Die Atommächte Russland und Nordkorea haben im Konflikt mit den USA und deren Verbündeten ein neues Bündnis geschmiedet. Beide Länder hätten einen gegenseitigen Beistand für den Fall eines militärischen Angriffs durch einen Drittstaat vereinbart, sagte der russische Präsident Wladimir Putin in der nordkoreanischen Hauptstadt Pjöngjang. Die gegenseitige Hilfe bei einer Aggression von außen ist demnach Teil eines Vertrags über eine allumfassende strategische Zusammenarbeit, den Putin mit Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un unterzeichnet hat. Das Abkommen soll die Zusammenarbeit der beiden Staaten auf eine neue Stufe stellen. Nordkorea testet seit 2022 wieder verstärkt atomwaffenfähige Raketen, es hat sich selbst zur Atommacht ernannt.
Putin, der am frühen Morgen (Ortszeit) zu einem Staatsbesuch eingetroffen war, dankte seinem Gastgeber auch für die Unterstützung seines Landes beim russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Er lud Kim russischen Angaben zufolge zudem zu einem neuen Besuch ein – diesmal nach Moskau, nachdem sich die beiden im September zuletzt in Wladiwostok getroffen hatten. Der jetzige Besuch war Putins erster Aufenthalt in dem abgeschotteten Nachbarland seit 24 Jahren.
Besorgnis der USA
Besonders die wachsende militärische Kooperation Russlands mit Nordkorea wird von den USA und ihren Verbündeten mit großer Besorgnis gesehen, weswegen das Treffen in Pjöngjang von ihnen genau beobachtet wurde. Die USA werfen Nordkorea vor, Russland für die Invasion mit Raketen und Artilleriemunition auszurüsten. Sie befürchten, dass Nordkorea im Gegenzug militärische Schlüsseltechnologie aus Russland erhalten könnte, etwa für den Bau von Trägerraketen für den Satellitenstart oder von Atom-U-Booten. Beide Länder haben eine solche Kooperation bestritten.
Beide Länder unterliegen internationalen Sanktionen. Wegen des Angriffs auf die Ukraine vor mehr als zwei Jahren hat der Westen bereits beispiellose Sanktionen gegen Russland und seine Unterstützer verhängt. Nordkorea unterliegt wegen seines Atomwaffenprogramms Strafmaßnahmen des UN-Sicherheitsrats sowie separaten Sanktionen einzelner Länder.
Üppiger Empfang für Putin
Kim bereitete dem Kremlchef einen üppigen Empfang, Nordkoreas Staatsmedien sprachen von einem «historischen Besuch». Kim holte den Gast zunächst am Flughafen ab, wo sich beide lächelnd umarmten. Danach fuhren sie zusammen zum Kumsusan-Staatsgästehaus, das Putin als Unterkunft diente.
Vor Beginn der politischen Gespräche wurde Putin bei einer offiziellen Begrüßungszeremonie auf dem Kim-Il-Sung-Platz, dem städtebaulichen und symbolischen Zentrum Pjöngjangs, von einer jubelnden Menschenmenge begrüßt. Viele hielten russische Fähnchen in den Händen. Soldaten marschierten an Putin und Kim, die auf einer Bühne standen, vorbei.
Das russische Staatsfernsehen zeigte Bilder von Menschen, die entlang einer Straße standen, um die Delegation aus Moskau zu bejubeln. Über eine Strecke von 30 Kilometern stünden die Menschen auf beiden Seiten der Straße, sagte ein Reporter. Kim und Putin fuhren auch stehend in einem Wagen an den jubelnden Menschenmengen vorbei. Der Kremlchef schenkte seinem Gastgeber erneut ein Auto der russischen Luxusmarke Aurus, die dem Präsidenten auch als Staatskarosse dient.
«Aufbau einer neuen multipolaren Welt»
Die Zusammenarbeit beider Länder wird auch als Versuch gesehen, eine gemeinsame Front gegen die USA aufzubauen. «Das ist ein gewaltiger Vertrag», sagte Kim Jong Un über das russisch-nordkoreanische Abkommen. Es leite eine neue Epoche ein. Die Zusammenarbeit in politischen, militärischen, wirtschaftlichen und anderen Fragen sei friedlich und auf Verteidigung der Interessen beider Staaten ausgerichtet, betonte er. «Ich habe keinen Zweifel daran, dass er zu einer treibenden Kraft beim beschleunigten Aufbau einer neuen multipolaren Welt wird», sagte der Machthaber.
Putin sprach sich auch dafür aus, die UN-Sanktionen gegen Nordkorea zu beenden, und sicherte Kim Hilfe zu, dem Druck durch die internationalen Strafmaßnahmen zu widerstehen. «Wir wehren uns weiter gegen die Praxis eines Strangulierens durch Sanktionen als ein Instrument, das der Westen zu nutzen pflegt, um seine Hegemonie in der Politik, in der Wirtschaft und anderen Sphären aufrechtzuerhalten», sagte Putin.
Putin sagte, der neue Vertrag mit Nordkorea solle die Sicherheitslage in der Region verbessern. Zugleich warf er den USA eine Politik der Konfrontation vor – mit einer Ausweitung der militärischen Infrastruktur und den Manövern, an denen auch Südkorea und Japan beteiligt sind. Solche Schritte gefährdeten Frieden und Stabilität und seien eine Bedrohung für die Sicherheit im asiatischen Raum.
Das letzte Mal war Putin im Jahr 2000 in Nordkorea, damals wurde er noch von Kims Vater Kim Jong Il empfangen. Nach einer längeren Auszeit im Verhältnis wurden die Beziehungen zuletzt deutlich ausgebaut - nicht zuletzt wegen des Kriegs gegen die Ukraine. So hat Putin Kim im vergangenen Herbst in Russlands Fernem Osten empfangen. Damals war der nordkoreanische Diktator mit seinem gepanzerten Privatzug angereist. Bei dem damaligen Treffen auf dem Weltraumbahnhof Wostotschny in der Amur-Region betonten beide Seiten ihre Bereitschaft zu einer Vertiefung der Kooperation - ausdrücklich auch im militärtechnischen Bereich.
«Außenpolitischer Partner Nummer eins»
Für Nordkorea geht es Experten zufolge bei der Kooperation mit Moskau mehr als um mögliche Waffengeschäfte. Demnach will sich Kim verstärkt gegen die wachsende Militärkooperation der USA mit Südkorea und Japan aufstellen und sich über Russland im UN-Sicherheitsrat ein Schutzschild gegen die internationalen Sanktionen verschaffen.
«Die Militärkooperation allein ist schon ein großer Gewinn», sagt die Leiterin der auf Nordkorea spezialisierten Nachrichtenseite «38 North» des Stimson Center in den USA, Jenny Town. Die eigenen Ziele könnten so in größerem Tempo erreicht werden. Russland hatte im März sein Veto gegen eine UN-Resolution eingelegt, wodurch die Überwachung der Sanktionen gegen Nordkorea durch UN-Experten verlängert werden sollte. China enthielt sich damals. «Ich denke, Nordkorea sieht Russland jetzt als außenpolitischen Partner Nummer eins.»
Von Ulf Mauder und Dirk Godder, dpa
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