Lob und Kritik nach UN-Gerichtsurteil zu Israel
Das Urteil des höchsten UN-Gerichts stößt international auf unterschiedlichste Reaktionen. Israel ist nicht zufrieden und erhebt schwere Vorwürfe gegen eine wichtige UN-Organisation. Der Überblick.
Das Urteil des höchsten UN-Gerichts stößt international auf unterschiedlichste Reaktionen. Israel ist nicht zufrieden und erhebt schwere Vorwürfe gegen eine wichtige UN-Organisation. Der Überblick.
Die Entscheidung des höchsten Gerichts der Vereinten Nationen, Israel müsse Palästinenser bei seinem Militäreinsatz im Gazastreifen besser schützen, hat für gemischte Reaktionen gesorgt. Propalästinensische Staaten und der Kläger Südafrika zeigten sich erfreut über da Urteil, während Israel und die USA eher zurückhaltend reagierten. Der Internationale Gerichtshof (IGH) im niederländischen Den Haag hatte im Krieg Israels gegen die Hamas zwar keinen Waffenstillstand angeordnet. Allerdings stellten die Richter die Gefahr eines Völkermords im Gazastreifen fest.
Die Richter entsprachen damit teilweise einem Eilantrag Südafrikas, das eine sofortige Einstellung der militärischen Handlungen Israels gefordert hatte. Nach dieser ersten Entscheidung dürfte das Völkermord-Verfahren nun über Monate oder Jahre weiterlaufen. In der Nacht starben bei israelischen Luftangriffen vier Kämpfer der Hisbollah-Miliz im Libanon, nachdem Israel von dort beschossen worden war. Die Huthi-Miliz griff im Golf von Aden erneut einen Frachter an. In Genf wehrte sich die Weltgesundheitsorganisation derweil gegen schwere Vorwürfe Israels.
Mahnung an Israel
UN-Generalsekretär António Guterres erinnerte nach dem IGH-Urteil daran, dass Entscheidungen des IGH bindend seien. Alle Beteiligten müssten sich an den Richterspruch halten, sagte er in New York. Bundesaußenministerin Annalena Baerbock sagte: «Der Gerichtshof hat zugleich deutlich gemacht, dass Israels Vorgehen in Gaza auf den barbarischen Terror des 7. Oktobers folgt, und daran erinnert, dass auch Hamas an das humanitäre Völkerrecht gebunden ist und endlich alle Geiseln freilassen muss.» Auch die EU-Kommission von Ursula von der Leyen und der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell riefen Israel zur Befolgung der Gerichtsentscheidung auf.
Netanjahu mit verhaltener Reaktion
Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu reagierte eher zurückhaltend auf das Urteil. «Israels Respekt für das internationale Recht ist unerschütterlich», sagte er in einer Video-Botschaft. Zugleich werde sich das Land weiterhin «gegen die Hamas, eine völkermordende terroristische Organisation, zur Wehr setzen». Die gegen Israel erhobenen Völkermord-Anschuldigungen seien «nicht nur falsch, sondern auch empörend», sagte Netanjahu.
Der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrats in den USA, John Kirby, sagte zum Vorwurf des Völkermords: «Wir haben einfach immer wieder gesagt, dass wir diese Behauptung für unzutreffend halten. Und das Gericht hat Israel auch nicht des Völkermordes für schuldig befunden.» US-Präsident Biden wolle, dass der Krieg im Gazastreifen ende, damit die Menschen dort in Frieden leben könnten. Man dränge weiter auf eine Unterbrechung der Kämpfe, ein allgemeiner Waffenstillstand sei im Moment aber nicht «der beste Ansatz».
Freude bei Palästinenser-Verbündeten
Die Terrororganisation Hamas und andere extremistische Gruppen hatten am 7. Oktober im israelischen Grenzgebiet ein Massaker angerichtet, bei dem ungefähr 1200 Menschen getötet und rund 250 Geiseln in den Gazastreifen verschleppt wurden. Israel bekämpft die Islamisten seitdem in dem isolierten Küstenstreifen mit einer Bodenoffensive und aus der Luft. Nach Angaben der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde sind bereits mehr als 26.000 Menschen getötet worden. 75 Prozent von ihnen seien Frauen, Kinder oder ältere Männer gewesen. Die Angaben lassen sich nicht unabhängig überprüfen.
