Israel erwägt vor Rafah-Angriff neuen Geisel-Deal
Zahlreiche Zivilisten sollen Rafah vor Israels angekündigter Militäroffensive schon verlassen haben. Kommt in letzter Minute doch noch eine Feuerpause zustande? Die News im Überblick.
Zahlreiche Zivilisten sollen Rafah vor Israels angekündigter Militäroffensive schon verlassen haben. Kommt in letzter Minute doch noch eine Feuerpause zustande? Die News im Überblick.
Kurz vor Israels erwarteter Bodenoffensive in Rafah im Süden des Gazastreifens gibt es Medienberichten zufolge neue Anzeichen für Bewegung bei den festgefahrenen Verhandlungen über eine Feuerpause. Israels Regierung ist demnach bereit, von ihrer ursprünglichen Forderung nach Freilassung von 40 lebenden Geiseln durch die islamistische Hamas als Gegenleistung für eine vorübergehende Waffenruhe abzurücken.
Israelische Medien berichteten, Israel sei willens, in einer ersten Phase eines Abkommens die Freilassung von lediglich 20 Geiseln - laut einem ranghohen Beamten 33 Geiseln - zu akzeptieren. Dabei gehe es um israelische Frauen, Männer über 50 Jahre und schwer Erkrankte, hieß es. Heute seien dazu Gespräche zwischen einem israelischen Verhandlungsteam und einer ägyptischen Delegation in Israel geplant. Ägypten wolle eine Einigung erreichen, um Israels Militäreinsatz in Rafah noch abzuwenden.
Temporärer Hafen vor Gaza soll Anfang Mai einsatzfähig sein
Unterdessen sind vor der Küste des umkämpften Gazastreifens US-amerikanische Schiffe im Einsatz, um dort eine provisorische Hafenanlage für die Versorgung der Not leidenden Bevölkerung mit Hilfsgütern zu bauen. Das US-Militär habe mit den Arbeiten begonnen und sei mit Schiffen im Einsatz, teilte Pentagon-Sprecher Pat Ryder mit.
Die US-Regierung rechnet damit, dass die vor der nördlichen Küste des Kriegsgebiets entstehende Anlage Anfang Mai einsatzfähig sein wird. Erneut warnte die US-Regierung eindringlich vor einer drohenden Hungersnot in Gaza. Währenddessen protestierten in Israel Angehörige der im Gazastreifen festgehaltenen Geiseln vor Israels Militärhauptquartier in Tel Aviv und forderten lautstark ihre Rückholung, während drinnen das Kriegskabinett tagte.
Die USA, Deutschland und 16 weiterer Länder hatten zuvor die Hamas zur sofortigen Freilassung aller Geiseln aufgerufen, die seit mehr als 200 Tagen im Gazastreifen festgehalten werden. «Das Schicksal der Geiseln und der Zivilbevölkerung in Gaza, die unter dem Schutz des Völkerrechts steht, ist von internationaler Bedeutung», hieß es in einer gemeinsamen Erklärung.
Die islamistische Terrororganisation hatte unlängst einen Kompromissvorschlag der Vermittlerstaaten, der die Freilassung von 40 Geiseln gegen 900 palästinensische Häftlinge während einer sechswöchigen Waffenruhe vorsah, abgelehnt.
Ägypten: Fortschritte bei Gesprächen zu Gaza mit Israel erzielt
In die festgefahrenen Verhandlungen zum Gaza-Krieg könnte nach ägyptischen Angaben Bewegung gekommen sein. Bei Gesprächen zwischen ägyptischen und israelischen Vertreten hat es nach Angaben des staatsnahen ägyptischen Fernsehens Al-Kahira News erhebliche Fortschritte gegeben. Nähere Angaben waren zunächst nicht bekannt. Der Sender hatte zuvor berichtet, eine ägyptische Delegation sei in Tel Aviv eingetroffen, um einen «umfassenden Rahmen» für ein Waffenstillstandsabkommen in Gaza zu besprechen. Eine offizielle Bestätigung gab es bisher nicht.
Bei dem Gespräch zwischen ägyptischen und israelischen Vertretern sollte es israelischen Medien zufolge am Freitag zunächst um ein begrenztes Abkommen mit der Hamas gehen, wonach nur einige weibliche, ältere und kranke Geiseln freikommen. Laut unterschiedlichen israelischen Medienberichten geht es um 20 beziehungsweise 33 aus Israel verschleppte Menschen. Im Gegenzug dazu sollen palästinensische Gefangene aus israelischen Gefängnissen freikommen.
