes». Die Aufgabe aller Demokraten sei es, die AfD klar zu benennen als «Feindin unserer Demokratie, unserer Wirtschaft, unserer Gesellschaft».
Debatte um AfD-Verbot
Nach dem Treffen war die Debatte über ein mögliches Verbot der AfD wieder aufgeflammt. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier steht einem solchen Antrag jedoch skeptisch gegenüber. «Ich kann die Erfolgsaussichten nicht beurteilen - ein Verfahren würde vermutlich sehr lange dauern», sagte Steinmeier der «Süddeutschen Zeitung». Der frühere Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Hans-Jürgen Papier, sagte dem «Tagesspiegel» (Samstag) zu einem möglichen Verbot: «Das würde der AfD nur in die Hände spielen.» Das Grundgesetz setze für ein Parteiverbot in Artikel 21 hohe Hürden.
Ähnlich argumentierte FDP-Chef Christian Lindner am Sonntag bei einer FDP-Veranstaltung in Düsseldorf: Die AfD ziehe keine Trenungslinie zu Rechtsextremisten - es gäbe aber keinen größeren Triumph für sie, als wenn die demokratischen Parteien keinen anderen Weg wüssten. Auch CDU-Chef Merz meinte, er halte wenig von einem Verbot.
Die AfD wird in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen vom jeweiligen Verfassungsschutz als gesichert rechtsextremistisch bewertet, bundesweit gilt sie als Verdachtsfall. Die Partei befindet sich seit Monaten in einem Umfragehoch. Landtagswahlen stehen im September in Brandenburg, Thüringen und Sachsen an. In allen drei Ländern liegt die AfD derzeit im Umfragen vorn, zum Teil deutlich.
Wüst will mit Kanzler über Migration sprechen
Angesichts dessen rief Wüst die Bundesregierung zur Zusammenarbeit bei der Begrenzung der Migration auf. «Die Kraft von Populisten und Extremisten speist sich immer aus der Handlungsunfähigkeit der Demokraten. Das gilt vor allem bei einem der großen Probleme unserer Zeit: der Migrationsfrage», sagte Wüst dem «Tagesspiegel am Sonntag». Wüst forderte ein baldiges Treffen von Kanzler Olaf Scholz (SPD) mit den Ministerpräsidenten der Länder zu dem Thema.
SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert wies das zurück. «Die Forderung von NRW-Ministerpräsident Wüst empfinde ich insbesondere in diesen Tagen als taktlos», sagte Kühnert der Zeitung. «Vor dem Hintergrund jüngst aufgedeckter Umsturz- und Deportationspläne in Kreisen von AfD-Funktionären, Unternehmern und rechtsradikalen Aktivisten braucht es keine Zugeständnisse an die immer radikalere AfD.»
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