Bundesinnenministerin Nancy Faeser hat angesichts der russischen Abhöraktion gegen Offiziere der Luftwaffe die Abwehrbereitschaft deutscher Geheimdienste unterstrichen.
Bernd von Jutrczenka/dpa
Bundesinnenministerin Nancy Faeser hat angesichts der russischen Abhöraktion gegen Offiziere der Luftwaffe die Abwehrbereitschaft deutscher Geheimdienste unterstrichen.
Verteidigung

Faeser nach Abhöraktion: Haben Spionage-Schutz hochgefahren

Aufklärung fordern nach dem russischen Lauschangriff auf die Bundeswehr fast alle - aber wie genau? Regierungspolitiker mahnen die Union, keine parteipolitisch motivierten Forderungen zu stellen.

Nach der russischen Abhöraktion gegen Offiziere der Luftwaffe diskutieren Regierung und Opposition weiter über notwendige Konsequenzen. Bundesinnenministerin Nancy Faeser unterstrich die Abwehrbereitschaft deutscher Geheimdienste. «Putins Propaganda-Apparat will unseren Staat diskreditieren, die Meinungsbildung manipulieren und unsere Gesellschaft spalten», sagte die SPD-Politikerin den Zeitungen der Funke Mediengruppe. «All das wird Putin nicht gelingen.»

«Wir haben unsere Schutzmaßnahmen gegen Spionage und Desinformation weiter hochgefahren und reagieren laufend auf aktuelle Entwicklungen.» Die Spionageabwehr beim Bundesamt für Verfassungsschutz sei personell und technisch deutlich verstärkt worden. Es bleibe ein wesentlicher Schwerpunkt der Spionageabwehr, die Aktivitäten der russischen Nachrichtendienste zu bekämpfen.

Mitschnitt wurde von russischen Medien verbreitet

Die US-Regierung warf Russland vor, durch die Veröffentlichung des Mitschnitts Misstrauen schüren zu wollen. Es handle sich um einen «dreisten und durchschaubaren Versuch der Russen, Zwietracht zu säen» und es so aussehen zu lassen, als sei der Westen nicht geeint und als gebe es auch innerhalb der Regierung in Deutschland keine Einigkeit darüber, was sie tue, sagte der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrats der USA, John Kirby, am Montag. Man werde sich dem aber nicht beugen, denn das sei es, was Russland wolle.

Am Freitag hatte Russland eine mitgeschnittene Schaltkonferenz von vier hohen Offizieren, darunter Luftwaffen-Chef Ingo Gerhartz, veröffentlicht. Darin erörterten diese Einsatzszenarien für den deutschen Marschflugkörper Taurus, falls dieser doch noch an die Ukraine geliefert würde. In dem Mitschnitt ist aber auch zu hören, dass es auf politischer Ebene kein grünes Licht für die Lieferung der von Kiew geforderten Marschflugkörper gibt. Kanzler Olaf Scholz (SPD) hatte sein Nein damit begründet, dass Deutschland dann in den Krieg hineingezogen werden könnte. Am Montag bekräftigte er seine Position und sagte: «Ich bin der Kanzler, und deshalb gilt das.» Taurus hat eine Reichweite von 500 Kilometern und kann damit von der Ukraine aus auch Ziele in Moskau treffen.

Entwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD) warf dem russischen Präsidenten Wladimir Putin vor, auch in Afrika einen «Informationskrieg gegen uns» zu führen. «Dort schürt er mit Fake News Ressentiments gegen den Westen, während er bei uns die Stimmen verstärkt, die den Rückzug ins Nationale fordern», sagte Schulze am Rande einer Reise ins westafrikanische Burkina Faso dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.

«Putin möchte, dass wir übereinander herfallen»

Voraussichtlich nächste Woche will sich der Verteidigungsausschuss des Bundestages in einer Sondersitzung mit der Abhöraffäre beschäftigen. «Bis dahin haben wir auch mehr Informationen», sagte die Ausschussvorsitzende Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP) der «Rheinischen Post». «Wir werden darüber beraten, inwieweit unsere Institutionen auf einen hybriden Angriff vorbereitet sind.» Sie erwarte auch von der Opposition, mit Ernsthaftigkeit, aber auch Souveränität mit der Lage umzugehen. «Putin möchte nämlich nur eines, dass wir jetzt übereinander herfallen.»