Zudem sollen vertriebene Palästinenser in den Norden des Gazastreifens zurückkehren können. Dagegen hatte sich Israel lange Zeit gesträubt. Auch eine Feuerpause ist Berichten zufolge Teil eines möglichen Deals. Einen dauerhaften Waffenstillstand lehnt Israel ab. Die Hamas wiederum pocht darauf. Medien zufolge will Israel mit dem Vorschlag für ein begrenztes Abkommen diese Hamas-Forderung umgehen.
Einen Vorschlag der USA, der die Freilassung von 40 entführten Frauen, älteren und kranken Menschen vorsah, hatte die Terrororganisation zuvor abgelehnt. Laut Hamas sollen nicht mehr so viele Geiseln, die in diese Kategorie fallen, am Leben sein.
Bericht: Zehntausende verlassen Rafah
Israel hält eine Offensive in Rafah jedoch für unumgänglich, um die dort verbliebenen Bataillone der Hamas zu zerschlagen. Es werden außerdem auch Geiseln dort vermutet. Mehr als eine Million Menschen hatte in Rafah nach Angaben von Hilfsorganisationen Zuflucht vor den Kämpfen im übrigen Gazastreifen gesucht.
Inzwischen hätten jedoch angesichts der drohenden Offensive 150.000 bis 200.000 palästinensische Zivilisten Rafah teils Richtung der zuvor umkämpften Stadt Chan Junis verlassen, meldete die «Jerusalem Post» unter Berufung auf die Armee. Israels Militär hofft demnach darauf, dass weitere Zivilisten dem Beispiel folgen und in neu errichtete Zeltstädte im Süden sowie im Zentrum Gazas ziehen. Das Militär wollte sich auf Anfrage nicht zu dem Bericht äußern.
«Die humanitäre Lage in Gaza ist unglaublich schlimm», sagte eine Vertreterin der US-Behörde für internationale Entwicklung (USAID). Fast 30 Prozent der Kinder im Norden des abgeriegelten Küstenstreifens zeigten Anzeichen schwerer Unterernährung. Im Süden sei fast ein Viertel der Bevölkerung mit «katastrophaler Ernährungsunsicherheit» konfrontiert.
Die US-Regierung hatte bereits Anfang März den Bau des temporären Hafens angekündigt, um Lebensmittel, Wasser und Medikamente in das Kriegsgebiet zu bringen. Israels Armee will bei der Logistik und Sicherheit helfen. An dem Projekt sind laut US-Regierungsvertretern rund tausend US-Soldaten beteiligt, die jedoch das Kriegsgebiet nicht betreten würden.
Bemühungen um Aufstockung der Hilfe für Gaza
Die Hilfslieferungen würden zunächst über Zypern erfolgen, hieß es. Handelsschiffe sollen sie von dort zu der mehrere Kilometer vor der Küste Gazas liegenden schwimmenden Anlage bringen. Auf der Plattform würden die Lieferungen dann in kleinere Schiffe umgeladen. Von dort aus sollen die Hilfsgüter mit kleineren Schiffen, die mit Lastern beladen sind, zu einem provisorischen schwimmenden Landungssteg am Gazastreifen gebracht werden.
Im Gazastreifen selbst würden die Güter an einem sicheren Ort abgeladen, von US-Partnern schließlich abgeholt und an die Not leidenden Zivilisten im Kriegsgebiet verteilt, hieß es.
Auslöser des Krieges war das beispiellose Massaker mit mehr als 1200 Toten, das Terroristen der Hamas und anderer Gruppen am 7. Oktober vergangenen Jahres in Israel verübt hatten. Mehr als 250 Menschen wurden nach Gaza verschleppt. Israel reagierte dort mit massiven Luftangriffen und einer Bodenoffensive. Nach Angaben der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde sind seit Kriegsbeginn mehr als 34.200 Menschen im Gazastreifen getötet und mehr als 77.200 weitere verletzt worden.
Die Zahlen, die nicht zwischen Kämpfern und Zivilisten unterscheiden, lassen sich nicht unabhängig überprüfen. Angesichts der hohen Zahl ziviler Opfer und der katastrophalen humanitären Lage im Gazastreifen, der flächenmäßig etwa so groß ist wie München, geriet Israel international stark in die Kritik.
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