Die Inschrift «Jedem das Seine» im Lagertor der Gedenkstätte Buchenwald.
Martin Schutt/dpa
Die Inschrift «Jedem das Seine» im Lagertor der Gedenkstätte Buchenwald.
Nationalsozialismus

Buchenwald: Kleiner Lampenschirm doch aus Menschenhaut

Geschichtsrevisionisten bezweifeln, dass die SS im KZ Buchenwald aus menschlicher Haut Gegenstände fertigen ließ. Die Gedenkstättenstiftung hat deshalb einige dieser Exponate untersuchen lassen.

Eines der berüchtigtsten Exponate in der Sammlung der Gedenkstätte Buchenwald zeugt nach neuesten Forschungsergebnissen doch vom Ausmaß der Menschenverachtung der nationalsozialistischen Täter: Der sogenannte Kleine Lampenschirm sei eindeutig aus Menschenhaut gemacht worden, sagte der Kriminalbiologe Mark Benecke in Weimar.

Das Material des Lampenschirms weise unter anderem Muster auf, die «nur menschlich sein können». Wie ein Gutachten aus dem Jahr 1992 zu dem Schluss gekommen sei, dieser Lampenschirm sei aus Kunststoff gefertigt worden, «das erschließt sich gar nicht». Es gebe in diesem Gewebe Muster, die es bei Kunststoff gar nicht gebe. Benecke hatte den Schirm im Auftrag der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora untersucht.

«Offensichtlich ein Buchenwalder Spezifikum»

Der Lampenschirm ist eines der bekanntesten Objekte in den Beständen der Gedenkstätte - mittlerweile wird er aber nicht mehr öffentlich gezeigt. Er war schon in der ersten Dauerausstellung in der Gedenkstätte zu sehen, die 1954 eröffnet hatte. Nach 1990 wurde er unter anderem aus ethischen Gründen aus der Dauerausstellung entfernt. Kurze Zeit später hatte ein Gutachten angezweifelt, dass er aus Menschenhaut hergestellt worden war.

Nach Angaben des Direktors der Stiftung, Jens-Christian Wagner, fragen Besucher der Gedenkstätte heute noch immer nach diesem Objekt. Dass im Konzentrationslager Buchenwald aus der Haut von Menschen Lampenschirme und andere von den Nationalsozialisten sogenannte «Geschenkartikel» hergestellt worden seien, zeige, «dass die SS komplett dehumanisiert war», sagte Wagner. In keinem anderen deutschen Konzentrationslager seien derartige Gegenstände hergestellt worden. «Das ist offensichtlich ein Buchenwalder Spezifikum.»

Neue Untersuchungen mit moderneren Methoden

Welche Gegenstände in Buchenwald genau, wann und unter welchen Umständen aus menschlichen Überresten hergestellt wurden, ist bis heute nicht in jedem Einzelfall geklärt. Diese Unklarheiten seien für Geschichtsrevisionisten vor allem in den sozialen Netzwerken immer wieder ein Anlass, um zu behaupten, derlei nationalsozialistische Verbrechen habe es in dem Konzentrationslager, in dem zwischen 1937 und 1945 etwa 56.000 Menschen ermordet wurden, nicht gegeben, sagte Wagner. Die Stiftung habe sich deshalb entschlossen, mehrere der Objekte, die tatsächlich oder mutmaßlich als «human remains» (Deutsch: menschliche Überreste) bezeichnet werden, erneut durch Benecke untersuchen zu lassen.

Benecke sagte, bei seinen Untersuchungen habe er auch mit Laboren im Ausland zusammengearbeitet, die nicht gewusst hätten, woher die Proben stammen, die sie begutachtet hätten. Dass die Ergebnisse von Gutachten aus der Vergangenheit durch neue Forschungen revidiert würden, habe vor allem mit moderneren Methoden zu tun.

Exponat aus Großbritannien Teil eines menschenverachtenden Relikts?

Nach Angaben von Wagner hat die Stiftung im vergangenen Jahr aus Großbritannien ein weiteres Exponat erhalten, das zu einem ebenfalls besonders berüchtigten Teil der Geschichte des Konzentrationslagers gehören könnte: ein möglicherweise menschliches Stück Haut, das nach seiner Form zum sogenannten Großen Lampenschirm von Buchenwald gehören könnte. Von diesem Lampenschirm, der komplett aus Menschenhaut bestehen soll, existieren bei der Stiftung bislang nur wenige Fotografien. Eine davon zeigt diesen Lampenschirm auf einem Schreibtisch im Dienstzimmer des damaligen KZ-Kommandanten Hermann Pister.

«Ganz offensichtlich ist dieser Lampenschirm gefleddert worden», sagte Wagner. Die Wahrscheinlichkeit, dass einzelne Teile dieses Schirms nach Ende des Zweiten Weltkriegs deshalb rund um den Globus verteilt seien, sei groß.

Ob es sich bei dem kürzlich an die Gedenkstätte übergebenen mutmaßlichen Hautstück wirklich um menschliche Überreste handelt, soll nun Benecke klären. Auch zu weiteren «human remains» aus dem Bestand der Gedenkstätte arbeitet er noch an Gutachten.

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