Festnahmen bei Gaza-Demos an Unis in den USA
Bei propalästinensischen Protesten an Dutzenden Hochschulen in den USA hat es inzwischen Hunderte Festnahmen gegeben - und Kritik am Vorgehen der Polizei. Die Regierung versucht zu beschwichtigen.
Bei propalästinensischen Protesten an Dutzenden Hochschulen in den USA hat es inzwischen Hunderte Festnahmen gegeben - und Kritik am Vorgehen der Polizei. Die Regierung versucht zu beschwichtigen.
Angesichts der aufgeheizten Stimmung bei propalästinensischen Demonstrationen an etlichen amerikanischen Universitäten hat die US-Regierung zu einem Gewaltverzicht aufgerufen. «Wir verstehen, dass diese Proteste wichtig sind», sagte der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrats, John Kirby, dem US-Sender ABC News. «Aber sie müssen friedlich sein.»
Das Weiße Haus überlasse lokalen Behörden die Entscheidung, wie mit den jeweiligen Protesten umzugehen sei. Friedliche Demonstrierende dürften jedoch nicht verletzt werden. Gleichzeitig betonte Kirby: «Wir verurteilen aufs Schärfste die antisemitische Sprache, die wir in letzter Zeit gehört haben. Wir verurteilen jegliche Hassrede und Androhungen von Gewalt.»
Mittlerweile protestieren Studierende und Hochschulpersonal an Universitäten in mehr als zwei Dutzend US-Bundesstaaten gegen den Gaza-Krieg. Sie werfen der US-Regierung wegen der Militärhilfe für den Verbündeten Israel die Beteiligung an einem Völkermord vor, fordern Solidarität mit den Palästinensern und verlangen von den Hochschulen, wirtschaftliche sowie akademische Bindungen zu Israel zu kappen.
Bei den Protesten gab es am Wochenende wieder viele Festnahmen. Seit dem 18. April wurden laut «New York Times» landesweit mehr als 800 Menschen festgenommen. In vielen Fällen kamen sie den Berichten zufolge schnell wieder frei. Etliche Demonstrierende wurden allerdings von Lehrveranstaltungen ausgeschlossen oder dürfen nun nicht einmal mehr das Campusgelände betreten. Teils gibt es auch Berichte über Zusammenstöße zwischen Demonstrierenden aus gegnerischen Lagern, wie an der University of California.
Diskurs mit Nuancen
Einigen der Protestierenden wird Antisemitismus und die Verharmlosung der islamistischen Hamas vorgeworfen, die dem Staat Israel das Existenzrecht abspricht. Jüdische Studierende sorgen sich um ihre Sicherheit, wollen etwa den Davidstern nicht mehr auf dem Campus tragen oder Hebräisch sprechen. Gleichzeitig hat der Diskurs in einem Land mit einer jüdischen Bevölkerung von geschätzt rund 7,5 Millionen Menschen Nuancen: Auch unter den Demonstrierenden gibt es jüdische Studierende und Lehrende mit einer kritischen Haltung gegenüber der israelischen Regierung.
Für die Universitäten stellt die Situation einen Drahtseilakt dar: Einerseits muss die Sicherheit auf dem Campus, andererseits das Recht auf Meinungsfreiheit garantiert werden. Dass die Präsidentin der Elite-Uni Columbia ein Protest-Zeltlager von der New Yorker Polizei räumen ließ, ging nach hinten los: Der Großeinsatz am 18. April führte nicht nur zu Empörung und mehr Protest vor Ort, sondern gab letztlich den Anstoß für Demonstrationen und den Aufbau weiterer Zeltlager an Hochschulen im ganzen Land.
Kritik an der Polizei
Andere Universitätsleitungen haben seitdem ebenfalls um Unterstützung der Polizei gebeten. Das immense Polizeiaufgebot an vielen Hochschulen empfinden Kritiker als unverhältnismäßig. So seien auch Menschen festgenommen worden, die zuvor friedlich demonstriert hätten. Manche Betroffene klagten außerdem über brutales Vorgehen der Beamten.
Weitreichende Berichte über Verletzungen gab es bislang zwar nicht. Die Sorge vor - mitunter tödlicher - Polizeigewalt ist in den USA aber nicht ganz unbegründet, auch bei Protesten und vor allem beim Vorgehen gegen Minderheiten. Nicht nur bei den «Black Lives Matter»-Protesten im Jahr 2020 wurden Schlagstöcke und Pfefferspray exzessiv eingesetzt.
Politische Stimmung aufgeheizt
Von außen angeheizt wird die Situation jetzt von radikaleren Stimmen, die im US-Wahlkampf eine Chance wittern, politisch Kapital daraus zu schlagen. Den Vorschlag einiger stramm rechter Republikaner, die Nationalgarde an die betroffenen Universitäten zu schicken, wies der demokratische Senator Tim Kaine zurück - solche Maßnahmen könnten ein schlimmes Ende nehmen, warnte er. Der republikanische Minderheitsführer der Republikaner im Senat, Mitch McConnell, warf die Frage auf, warum sich nicht alle für eine gesittete Diskussion an einen Tisch setzen, «anstatt zu versuchen, das Gespräch zu dominieren».
Auch Bernie Sanders, parteiloser Senator und entschiedener Gegner von US-Militärhilfen für Israel, meldete sich zu Wort. Er sei selbst Jude und Antisemitismus müsse genauso verurteilt werden wie Islamophobie und alle anderen Formen des Hasses. Aber das Vorgehen der israelischen Regierung unter Ministerpräsident Benjamin Netanjahu sei angesichts der verheerenden Folgen für die palästinensische Zivilbevölkerung im Gazastreifen inakzeptabel. Ob es sich um Völkermord handele, was viele Demonstrierende bereits als erwiesen sehen, müsse der Internationale Strafgerichtshof klären.
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