Ihr letzter Bundesparteitag als Vorsitzende: Janine Wissler und Martin Schirdewan.
Hendrik Schmidt/dpa
Ihr letzter Bundesparteitag als Vorsitzende: Janine Wissler und Martin Schirdewan.
Parteien

Migration: Linken-Chefin Wissler attackiert Ampel und BSW

Die Linke will ihre Krise überwinden und stellt sich neu auf. Zum Abschied redet sich die Vorsitzende Wissler noch einmal in Rage. Einen Streitpunkt räumen die Delegierten aus.

Nach einer Serie von Wahlniederlagen will die Linke mit sozialer Sicherheit bei Löhnen, Rente und Mieten und mit Offenheit für Migration beim Wähler punkten. Ein Bundesparteitag in Halle entschärften am Freitagabend auch einen seit langem anhaltenden internen Streit: Die Delegierten beschlossen einen Kompromissantrag zum Krieg im Nahen Osten und zum Kampf gegen Antisemitismus. 

Gefordert wird darin ein sofortiger Waffenstillstand und die Freilassung aller Geiseln. Der Angriff der Hamas auf Israel wird verurteilt, aber auch die Kriegsführung der Regierung von Benjamin Netanjahu im Gazastreifen und im Libanon. Deutschland und die Nato dürften keine Waffen liefern, heißt es. Außerdem solle die Bundesregierung Palästina als eigenen Staat in den Grenzen von 1967 anerkennen. Zugleich wird betont, die Linke stehe entschieden gegen jede Form des Antisemitismus und Rassismus.

Wissler attackiert Migrationspolitik der Ampel

Zuvor hatte die scheidende Linken-Vorsitzende Janine Wissler in ihrer Abschiedsrede scharfe Kritik an der Migrationspolitik der Ampel und der übrigen Parteien geäußert. Sie warf der Regierung vor, Forderungen der AfD zu übernehmen.

«Die aktuelle Debatte fühlt sich an wie ein AfD-Look-a-like-contest (ein AfD-Doppelgänger-Wettbewerb)», sagte Wissler. «Grenzkontrollen, Inhaftierung von Geflüchteten, Abschiebungen im großen Stil, wie der Kanzler sagt, sogar nach Afghanistan – der feuchte Traum eines jeden AfDlers ist Regierungshandeln geworden.» 

Kritik auch am BSW

Wissler griff auch das Bündnis Sahra Wagenknecht an, das sich vor einem Jahr von der Linken abgespalten hatte. «Wenn ich heute Reden vom BSW höre, in denen mehr Abschiebungen gefordert werden, wenn offen über gemeinsame Anträge mit der AfD diskutiert und schärfere Sanktionen beim Bürgergeld gefordert werden, dann kann ich nur sagen: Es ist richtig, dass wir nicht mehr in einer Partei sind», sagte sie. Die Delegierten feierten Wissler nach ihrer kämpferisch vorgetragenen Rede.

Ihr Co-Vorsitzender Martin Schirdewan sagte, vom Parteitag solle ein «starkes und kraftvolles Signal» ausgehen. «Diese Linke wird in diesem Land gebraucht», sagte Schirdewan am Rande des Parteitags.

Ramelow geht Selbstbeschäftigung «auf die Ketten»

Wissler rief die Mitglieder auf, die innerparteiliche Kultur zu verbessern. Auch der thüringische Ministerpräsident Bodo Ramelow forderte seine Partei eindringlich zum Neuanfang auf. «Mir geht es auf die Ketten, wie wir uns selber beschäftigen mit uns selber», sagte er. «Ich habe keine Lust mehr, für jeden Deppen, der auf X unterwegs ist, den Kopf hinzuhalten», fügte Ramelow hinzu. Der Vorstand der Partei müsse auch einmal deutliche Worte finden können, ohne sofort dafür angegriffen zu werden.

In einer stundenlangen Aussprache debattierten die Mitglieder über den künftigen Kurs. Ein Schwerpunkt war die Forderung nach bezahlbaren Mieten. Der bayerische Landessprecher Martin Bauhof sagte, die Linke sei die Partei, die sich für Mieterinnen und Mieter einsetze. 

10.000 neue Mitglieder in einem Jahr

Die Linke hat bei den vergangenen Wahlen schlecht abgeschnitten. Zuletzt verlor sie bei der Europawahl und den Landtagswahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg stark. In Brandenburg flog sie erstmals seit der Deutschen Einheit 1990 aus einem ostdeutschen Parlament. 

Zuversicht schöpft die Linke aus den vielen neuen Mitgliedern, die in den vergangenen Monaten beigetreten sind. Nach Angaben von Wissler waren es seit Oktober 2023 mehr als 10.000. Allerdings waren vorher auch Scharen von Mitgliedern ausgetreten. Nach Parteiangaben gehören der Linken derzeit gut 52.600 Mitglieder an. Erklärtes Ziel der Partei ist, nach der nächsten Wahl wieder in Fraktionsstärke in den Bundestag einzuziehen. Derzeit liegt sie bundesweit in Umfragen bei drei bis vier Prozent.

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