Rund zwei Wochen nach dem Regierungswechsel in Großbritannien hat König Charles III. mit royalem Pomp das Parlament eröffnet. Der Monarch verlas beim «State Opening of Parliament» das Regierungsprogramm des neuen Premierministers Keir Starmer. Der 61-Jährige ist der erste Regierungschef der sozialdemokratischen Labour-Partei seit 14 Jahren.
In der «King's Speech» wurde eine ganze Reihe von Gesetzesinitiativen angekündigt, mit denen Starmer Probleme wie die Wohnungsnot, Ärger mit unzuverlässigen Bahnbetreibern und langen Wartezeiten in Krankenhäusern in den Griff bekommen möchte. Auch eine Wiederannäherung an die EU steht auf der Agenda.
«Stabilität wird der Grundpfeiler der wirtschaftlichen Politik meiner Regierung sein», las König Charles aus dem Programm vor, das mehr als 35 Gesetze umfasst. Wirtschaftswachstum sei die «fundamentale Mission». Eine Finanzkrise, wie sie die von Starmers Vorvorgängerin Liz Truss angekündigten Steuersenkungen ausgelöst hatte, soll es nicht mehr geben, lautet die Botschaft dahinter.
«State Opening» folgt jahrhundertealten Regeln
Der 75 Jahre alte König und seine Frau, Königin Camilla, die am Mittwoch ihren 77. Geburtstag feierte, waren zuvor mit viel Pomp per Kutsche in einer Prozession vom Buckingham-Palast angereist. Das «State Opening» zählt zu den wichtigsten Terminen im royalen und politischen Kalender und folgt jahrhundertealten Regeln. Der König trägt dabei die Impirial State Crown.
Vor dem Parlament versammelten sich viele Schaulustige, aber auch Royal-Gegner der Gruppe Republic, die eine Abschaffung der Monarchie fordern.
Zu den von der Regierung angekündigten Gesetzesinitiativen gehört auch eine Reform des Planungsrechts. Damit soll der Bau von Wohnimmobilien und Großprojekten vereinfacht werden. Bahnbetreiber sollen schrittweise in staatliche Hand übergehen, und mehr Kompetenzen sollen an lokale Verwaltungen gehen. Die Rechte von Arbeitnehmern und Mietern will Labour stärken. Mit einem neuen Grenzschutzkommando will Starmer Schlepperbanden zu Leibe rücken, die Migranten in keinen Booten über den Ärmelkanal schleusen.
Schrittweises Tabakverbot soll doch noch kommen
Der Monarch ist in Großbritannien politisch strikt neutral, auch wenn er sich bei der «King's Speech» zum Sprachrohr der Regierung macht. Dem umweltbewussten Charles dürften die Worte: «Meine Regierung erkennt die Dringlichkeit der globalen Klima-Herausforderung an (...)» dennoch leicht über die Lippen gekommen sein.
Ein neues staatliches Unternehmen namens GB Energy soll Investitionen in erneuerbare Energien attraktiver machen. Mit mehr Rechten für die Aufsichtsbehörde der Wasserversorger soll der zunehmenden Verschmutzung von Flüssen und Küsten ein Ende gesetzt werden. Immer wieder demonstrieren Menschen in Großbritannien gegen die Einleitung ungeklärter Abwässer etwa ins Meer.
Von der Vorgängerregierung übernimmt Starmer Pläne für eine neue Aufsichtsbehörde im Fußball und ein schrittweises Verbot von Tabak. Das Mindestalter für den Kauf von Tabakprodukten soll demnach in den kommenden Jahren immer weiter steigen, sodass jüngere Generationen nicht mehr legal rauchen können. Gegenwind von der nun konservativen Opposition unter Führung von Ex-Premierminister Rishi Sunak dürfte es dagegen nicht geben, wohl aber für das Vorhaben, die Befreiung von Mehrwertsteuer für Privatschulen aufzuheben.
Tradition erinnert an den «Gunpowder Plot»
Zu den kuriosen Ritualen um das «State Opening» gehört, dass Wachen zu Beginn mit Lampen in den Keller des Oberhauses hinabsteigen, um nachzusehen, ob dort jemand Schießpulver versteckt hat. Damit wird an den «Gunpowder Plot» des katholischen Verschwörers Guy Fawkes erinnert, der im Jahr 1605 versucht haben soll, den protestantischen König Charles I. beim «State Opening» in die Luft zu jagen.
Gesandte bekommt Tür vor dem Gesicht zugeknallt
Ebenso merkwürdig mutet auch die Tradition an, dass ein Abgeordneter vom Palast während der Zeremonie in Geiselhaft genommen wird, um die Rückkehr des Monarchen aus der Domäne der Volksvertreter abzusichern.
Um die Unabhängigkeit des Parlaments von der Monarchie zu betonen, wird der als «Black Rod» (schwarzer Stab) bezeichneten Chefin der Wache im Oberhaus zudem die Tür zum Unterhaus vor der Nase zugeknallt, wenn sie hinübergeht, um die Abgeordneten in die obere Kammer zu rufen. Erst nach dreimaligem Klopfen erhält sie Einlass.
Von Christoph Meyer und Julia Kilian, dpa
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