«Economist»-Index sieht Demokratie weltweit auf dem Rückzug
Jährlich nimmt die «Economist Intellicence Unit» die demokratische Entwicklung in einem Großteil der Staaten unter die Lupe. Die Momentaufnahme verheißt nichts Gutes.
Jährlich nimmt die «Economist Intellicence Unit» die demokratische Entwicklung in einem Großteil der Staaten unter die Lupe. Die Momentaufnahme verheißt nichts Gutes.
Der Zustand der Demokratie auf der Welt hat sich einer aktuellen Studie zufolge verschlechtert. «Das zunehmende Auftreten gewaltsamer Konflikte hat den globalen Demokratiewert stark beeinträchtigt», teilte die «Economist Intelligence Unit» der britischen «Economist»-Gruppe mit. Zwar lebt fast die Hälfte der Weltbevölkerung (45,7 Prozent) in einer Form der Demokratie, wie aus dem EIU-Demokratie-Index hervorgeht. Jedoch befinden sich davon nur 7,8 Prozent in einer «vollständigen Demokratie», deutlich mehr als ein Drittel (39,4 Prozent) hingegen unter autoritärer Herrschaft.
Auf den Top-Plätzen lagen wie im Vorjahr Norwegen, Neuseeland und Island. Deutschland kletterte um zwei Plätze auf Rang 12 von 167 Ländern. Das liege aber an der Verschlechterung bei anderen, hieß es. Schlusslichter waren Nordkorea, Myanmar und Afghanistan.
Die Studien bewertete fünf Kategorien mit Punkten von 1 bis 10: Wahlverfahren und Pluralismus, Funktionsweise der Regierung, politische Beteiligung, politische Kultur und bürgerliche Freiheiten. Der globale Durchschnittswert sei von 5,29 im Vorjahr auf einen Tiefstand von 5,23 Zählern gesunken.
«Diese weltweite Verschlechterung des Zustands der Demokratie wurde insbesondere durch negative Entwicklungen in Nicht-Demokratien verursacht, beispielsweise durch den dortigen Anstieg gewaltsamer Konflikte und autoritärer Übergriffe», hieß es in einer Mitteilung. «Autoritäre Regime» hätten sich weiter verfestigt und Länder, die als «hybride Regime» eingestuft wurden, täten sich schwer, sich zu demokratisieren.
Deutschland erzielt besten Wert bei Wahlverfahren
Deutschland erzielte den besten Wert im Bereich Wahlverfahren und Pluralismus. Das spiegele die Offenheit, Transparenz und das reibungslose Funktionieren des Wahlsystems und der Machtübergabe wider, hieß es. Auch bei den bürgerlichen Freiheiten schneide das Land sehr gut ab. Schlechter lief es im Bereich Funktionieren der Regierung. 2023 habe die Ampel-Koalition Schwierigkeiten gehabt, eine Einigung über wichtige politische Maßnahmen zu erzielen, sodass die öffentlichen Zustimmungsraten gesunken seien. Bei der politischen Kultur stehe Deutschland angesichts der steigenden Unterstützung für die AfD vor den größten Herausforderungen.
Zwar verbesserte sich der Durchschnittswert für Westeuropa im Gegensatz zu allen anderen Weltregionen leicht. Doch habe sich die politische Landschaft in Amerika und Europa insgesamt weiter polarisiert, urteilte die Studie. «In immer mehr Ländern sinkt das Vertrauen in die etablierten politischen Parteien und ihre Regierungen.» Es gebe «Kulturkriege» wie schon seit Längerem in den USA, hieß es. «Westeuropa leidet unter dem geringen Vertrauen in die Regierung und ist in der Frage der Einwanderung polarisiert.»
Auch in vielen Ländern Lateinamerikas und der Karibik sei eine politische Polarisierung zu beobachten. «Die zunehmenden Gewaltverbrechen haben die Wähler dazu veranlasst, eine Aushöhlung demokratischer Normen und bürgerlicher Freiheiten hinzunehmen und im Gegenzug die Sicherheit autoritär geführter Regierungen zu akzeptieren», hieß es. Ein Beispiel sei das mittelamerikanische El Salvador. Dort nutze Präsident Nayib Bukele seinen Erfolg bei der Reduzierung der Kriminalität, um seine autoritäre Macht auszubauen und bürgerliche Freiheiten zu untergraben.
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