Die Einigung zwischen Israel und der Hamas über wichtige Punkte bei den Verhandlungen zur Beendigung des Gaza-Kriegs löst in der Region große Erleichterung aus. Die Vereinbarung sieht die Freilassung der in den Gazastreifen verschleppten Geiseln sowie die das Zurückziehen der israelischen Truppen auf eine vereinbarte Linie vor. Israels Regierung um Ministerpräsident Benjamin Netanjahu muss nach Berichten aber die Übereinkunft noch offiziell absegnen.
Am späten Nachmittag (Ortszeit) kommt einem Bericht der «Times of Israel» zufolge zunächst das Sicherheitskabinett zusammen, anschließend die gesamte Regierung. Netanjahus rechtsextremer Koalitionspartner Bezalel Smotrich kündigte in einem X-Beitrag an, er und seine Partei würden dem Deal nicht zustimmen. Es wird dennoch mit einer deutlichen Mehrheit für das Abkommen gerechnet. Mit der Billigung soll dann auch die vereinbarte Waffenruhe in Kraft treten.
Durchbruch nach wenigen Tagen der Gespräche
Nur wenige Tage nach Beginn der indirekten Verhandlungen unter Vermittlung von Ägypten, Katar, der Türkei und den USA im ägyptischen Scharm el Scheich verkündete US-Präsident Donald Trump in der Nacht zu Donnerstag den Durchbruch bei den Gesprächen. Israels Regierungschef Netanjahu und die Hamas bestätigten die Einigung auf die erste Phase eines von Trump vorgelegten Friedensplans, der den Weg zu einem Ende des Kriegs ebnen soll.
Auslöser des Gaza-Kriegs war der Terrorangriff der Hamas und anderer islamistischer Terrorgruppen auf Israel am 7. Oktober 2023. Etwa 1.200 Menschen wurden dabei getötet und mehr als 250 als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt. Israel reagierte seinerseits mit schweren Angriffen. Seitdem wurden laut der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde in dem umkämpften Küstenstreifen mehr als 67.000 Palästinenser getötet.
Freude in Israel und dem Gazastreifen - aber auch Sorge
In Israel sorgte die Einigung für große Freude. Auf dem «Platz der Geiseln» im Zentrum von Tel Aviv versammelten sich zahlreiche Menschen. Es wurde gejubelt, gesungen, getanzt und geklatscht. Einige schwenkten israelische und US-Flaggen. «Alle von ihnen - jetzt!», riefen sie zudem. Bei vielen ist die Erleichterung auch von Vorsicht begleitet. «Wir sind auch immer noch angespannt und hoffen, dass alles so läuft wie geplant», sagte ein Israeli.
Im Gazastreifen rief die Nachricht über einen Durchbruch große Emotionen hervor. «Meine erste Reaktion war, hemmungslos zu weinen», sagte ein Palästinenser. Er fühle nun Freude, aber auch Trauer - vor allem wegen der Angehörigen, die er in dem zwei Jahre dauernden Krieg verloren habe.
Was wurde vereinbart?
Bekannt ist, dass nun zunächst die in den Gazastreifen verschleppten Geiseln freigelassen werden sollen. Dafür soll Israel seine Truppen auf eine vereinbarte Linie zurückziehen. Im Gazastreifen befinden sich noch 48 Geiseln, von denen nach israelischen Informationen noch 20 am Leben sind. Israel soll im Gegenzug rund 250 zu lebenslanger Haft verurteilte palästinensische Häftlinge sowie etwa 1.700 nach dem 7. Oktober 2023 Inhaftierte freilassen.
Die USA hatten betont, dass die Geiseln absolute Priorität hätten. In einer zweiten Phase von Verhandlungen sollen Bedingungen geschaffen werden, die einen Frieden langfristig sichern. So ist ein vollständiger Rückzug Israels aus Gaza laut Trumps Plan erst zu einem späteren Zeitpunkt vorgesehen, wenn eine internationale Stabilisierungstruppe (ISF) für Sicherheit vor Ort sorgt. Auch um eine Entwaffnung der Hamas wird es zu einem späteren Zeitpunkt gehen.
