Der Kanzler spricht von einem «Gesamtkunstwerk»: Die Ampel hat sich auf den Haushalt 2025 geeinigt.
Michael Kappeler/dpa
Der Kanzler spricht von einem «Gesamtkunstwerk»: Die Ampel hat sich auf den Haushalt 2025 geeinigt.
Bundesregierung

«Gesamtkunstwerk»: Ampel einigt sich auf Haushalt

Sie haben sich 23 Mal getroffen, um insgesamt 80 Stunden über den Haushalt 2025 zu sprechen. Jetzt gibt es ein Ergebnis. Ob es die Ampel langfristig stabilisieren kann, wird sich erst noch zeigen.

Nach monatelangen Verhandlungen haben sich die Spitzen der Ampel-Koalition auf einen Haushaltsplan für 2025 und ein Paket zur Ankurbelung der Wirtschaft verständigt. Bundeskanzler Olaf Scholz sprach von einem «Gesamtkunstwerk», das gut für die Stabilität des Landes, aber auch für die Ampel-Regierung sei. SPD und Grüne konnten sich mit ihrer Forderung nach einem erneuten Aussetzen der Schuldenbremse nicht gegen die FDP durchsetzen. Trotzdem sieht die Einigung Investitionen von 57 Milliarden Euro vor. Es handele sich «mitnichten» um einen Sparhaushalt, sagte Finanzminister Christian Lindner. 

Für Eltern wird es eine Erhöhung des Kindergelds um fünf Euro Anfang kommenden Jahres geben. Der Verteidigungshaushalt soll von rund 52 Milliarden Euro um etwa 1,2 Milliarden Euro wachsen - deutlich weniger als von Minister Boris Pistorius (SPD) gefordert. Das Hilfspaket für die Wirtschaft mit 49 Maßnahmen soll im nächsten Jahr zu einem zusätzlichen Wachstum von mehr als einem halben Prozent führen - etwa 26 Milliarden Euro zusätzliche Wirtschaftsleistung. So sind beschleunigte Abschreibungen von Investitionen und eine verbesserte Forschungszulage geplant. 

Die Pläne sollen bis zum 17. Juli noch ausgefeilt und dann im Kabinett beschlossen werden. Im September wird sich der Bundestag erstmals damit befassen. Scholz zeigte sich zuversichtlich, dass die Einigung anders als beim vorigen Haushalt nicht gleich wieder zerredet wird. «Es ist das feste Vorhaben aller Beteiligten, dass es genau so nicht laufen soll wie beim letzten Mal.»

Scholz nach Verhandlungsmarathon: «Alles super»

Der Einigung waren äußerst zähe Verhandlungen vorausgegangen. Bis zuletzt wurde darüber spekuliert, dass die Koalition an der Haushaltsfrage zerbrechen könnte. 23 Mal traf sich Scholz, mit Lindner (FDP) und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) um insgesamt 80 Stunden über den Haushalt zu beraten. Die letzte Runde dauerte elf Stunden und endete zwischen 5 und 6 Uhr am Freitagmorgen. Scholz ging anschließend gleich in die SPD-Fraktion, die schon am Mittwoch eine Sondersitzung angesetzt hatte, um den Druck auf das Spitzentrio der Ampel zu erhöhen. Als der Kanzler nach eineinhalb Stunden wieder rauskam, sagte er nur: «Alles super.»

Ganz so euphorisch sieht das seine Fraktion nicht. Sie hatte vehement ein Aussetzen der Schuldenbremse gefordert, um größeren Spielraum für Investitionen zu haben. Dagegen stemmte sich die FDP, was in der SPD weiterhin für massiven Unmut sorgt. Den konnte SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich nach der Sitzung der SPD-Abgeordneten auch nicht verbergen. «Dass so früh der Bundeskanzler sich mit allen Fachministerinnen und Ministern hat einschalten müssen, (...) spricht nicht unmittelbar für denjenigen, der für diesen Haushaltsentwurf dann auch unmittelbar Verantwortung trägt», teilte er gegen Lindner aus - so kurz nach einer Einigung eher ungewöhnlich. 

