Israels Verteidigungsminister Joav Gallant schrieb bei X zu einem Foto Kassims, dieser sei als neuer Chef nur «befristet angestellt» und «nicht für lange Zeit» - offenbar in Anspielung darauf, dass Israels Armee auch diesen Hisbollah-Chef töten könnte.
Kassim wird nicht als starker Kommandeur gesehen
In seinen Äußerungen erweckt Kassim den Eindruck eines Hardliners. Anders als Nasrallah wird er aber nicht als starker Kommandeur gesehen, der Kämpfer gegen Israel anführen kann. Mohanad Hage Ali, der beim Carnegie Middle East Center zur Hisbollah forscht, beschrieb Kassim als «Bildungs-Figur» und als jemand, der gute Reden halten könne. An die «begeisternde Kraft» Nasrallahs bei den Hisbollah-Anhängern reiche er aber nicht heran, sagte Hage Ali der dpa. Während Nasrallah aus ärmlichen Verhältnissen kam, stammt Kassim aus einer Mittelschichtsfamilie.
Am Verlauf des Kriegs dürfte sich durch den Wechsel an der Hisbollah-Spitze wenig ändern, denn die verschiedenen Flügel der Miliz handeln weitgehend unabhängig und dezentral. Auch deshalb setzte sie ihre Angriffe gegen Israel auch ohne Anführer Nasrallah fort. Kassim dürfte nun vor allem die großen Ziele neu abstecken, darunter auch die Bedingungen für eine mögliche Waffenruhe mit Israel, und versuchen, die Kampfmoral innerhalb der Miliz zu stärken. Diese hat seit Mitte September zahlreiche empfindliche Treffer durch das israelische Militär einstecken müssen.
Mitunter schwerste Angriffe im Osten des Libanon seit Kriegsbeginn
Der Krieg zwischen der Hisbollah und Israel ging während der Nachricht über den neuen Milizenführer unvermindert weiter. Israels Luftwaffe flog im Osten des Libanon über 24 Stunden die dort mitunter schwersten Angriffe seit Kriegsbeginn vor einem Jahr. Mindestens 60 Menschen wurden dort getötet und etwa 60 weitere verletzt, wie das libanesische Gesundheitsministerium mitteilte. In Videos in sozialen Medien waren viele zerstörte Gebäude in der Region zu sehen, aus der Tausende Familien inzwischen geflohen sind.
Die Hisbollah erklärte, sie habe mit Kampfdrohnen und Raketen erneut Ziele in Israel sowie mit Drohnen auch israelische Truppen im Libanon angegriffen. Israels Truppen rückten dabei weiter in libanesisches Gebiet vor. Die Hisbollah habe dabei auch israelische Soldaten südlich von Chiam mit Raketen angegriffen, darunter auch einen israelischen Panzer.
Schwere Gefechte im Raum Chiam - Panzer und Bulldozer stationiert
Israel hat seine Luftangriffe im Libanon seit September massiv ausgeweitet - und dabei auch die Führungsriege der Hisbollah mehrfach gezielt angegriffen. Zudem marschierten israelische Truppen im vergangenen Monat im Südlibanon ein. Diese liefern sich schwere Gefechte mit der Hisbollah im Raum Chiam, das im nördlichen Teil des Grenzgebiets mit Israel liegt. Dort sei schweres Gewehrfeuer und Artilleriebeschuss zu hören, berichteten Augenzeugen.
Der Staatsagentur NNA zufolge ist Israel dorthin auch mit einer «großen Zahl an Panzern» vorgerückt. Auch ein Bulldozer des israelischen Militärs - mutmaßlich zur Zerstörung von Häusern im Libanon - soll nahe Chiam stationiert sein.
Die Hisbollah greift vor allem den Norden Israels seit gut einem Jahr fast täglich mit Raketen und Drohnen an. Die proiranische Miliz unterstützt dabei nach eigenen Angaben die islamistische Hamas, gegen die Israel im Gazastreifen Krieg führt. Das Gesundheitsministerium in Beirut zählt seit Beginn des aktuellen Kriegs zwischen Israel und der Hisbollah vor einem Jahr mehr als 2.600 Tote und rund 12.400 Verletzte im Libanon.
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