Neue Spitze, neuer Kurs? Grüne Jugend wählt Vorsitzende
Nach dem geschlossenen Rücktritt ihres Vorstands hat sich die grüne Parteijugend neu aufgestellt. Wofür stehen die neuen Vorsitzenden? Und wie blicken sie auf die Grünen?
Nach dem geschlossenen Rücktritt ihres Vorstands hat sich die grüne Parteijugend neu aufgestellt. Wofür stehen die neuen Vorsitzenden? Und wie blicken sie auf die Grünen?
Personell sind die wichtigsten Entscheidungen bei der Grünen Jugend nun gefallen: Die Nachwuchsorganisation hat ein neues Führungsduo. Für die 25 Jahre alte Jette Nietzard als neue Vorsitzende stimmten beim Bundeskongress in Leipzig rund 84,5 Prozent. Kurz darauf wurde der 24-jährige Jakob Blasel mit rund 74,6 Prozent gewählt. In ihren Reden forderten die Co-Vorsitzenden unter anderem mehr Anstrengungen beim Klimaschutz, eine humane Asylpolitik und soziale Gerechtigkeit. Dabei griffen sie auch die Grünen und die Bundesregierung scharf an.
Kritik an «gottlosen Kompromissen» der Ampel-Koalition
Blasel studiert Rechts- und Umweltwissenschaften in Lüneburg und zählt zu den bekannteren Gesichtern der Klimabewegung Fridays for Future. Er kritisierte, dass soziale Gerechtigkeit in der Ampel-Koalition nicht auf der Tagesordnung stehe.
Es könne nicht sein, dass die Bundesregierung bei einer sozialen und ambitionierten Wärmewende oder einer günstigen und guten Bahn versage, betonte er. «Egal, welche gottlosen Kompromisse die Ampel für angemessen hält, egal, wie sehr sie hofft, dass wir das einfach so hinnehmen, wir werden nicht wegschauen.»
Nietzard an Grüne: «Ihr baut sie auch - die Scheiße»
Auch Nietzard ist bei den Berliner Grünen aktiv und engagiert sich für Geflüchtete. Sie betonte, dass viele bei der Grünen Jugend enttäuscht von der Ampel-Koalition seien. «Wenn Menschen in der Bundesregierung mir erzählen, wir bräuchten Obergrenzen, wir müssten schneller abschieben, dann möchte ich sie anschreien: Wir brauchen keine Obergrenzen, wir brauchen Menschenwürde.»
An die Grünen gerichtet sagte sie: «Ihr baut sie auch - die Scheiße». Sie erwarte von der Partei, dass sie keine faulen Kompromisse schließe, sondern für Menschenrechte, Klimaschutz und soziale Gerechtigkeit einstehe.
Auch wenn andere die Grüne Jugend vielleicht aufgegeben hätten: «Wir sind hier einfach noch nicht fertig», sagte Nietzard. «Der befürchtete Untergang bleibt nicht mehr als eine kleine Delle in unserem starken Verband», betonte auch Blasel.
Warum der alte Vorstand geht
Ende September kam es für die Grünen Schlag auf Schlag: Zunächst kündigte der komplette Bundesvorstand der Partei mit den Co-Vorsitzenden Omid Nouripour und Ricarda Lang an der Spitze seinen Rücktritt für November an. Kurz darauf erklärte der zehnköpfige Vorstand der Grünen Jugend, er werde nicht wieder kandidieren und geschlossen aus der Partei austreten.
Die Begründung: zu wenig linkes Profil bei den Grünen, zu viele Kompromisse in der Ampel-Koalition. Die Entscheidung fiel schon vor der Bekanntgabe des Rücktritts des Parteivorstandes, erklärte die Spitze der Nachwuchsorganisation um Svenja Appuhn und Katharina Stolla damals. Nach dem Ende ihrer Amtsgeschäfte bei diesem Bundeskongress wollten sie auch aus der Grünen Jugend austreten und einen «neuen, dezidiert linken Jugendverband» gründen, hieß es.
Was für Reaktionen das hervorgerufen hat
Die jungen Aussteigerinnen und Aussteiger werben unter dem Slogan «Zeit für was Neues» für ihr Projekt. Dutzende Mitglieder aus zahlreichen Landesverbänden der Grünen Jugend haben ebenfalls ihren Austritt verkündet und sich ihnen angeschlossen, wie aus dem Instagram-Profil des Projekts hervorgeht. Die Grüne Jugend hatte den Schritt und die Arbeit ihres alten Vorstands am Freitagabend mehrheitlich kritisiert.
Wie es um das Verhältnis zu den Grünen steht
Die Grüne Jugend ist traditionell links - könnte aber mit dem Rückzug des alten Vorstands wieder etwas näher an die Partei heranrücken. Der Anspruch müsse sein, auf die Grünen Einfluss zu nehmen und «in das Gespräch zu gehen», sagte Blasel.
Noch-Parteichefin Ricarda Lang sagte am Abend vor den Hunderten Teilnehmerinnen und Teilnehmern des Kongresses, es gebe kaum einen Ort in der Partei, in dem die Grüne Jugend nicht mit am Tisch sitze. Gleichzeitig müsse man ernst nehmen, wenn offensichtlich ein Teil der Parteijugend so frustriert war, dass er das Gefühl hatte, keinen Ort mehr zu haben, um das zu thematisieren. Die Partei solle die Grüne Jugend als strategischen Akteur ernst nehmen. «Nehmt ihr aber auch die Partei ernst, nicht als jemand, den man nervig findet, sondern als jemand, mit dem man um die beste Strategie ringen muss.»
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