FDP ist ziemlich zufrieden - SPD will genau prüfen

Auch bei den Grünen löste die Haushaltseinigung keine Begeisterungsstürme aus. Man werde sich die Sparvorgaben für die einzelnen Ministerien sehr genau ansehen, sagte Fraktionschefin Katharina Dröge. «Gerade im Bereich der inneren und äußeren Sicherheit und auch der humanitären Hilfe wird aus unserer Sicht der Haushalt nicht der Lage im Land gerecht.» Durch und durch zufriedengab sich eigentlich nur die FDP: Aufweichen der Schuldenbremse verhindert, Wachstumspaket auf dem Weg, alles paletti. 

Jedenfalls haben sich die Ampel-Spitzen knapp ein Jahr vor der nächsten Bundestagswahl noch einmal zusammengerauft. «Die Nerven zu verlieren, hinzuschmeißen, vor der Verantwortung wegzulaufen - dafür hätte ich als Bundeskanzler keinerlei Verständnis», sagte Scholz zu den Spekulationen über ein Ampel-Aus. Deutschland müsse in dieser Zeit wachsender Unsicherheit ein Stabilitätsanker in Europa sein.

Bleibt nur noch die Unsicherheit, dass die Einigkeit im parlamentarischen Verfahren wieder aufbricht. Unter Dach und Fach ist der Etat erst, wenn der Bundestag ihn im Herbst verabschiedet. Dass es bis zu diesem Punkt noch ein langer Weg ist, machte Mützenich sehr deutlich: «Bis Ende November oder Anfang Dezember werden jetzt die Mitglieder des Deutschen Bundestages, meine Fraktion, die Einzelpläne, die einzelnen Dinge bewerten und dann sich genau anschauen, was verändert werden muss, was wir aber auch mittragen können.» Die Erklärung einer Haushaltsnotlage behalte er sich als Instrument weiter vor. 

Pistorius zählt zu den Verlierern

Zu den Verlierern des großen Ringens gehört auch Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) und die vom Kanzler selbst ausgerufene Zeitenwende. Denn das dafür mit 100 Milliarden Euro ausgestattete Sondervermögen für die Bundeswehr ist schon verplant, wird aber noch auf das Zwei-Prozent-Ziel angerechnet. «Wir reden von 6,5 bis 7 Milliarden Euro Zusatzbedarf für das kommende Jahr», sagte Pistorius im Mai in New York und warnte vor einem «Rüstungsstopp». Nun hat er 1,2 Milliarden Euro erhalten. Es tut sich eine Lücke auf zum Bedarf, weil auch die Betriebskosten der Streitkräfte steigen. Einige zentrale Projekte wie der Kauf von Kampfpanzern, Luftverteidigungssystemen und Fregatten haben schon grünes Licht des Haushaltsausschusses. Andere - der geplante Kauf von U-Booten, Marschflugkörpern oder weitreichender Raketenartillerie - rücken in weite Ferne. 

Scholz sagte trotzdem: «Es geht um eine starke Verteidigung, eine starke Bundeswehr, die Schutz vor den aggressiven Gewaltherrschern unserer Zeit bietet.» Im Jahr 2028 - dazwischen liegen aber Bundestagswahlen - werde der Verteidigungsetat auf 80 Milliarden Euro wachsen.

Reformen beim Bürgergeld

Einen Schwerpunkt legt die Ampel im Haushalt auf Arbeit und Soziales, nachdem die FDP im Sozialbereich Kürzungen verlangt hatte. Langzeitarbeitslose sollen künftig einen Bonus bekommen, wenn sie einen regulären Job annehmen. Umgekehrt werde die Überwachung, dass man angebotene Arbeit auch annimmt, strenger. 

Lindner kündigte «Reformen beim Bürgergeld» an: Mitwirkungspflichten würden geschärft. Neue Meldeverpflichtungen für kurzfristig dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehende Menschen würden eingeführt: Betroffene sollten sich einmal monatlich bürokratiearm bei der Bundesagentur für Arbeit melden müssen. Regeln dafür, welche angebotene Arbeit als zumutbar gelte, würden weiterentwickelt. Die Karenzzeiten beim Schonvermögen würden zudem halbiert, so Lindner. Heute gelten im ersten Jahr nach dem erstmaligen Bürgergeld-Antrag erhöhte Freibeträge auf das Vermögen sowie das Aussetzen von Prüfungen zu Unterkunftskosten. 

 

 

 

 

 

Von Michael Fischer, Andreas Hoenig, Carsten Hoffmann und Basil Wegener, dpa
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