Harte Arbeit, gescheiterter Aufstieg, tiefe Resignation - in seinem autobiografischen Buch «Hillbilly Elegy» (2016) beschreibt J.D. Vance die Krise der weißen Arbeiterklasse in den USA. Dort wurde es zum Bestseller - und auch der spätere Kanzler Scholz fühlte sich davon angesprochen. Längst schaut er kritischer auf den Autor, der erst Trump kritisierte, aber mittlerweile mit dessen Unterstützung US-Senator wurde - und nun auch dessen Vizepräsidentschafts-Kandidat bei der Präsidentenwahl ist.
«(Es) ist eine ganz berührende persönliche Geschichte, wie sich ein junger Mann mit schlechten Startbedingungen durchschlägt», beschrieb Scholz das Buch im Juli 2023 in einem Interview der «Süddeutschen Zeitung». Es sei richtig, dass es ihn zu Tränen gerührt habe.
Doch es sei tragisch: «Von einem selbsterklärten konservativen Gegner Donald Trumps, der messerscharf die Ungerechtigkeiten der amerikanischen Gesellschaft analysiert und für sich nur mit Glück und seiner Militärlaufbahn einen Ausweg findet, scheint sich Vance nun zu einem feurigen Befürworter dieses Rechtspopulisten gewandelt zu haben, um dessen Unterstützung zu erhalten – und selbst Senator zu werden.» Der Kanzler ergänzte: «Das mag auch ein Ergebnis des amerikanischen Wahlsystems sein: diese Polarisierung und die unglaublichen Finanzmittel, die man mobilisieren muss, um erfolgreich zu sein.»
Vance' Buch habe ihm aber geholfen, die Ursachen des Trumpismus zu verstehen. «Und es hat mir auch geholfen, mein eigenes Verständnis für das zu schärfen, was für eine moderne, fortschrittliche, ich würde sagen sozialdemokratische Politik im 21. Jahrhundert wichtig ist: All die vielen, die arbeiten, sich anstrengen und den Laden am Laufen halten, müssen relevant bleiben. Sie müssen die Aussicht auf eine gute Zukunft für sich und ihre Kinder haben und Respekt erfahren.»
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