Propalästinensische Länder und die Hamas freuten sich über die IGH-Entscheidung. «Das ist eine wichtige Entwicklung, die dazu beiträgt, dass Israel international isoliert wird», teilte ein Hamas-Sprecher mit. Das Verfahren vor dem UN-Weltgericht werde «Israels Verbrechen im Gazastreifen zur Schau stellen». Irans Außenminister Hussein Amirabdollahian forderte andere Länder auf, die Klage zu unterstützen. Kläger Südafrika nannte das Urteil «einen entscheidenden Sieg für die internationale Rechtsstaatlichkeit». Das Land vergleicht die Unterdrückung der schwarzen Bevölkerung während des rassistischen Apartheid-Regimes (1948-1994) in Südafrika mit dem Umgang Israels mit den Palästinensern.
Schwere Vorwürfe gegen UN-Mitarbeiter
Derweil müssen sich die Vereinten Nationen gegen Kritik an einer möglichen Verwicklung ihrer Mitarbeiter in den Hamas-Überfall wehren. Der Chef der Weltgesundheitsorganisation, Tedros Adhanom Ghebreyesus, wehrte sich gegen israelische Vorwürfe, dass die UN-Organisation im Gazastreifen in «Mitwisserschaft» mit der Hamas darüber hinwegsehe, dass die Islamisten Kliniken als Stützpunkte und zur Inhaftierung von Geiseln missbraucht hätten.
«Solche falschen Behauptungen sind schädlich und können unsere Mitarbeiter gefährden, die ihr Leben riskieren, um gefährdeten Menschen zu dienen», sagte er in Genf. Parallel will das UN-Palästinenserhilfswerk UNRWA eine mögliche Beteiligung mehrerer seiner Mitarbeiter am Hamas-Massaker in Israel prüfen.
Neue Huthi-Angriffe im Golf von Aden
Derweil griffen die militant-islamistische Huthi im Jemen vor der Küste im Golf von Aden nach eigenen Angaben einen britischen Öltanker mit Raketen an. Die Miliz ist solidarisch mit der Hamas. Ein Sprecher ihrer Streitkräfte sagte, das Schiff sei getroffen und in Brand gesetzt worden. Die zur britischen Marine gehörende Behörde UKMTO teilte mit, man untersuche Berichte über einen Brand an Bord eines Schiffes. Seit Beginn des Gaza-Kriegs greifen die Huthi immer wieder Frachter mit angeblicher israelischer Verbindung an. Der Jemen liegt an einer für den Welthandel wichtigsten Schifffahrtsstrecken, die über den Suezkanal in Ägypten das Mittelmeer mit dem Indischen Ozean verbindet.
US-Streitkräfte zerstören Huthi-Rakete im Jemen
US-Streitkräfte haben nach eigenen Angaben eine Schiffsabwehrrakete der militant-islamistischen Huthi im Jemen zerstört. Das Geschoss sei auf das Rote Meer gerichtet und bereit zum Start gewesen, teilte das Zentralkommando der Vereinigten Staaten auf dem Online-Portal X mit. Die US-Streitkräfte hätten die Rakete, die im von der Miliz kontrollierten Gebiet gestanden habe, als Gefahr für US-Kriegsschiffe und Handelsschiffe auf der für den Welthandel wichtigen Schifffahrtsroute eingestuft, hieß es zur Begründung des Angriffs.
Israels Armee: Kämpfe in Chan Junis gehen weiter
Israels Armee setzt eigenen Angaben zufolge die Kämpfe in der Stadt Chan Junis im Süden des Gazastreifens fort. Bei einem Luftangriff seien dabei drei Palästinenser getötet worden, die in der Nähe israelischer Einsatzkräfte Sprengstoff platziert hätten, teilte das Militär mit.
Soldaten hätten zudem «zahlreiche bewaffnete Terroristen aus nächster Nähe» getötet. Bei einem weiteren Vorfall in der größten Stadt des südlichen Teils des Küstenstreifens hätten sieben Personen Panzerfäuste auf die Armee gefeuert. Sie seien ebenfalls angegriffen und getötet worden.
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