UN-Generalsekretär António Guterres beklagte am Abend auf der Plattform X, den Menschen, «die unter der andauernden israelischen Belagerung im nördlichen Gazastreifen leiden», gingen rapide die Mittel zum Überleben aus. «Die Zivilbevölkerung muss geschützt werden und muss humanitäre Hilfe erhalten können. Das gebietet das humanitäre Völkerrecht», schrieb Guterres. Im Falle von Menschenrechtsverletzungen im nördlichen Gaza legte ein ranghoher ehemaliger israelischer Sicherheitsberater den dort eingesetzten Soldaten Befehlsverweigerung nahe. Eran Etzion warnte in einem BBC-Interview, das israelische Militär begehe im nördlichen Gazastreifen möglicherweise Kriegsverbrechen.
Derweil kam es zwischen der israelischen Armee und dem arabischen TV-Sender Al-Dschasira erneut zu einem Schlagabtausch über die Berichterstattung über den Gaza-Krieg. Die Armee teilte mit, sie habe in dem Küstenstreifen Unterlagen gefunden, denen zufolge sechs Journalisten des Senders zugleich Mitglieder der Hamas oder des Islamischen Dschihad seien. Al-Dschasira wies die Anschuldigungen zurück. Es seien «fabrizierte Anschuldigungen» und ein Versuch, die in Gaza verbliebenen Journalisten zum Schweigen zu bringen. Israel wolle das Kriegsgeschehen vor der Weltöffentlichkeit verbergen, hieß es.
Erneut Angriffe im Libanon
Unterdessen verschlimmerte sich auch im Libanon die humanitäre Lage nach Einschätzung der Vereinten Nationen durch die jüngsten Angriffe Israels dramatisch. Im Süden des Landes zerstörte Israels Armee laut libanesischen Sicherheitskreisen mehrere Orte fast komplett. Wohngebiete in Vororten von Beirut liegen Augenzeugen zufolge in Schutt und Asche. In den Vororten griffen Kampfflugzeuge in den Abendstunden erneut mindestens zehnmal an, wie eine Reporterin der Deutschen Presse-Agentur vor Ort schilderte. Der libanesischen Nachrichtenagentur NNA zufolge wurde in der Umgebung von Lailaki eine Wohnhausanlage zerstört. Auch das Gebiet Al-Dschanah nahe dem internationalen Flughafen sei getroffen.
Nach Angaben des Hisbollah-nahen Fernsehsenders Al-Majadin wurden zudem ein Büro des Senders südlich von Beirut angegriffen. Das berichtete Al-Majadin auf seiner Website und in sozialen Medien und zeigte Aufnahmen eines zerstörten Stockwerks in einem Wohngebäude. Die Angaben konnten zunächst nicht unabhängig geprüft werden. Berichte über Opfer gab es nicht. Zugleich dringt die israelische Armee nach Darstellung der Hisbollah weiter im südlichen Libanon ein. Israels Bodentruppen hätten versucht, in der Nähe des Orts Aitarun in libanesisches Gebiet vorzurücken, teilte die Miliz mit. Deren Kämpfer hätten die Soldaten mit Maschinengewehren und Raketen zum Rückzug jenseits der Grenze gezwungen, hieß es.
Menschenrechtler verurteilen Angriffe auf Hisbollah-Bank
Israels Armee bombardierte im Libanon nach eigenen Angaben auch Zweigstellen der Vereinigung Al-Kard al-Hassan, eine Art Bank der Hisbollah. Bei den Angriffen handelt es sich der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) zufolge um Kriegsverbrechen. «Dass eine bewaffnete Gruppe eine finanzielle Institution, Vereinigung oder Bank nutzt, bedeutet noch keinen wirksamen Beitrag zu militärischen Handlungen», teilte die HRW mit. «Deshalb ist es kein rechtmäßiges militärisches Ziel im Rahmen des Kriegsrechts», hieß es.
Der aktuelle Krieg begann vor einem Jahr mit Raketenangriffen der Hisbollah auf Israel - nach eigener Darstellung zur Unterstützung der Hamas, gegen die Israel im Gazastreifen seit dem Hamas-Terrorangriff in Israel am 7. Oktober 2023 Krieg führt. Seitdem beschießen sich Israel und die Hisbollah im Grenzgebiet. Im September weitete Israel seine Angriffe im Libanon - aus der Luft und dann auch am Boden - massiv aus. Mehr als 2.500 Menschen wurden getötet, Tausende verletzt und Hunderttausende vertrieben, die meisten davon im Libanon.
© dpa-infocom, dpa:241024-930-268880/1
Copyright 2024, dpa (www.dpa.de). Alle Rechte vorbehalten