Die RAF in fünf Kapiteln
Die linksextreme Rote Armee Fraktion hat sich längst aufgelöst. Ihr Terror und die Folgen jedoch sind Teil der deutschen Geschichte - und reichen bis in die Gegenwart.
Die linksextreme Rote Armee Fraktion hat sich längst aufgelöst. Ihr Terror und die Folgen jedoch sind Teil der deutschen Geschichte - und reichen bis in die Gegenwart.
Über rund drei Jahrzehnte hat die linksextremistische Rote Armee Fraktion (RAF) die Bundesrepublik terrorisiert. Im April 1998 gab die Terrorgruppe ihre Auflösung bekannt. Frühere Mitglieder tauchten unter.
Anfänge und Ziele
Zunächst bekannt wird die RAF als Baader-Meinhof-Gruppe. Nach dem Tod des Demonstranten Benno Ohnesorg im Juni 1967 und dem Anschlag auf den Studentenführer Rudi Dutschke im April 1968 radikalisieren sich Teile der Außerparlamentarischen Opposition.
Aus Protest gegen den Vietnamkrieg verüben Andreas Baader, Gudrun Ensslin und zwei weitere 1968 in Frankfurt am Main Brandanschläge auf zwei Kaufhäuser. Die Journalistin Ulrike Meinhof kommt während des Gerichtsprozesses mit ihnen in Kontakt. Im Mai 1970 befreien Meinhof und drei Komplizen Baader gewaltsam aus der Haft in Berlin. Diese Aktion gilt als Geburtsstunde der RAF. Die Gruppe geht in den Untergrund.
Die RAF sieht sich als Teil des Klassenkampfes und eines weltweiten Aufstands gegen Imperialismus und Kapitalismus. Ihr Name bezieht sich auf die Armee der kommunistischen Sowjetunion. Mit ihrem bewaffneten Kampf und dem Konzept einer angeblichen Stadtguerilla vergleicht sie sich mit weltweiten Befreiungsbewegungen.
Die erste Generation
Die Gruppe um Baader, Ensslin und Meinhof begeht bis Ende 1974 zahlreiche Banküberfälle sowie Bombenanschläge unter anderem auf US-Militäreinrichtungen und deutsche Sicherheitsbehörden. Vier Menschen sterben, 41 werden verletzt. Zuvor hatten sie in Jordanien von der Palästinenser-Organisation Fatah eine militärische Ausbildung erhalten.
Im Mai 1972 ist der US-Offizier Paul A. Bloomquist der erste Bombentote der RAF. Zwölf Tage später sterben drei Soldaten bei einer Sprengstoffattacke auf das Europa-Hauptquartier der US-Streitkräfte in Heidelberg. Im Juni nehmen die Fahnder mit Baader, Holger Meins und Jan-Carl Raspe den harten Kern der RAF fest, kurz darauf auch Ensslin, Meinhof und Brigitte Mohnhaupt.
Im Gefängnis protestieren die Inhaftierten immer wieder gegen die Haftbedingungen. Während eines Hungerstreiks stirbt im November 1974 Holger Meins.
Die zweite Generation
Ziel der zweiten Generation und ihrer führenden Köpfe Christian Klar und Brigitte Mohnhaupt ist es ab etwa 1975, die Haftbedingungen der Gefangenen in Stuttgart-Stammheim zu verbessern und ihre Freilassung zu erzwingen - etwa mit einer Geiselnahme in der deutschen Botschaft in Stockholm im April 1975. Ihre Forderung lehnt die Bundesregierung ab. Zwei Diplomaten und zwei Geiselnehmer sterben. Meinhof erhängt sich in ihrer Zelle.
Im Jahr des «Deutschen Herbstes» 1977 überzieht die RAF die Bundesrepublik mit einer Serie von rücksichtslosen und brutalen Attentaten, um die Stammheimer Gefangenen freizupressen. Generalbundesanwalt Siegfried Buback wird im April in Karlsruhe erschossen, Dresdner-Bank-Chef Jürgen Ponto im Juli in Oberursel. In Köln verschleppt ein RAF-Kommando im September den Arbeitgeber-Präsidenten Hanns Martin Schleyer. Im Oktober kapern palästinensische Terroristen die Lufthansa-Maschine «Landshut». Trotz der kaltblütigen Erschießung des Flugkapitäns bleibt Bundeskanzler Helmut Schmidt (SPD) hart und lässt das Flugzeug von der Grenzschutz-Elitetruppe GSG 9 stürmen. Daraufhin begehen Baader, Ensslin und Raspe Selbstmord. Schleyers Leiche wird im elsässischen Mühlhausen gefunden.
Die dritte Generation
Nach der Festnahme der Rädelsführer Klar und Mohnhaupt 1982 ändert die dritte Generation ihre Strategie und verfolgt vermehrt eine Internationalisierung des Terrorismus. Die Welle der Gewalt setzt sich unter einer namentlich kaum bekannten «Kommando-Ebene» fort. Bis 1990 gibt es mehrere gezielte Mordanschläge.
Im November 1989 etwa stirbt der Vorstandssprecher der Deutschen Bank, Alfred Herrhausen, bei einem Bombenanschlag in Bad Homburg. Im April 1991 wird Treuhand-Chef Detlev Karsten Rohwedder aus mehr als 60 Metern Entfernung in seinem Düsseldorfer Haus am Schreibtisch erschossen. In beiden Fällen sind Täter und Motiv bis heute unbekannt. Rohwedders Tod ist der letzte Mordanschlag, der der RAF zugeordnet wird. Bis heute sind viele Verbrechen der dritten RAF-Generation nicht aufgeklärt.
Ende und Nachleben
Fast 28 Jahre nach ihrer Gründung erklärt die RAF 1998 in einem letzten Schreiben ihre Auflösung. Mehr als 30 Morde werden ihnen zugeordnet, teils gelten sie als nicht aufgeklärt. Dazu kommen Entführungen, Geiselnahmen und Bombenanschläge. Etliche RAF-Mitglieder wurden zu lebenslangen Haftstrafen verurteilt, zwei Dutzend wurden getötet oder nahmen sich selbst das Leben.
Als die Bundesrepublik weltweit nach RAF-Terroristen fahndet, ermöglicht die DDR-Staatssicherheit zehn von ihnen ein bürgerliches Leben mit falschen Identitäten im Osten Deutschlands. Erst nach dem Mauerfall 1989 werden einige von ihnen enttarnt. Auch später noch fahnden die Behörden nach weiteren früheren RAF-Terroristen unter anderem wegen Raubüberfällen, die sie für ihren Lebensunterhalt verüben. Nach der Festnahme Daniela Klettes am Montag sind das noch Burkhard Garweg und Ernst-Volker Staub, die der dritten Generation zugeordnet werden.
Frühere Terroristen sind nach Verbüßung ihrer Haftstrafe oder nach Begnadigungen auch wieder aus dem Gefängnis entlassen worden, darunter Birgit Hogefeld, Mohnhaupt und Christian Klar.
Von Sebastian Fischer, dpa
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