Was ist unklar?
Es ist bisher nicht vollends klar, wann genau die Geiseln in den kommenden Tagen freigelassen werden - und ob es wirklich alle auf einmal sein und auch die sterblichen Überreste der Geiseln, die tot entführt wurden oder nicht überlebt haben, an Israel übergeben werden. Offen ist auch, welche palästinensischen Häftlinge Israel für die Geiseln freilässt. Auch dies war ein Streitpunkt in den Verhandlungen.
Es wird jedoch vermutet, dass die Geiseln am Samstag, Sonntag oder Montag freigelassen werden könnten. Der Friedensplan sieht eine Frist von 72 Stunden nach Inkrafttreten der Vereinbarung vor - es hängt also auch davon ab, wann sie unterzeichnet wird. Zur Unterzeichnung gibt es noch keine offiziellen Informationen.
Die Islamistenorganisation erklärte sich bereits vergangene Woche damit einverstanden, dass der Gazastreifen nach Kriegsende zunächst von einer Übergangsregierung palästinensischer Technokraten unter Aufsicht eines internationalen Gremiums regiert werde. Es ist aber unklar, ob sie damit auch der Forderung von Trumps Friedensplan zustimmte, dass sie selbst dabei keine Rolle spielen darf. Diese Frage dürfte aber auch in folgenden weiteren Verhandlungen fallen.
Bundeskanzler Merz zuversichtlich
Auch außerhalb Israels sorgte die Nachricht über die Einigung für Optimismus. Bundeskanzler Friedrich Merz zeigte sich etwa zuversichtlich – zugleich warnte er aber auch vor einer voreiligen Bewertung. «Also die Hoffnungen, auch was Israel betrifft und den Gazastreifen betrifft, haben hier in der letzten Nacht noch einmal zugenommen, aber noch ist das nicht wirklich abgeschlossen», sagte der CDU-Chef vor Journalisten in Berlin. «Die Entwicklung in Israel macht uns Mut.»
Spitzenvertreter der EU kündigten nach dem Durchbruch bei den Verhandlungen Hilfe an. Die EU werde weiterhin die schnelle und sichere Lieferung humanitärer Hilfe in den Gazastreifen unterstützen, teilte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen mit. Und wenn die Zeit reif dafür sei, werde die EU auch bereitstehen, um den Wiederaufbau zu unterstützen.
Die Konfliktparteien forderte von der Leyen auf, die getroffene Vereinbarung vollständig einzuhalten. «Die heutige Chance muss genutzt werden», schrieb sie in sozialen Netzwerken. Sie sei eine Gelegenheit, einen glaubwürdigen politischen Weg hin zu dauerhaftem Frieden und Sicherheit mit einer Zweistaatenlösung einzuschlagen.
Arabische Länder begrüßen Einigung
Arabische Länder drückten ihre Hoffnung auf Stabilität aus. Ägyptens Präsident Abdel Fattah al-Sisi sprach von einem «historischen Moment». Das Abkommen schließe nicht nur das Kapitel des Kriegs. «Es öffnet auch das Tor der Hoffnung für die Völker der Region – für eine Zukunft, die von Gerechtigkeit und Stabilität geprägt ist», so al-Sisi in einem Post auf X.
Auch Saudi-Arabien begrüßte die Einigung und lobte die Bemühungen von Trump und der anderen Vermittler, wie das Außenministerium erklärte. Der einflussreiche Golfstaat hoffe, dass die Menschen im Gazastreifen nun schnell Hilfe erhielten. Israel müsse sich vollständig zurückziehen, damit Sicherheit und Stabilität wiederhergestellt werden könnten.
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