Mit der Ernennung von Tim Walz zu ihrem Vize hat Präsidentschaftskandidatin Kamala Harris das Team der Demokraten für die Wahl am 5. November komplettiert. Auf der republikanischen Gegenseite steht das Duo schon eine Weile fest: Donald Trump als Präsidentschaftskandidat und J.D. Vance als sein Stellvertreter. In den kommenden knapp 90 Tagen steht nun die heiße Phase des US-Wahlkampfes an.
Sowohl die Demokraten als auch die Republikaner konzentrieren sich dabei auf die politisch besonders umkämpften Swing States. Nach ihrem ersten gemeinsamen Auftritt im Bundesstaat Pennsylvania reisten Harris und Walz nach Wisconsin und Michigan weiter. Zeitgleich war dort auch Vance unterwegs. Quasi parallel kämpfen sie um die Stimmen der Unentschlossenen und Wechselwähler, auf die es am Ende ankommt.
Womit wollen die Duos punkten? Und wo bieten die Kandidaten Angriffsfläche? Ein Überblick:
Migration
Für die Republikaner ist es das wichtigste Thema in diesem Wahljahr: Migration. Trump hetzt bei jeder Kundgebung gegen Migranten und benutzt dabei teils entmenschlichende Sprache. Vance bemüht häufiger die Verschwörungstheorie, die Demokraten wollten Amerikas «traditionelle» Wählerschaft durch Menschen aus Lateinamerika ersetzen.
Die beiden machen Harris für die Krise an der Grenze zu Mexiko verantwortlich. Präsident Joe Biden hatte ihr als Vize die schwierige Aufgabe der «Bekämpfung von Fluchtursachen» übertragen. Nach dreieinhalb Jahren hat sie nicht viel vorzuweisen.
Ihr Running Mate Walz kommt als Gouverneur von Minnesota - einem Bundesstaat an der Grenze zu Kanada - mit der Grenzpolitik im Süden nur punktuell in Berührung. Er vertritt grundsätzlich einen einwanderungsfreundlichen Kurs.
Der Weg über Mexiko in die USA wird von vielen Menschen gewählt, die vor Armut, Gewalt und politischen Krisen in ihrer Heimat flüchten. Die Situation an der Grenze ist weiterhin sehr angespannt. Die Behörden kommen bei der Bearbeitung von Asylanträgen nicht hinterher. Zudem fehlen Unterkünfte und andere Ressourcen für die Ankömmlinge. Zwar gingen die Zahlen illegaler Grenzübertritte zuletzt nach unten, allerdings von einem Rekordniveau aus.
Abtreibung
Seit der Oberste Gerichtshof der USA das landesweite Recht auf Abtreibung vor zwei Jahren gekippt hat, setzt sich Harris vehement für Frauenrechte ein - und kann damit besser überzeugen als beim Thema Migration. Abtreibung ist zu einem zentralen Wahlkampfthema der Demokraten geworden.
Harris will das landesweite Recht auf Schwangerschaftsabbrüche wiederherstellen. In den USA gibt es mittlerweile einen Flickenteppich an Regelungen mit teils sehr restriktiven Vorgaben bis hin zu Verboten. Dagegen möchte Harris mit einer einheitlichen Gesetzgebung vorgehen. Trump und Vance hingegen wollen, dass das Thema Sache der Bundesstaaten bleibt.
Harris' Vizekandidat Walz hatte nach dem umstrittenen Urteil des Supreme Court als erster Gouverneur des Landes ein neues Gesetz für Minnesota unterzeichnet, das ein «Grundrecht auf autonome Entscheidungen» in Fragen wie Abtreibung, Verhütung und Fruchtbarkeitsbehandlungen sicherstellt.
Wirtschaft
Keine Rede Trumps vergeht ohne eine umfassende Kritik an Bidens aktueller Wirtschaftspolitik, die auch Harris als Vize mitzuverantworten hat. Dabei ist «Inflation» das Stichwort. Diese sei ein Ergebnis unkontrollierter Staatsausgaben, sagt Trump.
