Stimmen verloren, aber nicht so stark wie befürchtet, an Prozenten zugelegt, aber nicht so viel wie erhofft - die Kommunalwahlen in Nordrhein-Westfalen hatten für fast alle Parteien Licht und Schatten. Je nachdem, ob man die Ergebnisse mit den Zahlen der Kommunalwahlen von vor fünf Jahren, der Bundestagswahl im Februar oder den aktuellen Meinungsumfragen verglich. Die bundespolitische Aussagekraft von Bürgermeister-, Stadtrats- und Kreiswahlen ist zwar begrenzt. Doch ein paar Erkenntnisse brachte der erste große Stimmungstest nach dem Amtsantritt der schwarz-roten Bundesregierung den Parteistrategen in Bund und Land schon.
Blaues Auge für Schwarz-Rot in Berlin
Der Landesvorsitzende der SPD in Nordrhein-Westfalen, Achim Post, lieferte am Morgen nach der Wahl eine ziemlich schonungslose Analyse. «Man muss die Ergebnisse genauso beschreiben, wie sie sind: Das ist ein schlechtes Ergebnis für die SPD, aber auch ein schlechtes Ergebnis insgesamt für die demokratische Mitte», sagte Post im ZDF-«Morgenmagazin».
Insgesamt herrscht in den Koalitionsparteien aber die Wahrnehmung vor, dass man noch einmal mit einem blauen Auge davongekommen ist: Die AfD hat im Vergleich zur Bundestagswahl in NRW sogar leicht verloren, während ihre bundesweiten Umfrageergebnisse in die Höhe gegangen sind. Die CDU bleibt mit sehr großem Abstand stärkste Partei. Und auch die SPD hätte es noch schlimmer treffen können.
Koalition hat nun Zeit für ihr Reformprogramm
Nach der Wahl geht es für die Koalition nun darum, sich den Reformen zu widmen, die sie sich für den Herbst vorgenommen hat - darunter das schwierige Thema Bürgergeld. Die nächsten Wahlen sind erst in einem halben Jahr. In Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz geht es dann um die Landtage. Die Voraussetzungen sind also gut, das Regierungsbündnis nach einem holprigen Start wieder in ruhigeres Fahrwasser zu führen. Unions-Fraktionschef Jens Spahn sagte noch am Wahlabend, das Ergebnis solle «Ansporn für eine ruhige pragmatische Arbeit» sein. Ob das aber wirklich klappt, wird sich erst noch zeigen.
Unangenehme Erkenntnisse für etablierte Parteien in NRW
Für die etablierten Parteien enthält der Wahlausgang zwei unangenehme Botschaften: Die Westwanderung der AfD hat auch das bevölkerungsreichste Bundesland voll erreicht. Das Rechtsaußen-Lager hatte hier lange Zeit geringere Erfolgsaussichten als in manch anderen Ländern im Westen. Nach ihren 16,8 Prozent bei der Bundestagswahl in NRW zementiert die AfD hier nun aber zum zweiten Mal in kurzer Folge ein satt zweistelliges Ergebnis.
Bittersüß ist das Wählervotum für Ministerpräsident und CDU-Landeschef Hendrik Wüst. Mit ihren 33,3 Prozent liegt seine Landes-CDU deutlich über dem Bundestrend seiner Partei. «Wir sind bei aller Bescheidenheit das Kraftzentrum der Union in Deutschland», hielt er am Wahlabend fest. Zugleich musste er sich anhören, dass seine schwarz-grüne Koalition bei solchen Zahlen ein Auslaufmodell sei. Die nächste NRW-Landtagswahl im Mai 2027 ist allerdings noch recht weit.
AfD sieht sich jetzt auch im Westen auf gutem Weg
Sektlaune bei der Bundes-AfD: Für die AfD war das ein strategisch wichtiger Wahlerfolg. Sie versucht sich auf der Kommunal- und Landesebene zu etablieren, durch breitere Akzeptanz Risse in die viel diskutierte Brandmauer zu bringen und mehr Wähler auch auf Bundesebene zu erreichen. Im Osten ist ihr das schon gelungen, nach den NRW-Kommunalwahlen sieht sie sich auch im Westen auf dem Weg. Parteivize Stephan Brandner postete am Tag nach der Wahl bei X das entsprechende Emoji zum Wahlergebnis - zwei anstoßende Sektgläser.