Jugend-Studie: Trotz Bedenken weitgehend Zustimmung für EU
Die Basis sei stabil, sagen die Studienmacher. Die Mehrheit der befragten jungen Menschen unterstütze die Demokratie. In der Arbeit des EU-Parlaments erkennen sich aber die wenigsten wieder.
Die Basis sei stabil, sagen die Studienmacher. Die Mehrheit der befragten jungen Menschen unterstütze die Demokratie. In der Arbeit des EU-Parlaments erkennen sich aber die wenigsten wieder.
Die Europawahl steht vor der Tür, doch was hat das mit mir zu tun? Eine Frage, die sich viele junge Menschen in Europa stellen. Weniger als ein Fünftel von ihnen fühlen sich laut einer aktuellen Umfrage in sechs EU-Ländern ausreichend vom Europaparlament vertreten. Im Länderschnitt gaben nur 17 Prozent an, dass ihre Interessen dort «stark oder sehr stark» widergespiegelt würden, wie aus der repräsentativen Studie «Junges Europa» im Auftrag der Tui Stiftung hervorgeht. Hier das Wichtigste auf einen Blick.
Im Wahljahr 2019 war die gefühlte Lücke noch kleiner
Im Jahr 2019, als zuletzt das EU-Parlament gewählt wurde, hatten in den sechs betrachteten Ländern noch insgesamt 21 Prozent angegeben, sich besonders stark vom Europäischen Parlament vertreten zu fühlen - und damit vier Prozentpunkte mehr als 2024. Das gilt auch für Deutschland. Dort sagten lediglich 19 Prozent der Befragten, dass sie sich besonders stark vom EU-Parlament vertreten fühlten. Vom 6. bis zum 9. Juni wird in der EU ein neues Parlament gewählt. Auch die Parlamente im eigenen Land nehmen laut Studie nur wenige Teilnehmer (17 Prozent) als Interessenvertretung wahr.
Was gefragt wurde - und wo
Befragt hat das Meinungsforschungsinstitut Yougov im März dieses Jahres fast 6000 junge Menschen im Alter von 16 bis 26 Jahren. Die sechs teilnehmenden Länder waren Deutschland, Frankreich, Spanien, Italien, Griechenland und Polen. Insgesamt ging es bei der Befragung um die Einstellung und Verbindung junger Menschen zu Europa - auch mit Blick auf die anstehende Wahl. Die Autoren gehen nach eigenen Angaben davon aus, dass die Teilnehmergruppe etwa 70 bis 80 Prozent aller Jugendlichen in der EU abbildet.
Trotz Bedenken weitgehend Zustimmung für EU
Unterm Strich ergibt die Umfrage keine Ablehnung der Europäischen Union. Mehr als die Hälfte der Teilnehmer (54 Prozent) halte die Mitgliedschaft ihres Landes in der EU für «eine gute Sache». Lediglich in Polen (50) und Griechenland (47) sehen junge Menschen die Mitgliedschaft negativer als anderswo. In Deutschland gibt es mit 65 Prozent die höchste Zustimmung. Insgesamt zeige sich ein differenziertes Bild, betont der Politikwissenschaftler Thorsten Faas. «Es gibt kein Schwarz-Weiß.» Als Stärken der EU würden etwa die Grundwerte wie Meinungs- und Pressefreiheit und politische Teilhabe wahrgenommen. Schwach fänden die Befragten unter anderem, dass die EU in der Welt aus ihrer Sicht eher wenig Macht habe.
75 Prozent sehen in Wahlen Bürgerpflicht
Während 68 Prozent die Wahlen im eigenen Land für wichtig halten, sagen dies nur 58 Prozent über die Europawahl. Als «besorgniserregend» stufen die Studienmacher den Befund ein, dass lediglich mehr als die Hälfte (56 Prozent) die Wahlen in ihrem Land als fair abgehalten einstuft. In Deutschland gebe es hier mit 72 Prozent deutlich mehr Vertrauen. Insgesamt sehen drei Viertel der Teilnehmer Wählen als Bürgerpflicht. Die Mehrheit (68) nimmt Wahlen auch als effektives Mittel wahr, um Dinge zu verändern. «Wir haben keine demokratiefeindliche Generation», bilanziert der Experte Faas.
Jeder Zweite lehnt Wahlrecht ab 16 Jahren ab
Auffällig ist, dass fast die Hälfte der jungen Leute (49 Prozent) Wählen ab 16 ablehnt. Die Ausnahme bildet Deutschland mit 56 Prozent Zustimmung. Hierzulande können junge Leute ab 16 im Juni erstmals bei der Europawahl mitentscheiden. In Spanien und Griechenland ist die Ablehnung des früheren Wahlalters mit jeweils 60 und 57 Prozent am größten. Dort berichteten die Befragten aber auch, dass sie sich in der Schule nicht ausreichend auf das Wählen vorbereitet fühlten.
Faas verwies darauf, dass die Wahlmöglichkeit ab 16 auch jüngere Menschen aus bildungsfernen Familien dazu animieren könnte, von ihrer Stimme Gebrauch zu machen. Kindern aus privilegierten Schichten würde die Bedeutung von Wahlen im Elternhaus eher mitgegeben, erklärte Faas. Aktuell dürfen in Deutschland 16-Jährige nur bei der Europawahl, bei den meisten Kommunalwahlen und bei einigen Landtagswahlen wählen. Für Bundestagswahlen gilt weiterhin 18 als Altersgrenze. Um auch diese Grenze abzusenken, müsste das Grundgesetz geändert werden. Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) wäre dafür. «Das Wahlalter ab 16 könnte eine Hilfe sein, dass die Parteien viel stärker bei ihren Wahlprogrammen auf die jungen Themen schauen», sagte Bas bei einem Besuch in Wien.
Knapp jeder Zweite beobachtet demokratiefeindliches Verhalten
Zu den Missständen, die junge Menschen wahrnehmen, gehört demokratiefeindliches Verhalten. Knapp die Hälfte, 49 Prozent, beobachtet dies im eigenen Land. In Griechenland sind es sogar mehr als zwei Drittel (67), in Deutschland 55 Prozent. Rund zwei von fünf Befragten (42) halten die Demokratie in ihrem Land mindestens teilweise für gefährdet.
Migration wichtiger als Klimakrise
Das drängendste Problem auf europäischer Ebene ist für die Befragten derzeit das Thema Migration. Damit rückt die Klimakrise, anders als in den Vorjahren, mit großem Abstand auf den zweiten Platz. Rund ein Drittel habe sich auch migrationskritisch geäußert, hieß es.
Wunsch nach mehr Mitbestimmung
Auch jenseits der Studie wird kurz vor den Europawahlen deutlich: Junge Leute wollen mitreden. Erst am Wochenende ging in Berlin die Bundesjugendkonferenz mit einer klaren Botschaft zu Ende: 200 junge Menschen aus ganz Deutschland forderten die Bundesregierung auf, ein Gesetz für die bessere politische Teilhabe jüngerer Menschen auf den Weg zu bringen. Auch Verbände machen Druck. Sarah Dehn von der Jugendorganisation des Sozialverbands Deutschland sagte der dpa: «Wir haben es satt, dass die Weichen für unsere Zukunft von Menschen gestellt werden, die davon kaum oder gar nicht mehr betroffen sein werden.» Die Ergebnisse der Studie seien ein «klarer Handlungsauftrag».
Von Fatima Abbas, dpa
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