Zwar ist die Inflationsrate gesunken, aber Preise für Alltagseinkäufe haben sich auf einem hohen Niveau eingependelt. Das macht vielen Amerikanern zu schaffen. Die Republikaner treffen damit einen Nerv.
Harris und Walz betonen in ihrem Wahlkampf die Notwendigkeit von Investitionen in den Klimaschutz. Ein weiterer Fokus liegt auf der Stärkung der Arbeitnehmerrechte. Vor allem Walz gilt als gewerkschaftsnah. Harris hat sich für eine stärkere Besteuerung von Besserverdienenden ausgesprochen.
Trump befürwortet weniger Regulierung durch den Staat. Auch Vance zeigt sich grundsätzlich skeptisch. Während seiner Amtszeit als Präsident senkte Trump die Unternehmens- und Körperschaftssteuer, um Unternehmensinvestitionen zu fördern.
Demokratie
Die Demokraten haben die Wahl im November zu einem Votum erklärt, bei dem es um nichts weniger geht als um den Erhalt der Demokratie und Rechtsstaatlichkeit. Der Sturm auf das Kapitol am 6. Januar 2021 sei ein Beleg dafür, dass die USA in «ein Land des Chaos, der Angst und des Hasses» abgleiten könnten, macht Harris im Wahlkampf immer wieder deutlich.
Bis heute erkennt Trump seine Wahlniederlage von 2020 nicht an – und die Frage, was er im Falle einer Niederlage im November tun würde, lässt er bewusst offen. Mit Vance hat er sich einen Vize an die Seite geholt, der das Ergebnis ebenfalls infrage stellt.
Walz setzt sich in seinem Bundesstaat dafür ein, dass möglichst viele Menschen zur Wahl gehen können und Hürden abgebaut werden. Zudem bietet die Tatsache, dass Trump in einem New Yorker Strafverfahren verurteilt wurde, Angriffsfläche. Als ehemalige Staatsanwältin betont Harris, sich mit «Typen wie Trump» auszukennen.
Wunde Punkte
Die Teams werden es in den kommenden Wochen noch stärker darauf anlegen, ihre Gegner gezielt dort anzugreifen, wo sie offene Flanken sehen.
Harris und Walz werfen Trump und Vance vor, «die Uhren zurückdrehen» zu wollen. Die Demokraten warnen vor allem davor, dass eine erneute republikanische Präsidentschaft grundlegende Freiheiten sowie die Demokratie im Allgemeinen gefährden würde.
Trumps Vizekandidaten Vance unterstellen sie zudem mangelnde Authentizität. Der Autor des Bestsellers «Hillbilly Elegy» hat seine Wurzeln in der Arbeiterschicht zu seiner politischen Identität gemacht - doch sein Studium an einer Elite-Universität, die darauffolgende Karriere als Investor und seine Nähe zu Milliardären im Silicon Valley bieten eine willkommene Steilvorlage, um Zweifel an Vance' Bürgernähe zu sähen.
Trump und Vance wiederum konzentrieren sich darauf, Harris und Walz als «linksextrem» zu brandmarken. Ihre Argumentation hängen sie besonders an den Themen Migration und innere Sicherheit auf.
Walz greifen sie explizit für seine Rolle während der «Black Lives Matter»-Bürgerrechtsproteste im Jahr 2020 an. Sie werfen ihm vor, als Gouverneur nicht schnell und rigoros genug gegen Ausschreitungen in Minnesota durchgegriffen zu haben. Dieses Beispiel dient ihnen, um Walz und die Demokraten als Befürworter von Gesetzlosigkeit darzustellen. Auch Walz' Verbindung zu China, wo er einst als Lehrer arbeitete, nutzen die Republikaner als Angriffsfläche.
Von Luzia Geier und Magdalena Tröndle, dpa
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