Im Machtkampf nach der umstrittenen Wahl in Venezuela verschärft sich der Ton. Der autoritäre Präsident Nicolás Maduro sagte, die Oppositionsführerin María Corina Machado und ihr Kandidat Edmundo González Urrutia gehörten ins Gefängnis. «Als Bürger sage ich: Diese Leute müssten hinter Gittern sein», erklärte Maduro am Mittwoch (Ortszeit) vor Journalisten in Caracas.
Die Opposition ihrerseits hält daran fest, die Wahl vom Sonntag gewonnen zu haben, bei der Maduro trotz Betrugsvorwürfen zum Sieger erklärt worden war. Die USA fordern in verschärftem Ton, dass die Wahlbehörde die Listen mit den abgegebenen Stimmen öffentlich mache. Zwar sagte Maduro eine Überprüfung der Wahl zu, doch das zuständige Oberste Gericht gilt als regierungstreu.
Maduro bezeichnete Machado und González als Kriminelle und Feiglinge. Bereits in den Tagen davor hatten führende Köpfe der sozialistischen Regierungspartei Haft für die beiden Regierungsgegner gefordert. Der Präsident machte die Opposition für die gewaltsamen Proteste nach der Wahl verantwortlich.
Tote und Hunderte Festnahmen
Bei den Ausschreitungen starben nach Angaben regierungsunabhängiger Organisationen aus Venezuela mindestens elf Menschen. Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch schrieb auf X, sie habe Berichte erhalten, laut denen es bislang sogar 20 Tote gegeben habe. Nach Angaben der Generalstaatsanwaltschaft wurden mehr als 1.000 Menschen festgenommen.
Die Opposition gibt der Regierung die Schuld an den Protesten. «Venezuela und die ganze Welt wissen, dass Gewalt das letzte Mittel des Maduro-Regimes ist», schrieb Machado auf der Plattform X. «Nach dem klaren Wahlsieg, den wir Venezolaner errungen haben, ist die Antwort des Regimes Mord, Entführung und Verfolgung. Diese Verbrechen werden nicht ungesühnt bleiben.»
Haftbefehl für Maduro gefordert
Der Generalsekretär der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS), Luis Almagro, will in diesem Zusammenhang beim Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag einen Haftbefehl gegen Maduro beantragen. Vor der Wahl hatte dieser vor einem Blutbad und einem Bürgerkrieg in dem südamerikanischen Land gewarnt, sollte er nicht wiedergewählt werden.
Es sei empörend, dass Maduro dieses Blutbad nun vollziehe, sagte Almagro. Es seien Vorsatz, Heimtücke und Grausamkeit im Spiel. «Es ist an der Zeit, Anklage zu erheben und einen Haftbefehl seitens des Internationalen Strafgerichtshofes gegen die Hauptverantwortlichen zu beantragen, einschließlich Maduro», schrieb Almagro auf der Plattform X. Der Strafgerichtshof ermittelt bereits seit Jahren gegen Maduros Regierung wegen mutmaßlicher Verbrechen gegen die Menschlichkeit.
Nach der Präsidentenwahl am Sonntag hatte die regierungstreue Wahlbehörde Maduro offiziell zum Sieger erklärt. Die Opposition wirft der Regierung aber Wahlfälschung vor und reklamiert den Sieg für ihren Kandidaten González. Sie hat nach eigenen Angaben Zugang zu mehr als 80 Prozent der detaillierten Wahlergebnisse aus den einzelnen Stimmbezirken, die der Nationale Wahlrat bislang nicht veröffentlicht hat. Demnach soll González auf 67 Prozent der Stimmen und Maduro auf 30 Prozent kommen.
Viele Länder zweifeln Wahlergebnis an
Auch die USA, die EU und eine Reihe lateinamerikanischer Länder zweifeln das offizielle Wahlergebnis an. Peru erkannte sogar den Oppositionskandidaten González als Wahlsieger an, woraufhin Venezuela die diplomatischen Beziehungen zu dem südamerikanischen Land abbrach.
Für die US-Regierung warnte der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrates, John Kirby: «Unsere Geduld und die der internationalen Gemeinschaft endet langsam.» Die Zeit für die venezolanische Wahlbehörde werde knapp, um «vollständige und detaillierte Daten» zu veröffentlichen, «damit jeder die Ergebnisse sehen kann».
Maduro schaltet regierungstreues Oberstes Gericht ein
Maduro beantragte beim Obersten Gerichtshof demonstrativ eine Untersuchung der Wahl und kündigte an, die detaillierten Ergebnislisten bald zu veröffentlichen. Allerdings gilt das Gericht als regierungstreu und nicht als unabhängig, wie etwa das Carter Center betonte. Die unabhängige US-Organisaton hatte Wahlbeobachter nach Venezuela geschickt und die Abstimmung als nicht demokratisch bezeichnet.
Venezuela steckt seit Jahren in einer schweren politischen und wirtschaftlichen Krise, die auch auf Misswirtschaft der sozialistischen Regierung unter Maduro beruht. In dem einst wohlhabenden Land mit großen Erdölvorkommen leben mehr als 80 Prozent der Bevölkerung unter der Armutsgrenze. Immer wieder kommt es zu Stromausfällen, Benzin, Gas und Medikamente sind knapp. Mehr als sieben Millionen Menschen - ein Viertel der Bevölkerung - haben Venezuela in den vergangenen zehn Jahren wegen Armut und Gewalt verlassen.
© dpa-infocom, dpa:240801-930-190706/2
Copyright 2024, dpa (www.dpa.de). Alle Rechte vorbehalten