Auch SPD-Chef Lars Klingbeil mahnte die Opposition: «Putin versucht, unsere Politik und unsere Gesellschaft zu spalten. Gerade deswegen sollte eine notwendige schnelle Aufklärung nicht mit Forderungen vermischt werden, die sofort als parteipolitisch motiviert durchschaubar sind», sagte Klingbeil ebenfalls der «Rheinischen Post».

Die Union dringt dagegen darauf, dass der Verteidigungsausschuss noch in dieser Woche zu einer Sondersitzung zusammenkommt. «Die vorgeschlagene Terminierung ist der Lage völlig unangemessen. Der Ausschuss soll faktisch eine Woche auf Antworten warten», heißt es in einem Schreiben des parlamentarischen Geschäftsführers der Unionsparteien im Bundestag, Thorsten Frei (CDU), an Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD), aus dem die «Rheinische Post» zitierte. Er erwarte, dass Kanzler Scholz an der Sitzung teilnehme.

Kubicki will für Taurus-Lieferung stimmen

Anders als der Kanzler befürworten FDP und Grüne eine Taurus-Lieferung, die Union auch. Strack-Zimmermann hatte im Februar als einziges Mitglied ihrer Fraktion einem Unionsantrag zugestimmt, der diese Forderung enthielt.

Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki (FDP) rechnet im Parlament mit mehr FDP-Stimmen, sollte es im Bundestag dazu eine neue Abstimmung geben. «Ich bin sicher, die Union wird nächste Woche wieder einen Antrag stellen und ich bin mir auch sicher, dass diesmal mehr Abgeordnete dafür stimmen werden, Taurus in die Ukraine zu liefern», sagte FDP-Vize Kubicki dem «Münchner Merkur». «Schon beim letzten Mal hätten mindestens ein Dutzend weitere Kolleginnen und Kollegen, die ich kenne, liebend gern dem Unionsantrag zugestimmt, haben sich aber der Koalitionsdisziplin gefügt. Ich war auch kurz davor. Diesmal wäre für mich der Punkt erreicht, es zu tun», sagte Kubicki.

SPD-Politiker Schmid: Scholz' Nein nicht endgültig

SPD-Außenpolitiker Nils Schmid schließt indes nicht aus, dass Scholz von seinem Nein zur Taurus-Lieferung noch abrücken wird. «Die technischen, verfassungsrechtlichen und auch die strategischen Hürden sind höher als bei anderen Waffensystemen. Aber das schließt nicht aus, dass die Regierung in der Zukunft zu einer anderen Abwägung kommt und sich doch zu einer Lieferung entscheidet», sagte Schmid den Zeitungen der Mediengruppe Bayern. Die einzige rote Linie für Scholz sei: «Keine direkte Kriegsbeteiligung Deutschlands und der Nato.» Bei Waffenlieferungen habe der Kanzler dagegen «immer auf Abwägung gesetzt und seine Entscheidungen an die Entwicklung in der Ukraine angepasst, sodass eine Lieferung etwa von Kampfpanzern dann möglich wurde».

Zu dem von Scholz angebrachten Argument gegen eine Taurus-Lieferung, wonach Bundeswehrsoldaten beteiligt sein müssten, wenn man eine Kontrolle über das Waffensystem haben wolle, sagte Schmid: «Dieses Argument gilt aktuell, denn ohne Unterstützung durch Bundeswehrsoldaten können ukrainische Soldaten ohne vorherige Ausbildung das technisch hochkomplexe System nicht bedienen.»

Auf die Anmerkung, dass ukrainische Soldaten wie beim Leopard-Panzer in Deutschland an dem Waffensystem ausgebildet werden könnten, entgegnete Schmid, das sei in der Tat denkbar. «Dennoch wird der Kanzler jede Waffenlieferung grundsätzlich auf ihre Risiken abwägen. Bislang gibt es dazu noch keine Entscheidung. Aber das kann sich ändern.» Es gebe keine Tabus bei einzelnen Waffentypen.

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