Harris: «Was das amerikanische Volk meiner Meinung nach verdient, ist ein neuer Weg nach vorne und eine Abkehr vom letzten Jahrzehnt.»
Jacquelyn Martin/AP/dpa
Harris: «Was das amerikanische Volk meiner Meinung nach verdient, ist ein neuer Weg nach vorne und eine Abkehr vom letzten Jahrzehnt.»
US-Wahlkampf

Harris wirbt in TV-Interview für politischen Neuanfang

Für Kamala Harris war es eine Feuerprobe: Wie wird sie sich in ihrem ersten Interview als Präsidentschaftskandidatin schlagen? Nach dem CNN-Gespräch dürfte die Demokratin wohl erstmal durchatmen.

In ihrem ersten TV-Interview seit ihrer Nominierung als Kandidatin der US-Demokraten hat Kamala Harris die Erfolge der Regierung von Präsident Joe Biden verteidigt und für einen politischen Neuanfang geworben. «Was das amerikanische Volk meiner Meinung nach verdient, ist ein neuer Weg nach vorn und eine Abkehr vom letzten Jahrzehnt», sagte die Vizepräsidentin.

Das Interview war für Harris eine Bewährungsprobe - die sie wohl bestanden hat: Größere Patzer blieben in dem rund halbstündigen Gespräch mit dem Sender CNN aus. Doch einige Chancen, zu punkten, verpasste die 59-Jährige. Ihr politischer Kontrahent bei der Präsidentenwahl am 5. November, der Republikaner Donald Trump, reagierte nach dem Interview auf seinem Sprachrohr Truth Social mit einem Wort in Großbuchstaben: «Langweilig.»

Harris wirbt für Meinungsvielfalt bei Entscheidungen

Harris kündigte an, bei einem Wahlsieg auch einen Republikaner in ihr Kabinett holen zu wollen. «Ich habe noch 68 Tage bis zur Wahl, also will ich das Pferd nicht von hinten aufzäumen», sagte sie in dem gemeinsamen Interview mit ihrem Vize-Kandidaten Tim Walz. 

Sie sei aber überzeugt, dass es wichtig sei, dass bei den bedeutendsten Entscheidungen Leute mit am Tisch sitzen müssten, die andere Ansichten und andere Erfahrungen hätten, sagte Harris. «Und ich denke, dass es für die amerikanische Öffentlichkeit von Vorteil wäre, ein Mitglied meines Kabinetts zu haben, das Republikaner ist.» 

Einzelne Minister aus der anderen Partei hatte es in den USA auch in der Vergangenheit vereinzelt schon gegeben, etwa zeitweise unter den damaligen Präsidenten Bill Clinton, George W. Bush und Barack Obama. 

Eine verpasste Chance

Das Interview wurde während einer Wahlkampftour in der Küstenstadt Savannah im Bundesstaat Georgia aufgezeichnet und einige Stunden später ausgestrahlt. Gleich bei der ersten Frage verpasste Harris die Gelegenheit für einen starken Einstieg. Die Journalistin Dana Bash fragte Harris, was ihre Pläne für den ersten Tag im Amt seien. Harris blieb in ihrer Antwort unkonkret und sagte, dass sie die Mittelschicht stärken wolle. 

In dem Gespräch musste Harris auch erklären, warum sie in manchen Bereichen eine Kehrtwende hingelegt habe - etwa beim Thema Fracking. Einst hatte sich Harris gegen die Erdgasgewinnung durch Fracking ausgesprochen, nun sagt sie: «Ich werde Fracking nicht verbieten.» Es handelt sich dabei um eines der Themen, für das sie von Trump immer wieder angegriffen wird - ebenso wie beim Thema Migration. Auch hier musste sich Harris in dem Interview für ihre Leistung als US-Vize in dem Bereich verteidigen.

Harris: «Nächste Frage bitte.»

Aussagen Trumps über ihre Identität als schwarze Amerikanerin bezeichnete Harris als «dieselbe alte, abgestandene Masche». - «Nächste Frage, bitte.» Harris ist die erste Frau, die erste Schwarze und die erste Amerikanerin mit asiatischen Wurzeln, die den Eid als US-Vizepräsidentin abgelegt hat. Ihre Herkunft und ihr Geschlecht macht Harris im Wahlkampf so gut wie gar nicht zum Thema - dazu passt auch die knappe Antwort in dem Interview. Trump greift die Demokratin immer wieder sexistisch und rassistisch an. 

Pfannkuchen, Speck und ein historischer Rückzug

Seit dem Ausstieg Bidens aus dem Rennen ums Weiße Haus nach dessen katastrophaler TV-Debatte gegen Trump vor mehr als einem Monat setzte Harris auf choreografierte Auftritte und wich kritischen Fragen der Presse so gekonnt aus. Kritik an diesem Verhalten kam nicht nur vom 78-jährigen Trump und dessen Anhängern. 

Harris blieb in dem CNN-Interview in vielen Bereichen unkonkret und wirkte stellenweise blass - gab aber zum Beispiel einen unterhaltsamen Einblick in den Tag, an dem sie von Bidens Rückzug aus dem Rennen erfahren hat. «Meine Familie war bei uns zu Gast, einschließlich meiner kleinen Nichten, und es gab Pfannkuchen», sagte Harris. Ihre Nichten hätten sie gefragt: «Tantchen, kann ich mehr Speck haben?» Als sie mit ihrer Familie habe puzzeln wollen, habe plötzlich das Telefon geklingelt und Biden habe sie über seine Pläne informiert.

Harris verteidigte Biden (81) in dem Interview erneut entschlossen. Sie pries sowohl seinen Charakter als auch die Erfolge der gemeinsamen Regierung an.

Harris geht mit Sender auf Nummer Sicher

Mit dem als liberal geltenden CNN entschied sich die Wahlkämpferin für einen Sender, der den Demokraten eher wohlgesonnen ist. Interviewt wurde Harris von Bash, die auch schon gemeinsam mit Jake Tapper das TV-Duell zwischen Biden und Trump im Juni moderiert hatte, und eine gestandene Politikjournalistin ist. Trump gibt häufig Interviews - vorrangig allerdings Sendern wie Fox News, die eisern hinter ihm stehen. Dabei hat er es sich zur Angewohnheit gemacht, auf die ihm gestellten Fragen gar nicht wirklich zu antworten. 

Harris' Vizekandidat Walz fiel - wie erwartet - in dem Interview eine eher untergeordnete Rolle zu. Der Gouverneur des Bundesstaats Minnesota sagte auf die Frage zu einer fehlerhaften Angabe zu seiner Militärkarriere, dass seine Grammatik nicht immer «korrekt» sei. Der 60-jährige Walz hat deutlich bessere Beliebtheitswerte als Trumps Running Mate J.D. Vance. Allerdings sind die Vizekandidaten bei US-Präsidentenwahlen in der Regel nicht der entscheidende Faktor bei der Stimmabgabe. 

Knappes Rennen

Bei der Wahl läuft es auf ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Harris und Trump hinaus. Nach Bidens Rückzug aus dem Wettbewerb haben sich die Umfragen für die Demokraten zwar verbessert, ihr Vorsprung in den nationalen Umfragen liegt aber innerhalb der Fehlertoleranz und ist daher nur begrenzt aussagefähig. Entscheidend sind bei der Präsidentenwahl wegen des besonderen Wahlsystems ohnehin die sogenannten Swing States. In diesen Bundesstaaten steht nicht von vornherein fest, ob die Demokraten oder Republikaner gewinnen werden. Hier liegen Trump und Harris in Umfragen zum Teil fast gleichauf. 

 

Von Julia Naue und Jürgen Bätz, dpa
© dpa-infocom, dpa:240830-930-217251/5
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