Ein palästinensischer Demonstrant verbrennt ein Bild von US-Außenminister Blinken. Blinken ist zurzeit in Nahost, um Gespräche über eine Waffenruhe und die Freilassung weiterer Geiseln zu führen.
Nasser Nasser/AP/dpa
Ein palästinensischer Demonstrant verbrennt ein Bild von US-Außenminister Blinken. Blinken ist zurzeit in Nahost, um Gespräche über eine Waffenruhe und die Freilassung weiterer Geiseln zu führen.
Krieg in Nahost

Blinken mahnt Israel zu Menschlichkeit

Angesichts des Elends im Gazastreifen treten die Differenzen zwischen Israel und seinem wichtigsten Verbündeten USA immer mehr zutage. Und Netanjahu weist Forderungen der Hamas zurück. Der Überblick.

Vier Monate nach dem Terrorangriff der islamistischen Hamas auf Israel hat US-Außenminister Antony Blinken mit deutlichen Worten eine Mäßigung beim israelischen Militäreinsatz im Gazastreifen gefordert. Die Entmenschlichung, die Israel bei dem Massaker der Hamas am 7. Oktober erlebt habe, könne «kein Freibrief» sein, um selbst andere zu entmenschlichen, sagte er am Mittwoch nach Gesprächen in Jerusalem vor Journalisten in Tel Aviv.

Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hingegen bekräftigte die harte Linie seiner Regierung. Es sei nötig, weiter militärischen Druck auf die Hamas auszuüben, um die in den Gazastreifen verschleppten Geiseln freizubekommen, sagte er. Es gebe keine Alternative zu einem militärischen Zusammenbruch der militanten Palästinenserorganisation. Der Gaza-Krieg könne in wenigen Monaten gewonnen werden, zeigte sich der Regierungschef überzeugt.

Angesichts des Leids der Zivilbevölkerung im Gazastreifen wegen der israelischen Militäroffensive rief Blinken die Regierung in Tel Aviv dazu auf, mehr humanitäre Hilfe zuzulassen. Die überwältigende Mehrheit der Menschen in dem Küstengebiet habe nichts mit dem Angriff der Hamas zu tun gehabt, sagte er. «Wir können und dürfen unsere gemeinsame Menschlichkeit nicht aus den Augen verlieren», mahnte er.

Terroristen hatten am 7. Oktober im Auftrag der Hamas ein verheerendes Massaker an Hunderten Zivilisten in Israel angerichtet. Seitdem führt Israel Krieg gegen die Hamas im Gazastreifen. Bei dem Überfall auf Israel waren damals auch mehr als 200 Menschen als Geiseln genommen und in den Gazastreifen verschleppt worden. Einige davon wurden inzwischen freigelassen.

Seit Kriegsbeginn wurden nach Angaben der Hamas-Gesundheitsbehörde mehr als 27.800 Menschen getötet, Zehntausende weitere wurden demnach verletzt oder werden unter Trümmern vermisst. Die Angaben sind unabhängig faktisch nicht zu überprüfen. Die hohe Zahl ziviler Opfer im Gaza-Krieg und die humanitäre Katastrophe für die palästinensische Zivilbevölkerung durch den Konflikt haben international Kritik am Vorgehen Israels ausgelöst.

Netanjahu kritisiert Forderungen der Hamas für Geisel-Deal

Israels Regierungschef Netanjahu wies die von der Hamas im Gegenzug für einen möglichen neuen Geisel-Deal aufgestellten Forderungen vehement zurück. Die gestellten Bedingungen würden absehbar zu einem weiteren Massaker führen, sagte er. Die Palästinenserorganisation hatte zuvor auf einen internationalen Vermittlungsvorschlag geantwortet und im Gegenzug für eine weitere Freilassung von Geiseln gefordert, dass Israel mehr als 1500 palästinensische Häftlinge aus Gefängnissen entlässt - unter ihnen 500 Häftlinge, die zu lebenslangen oder sehr langen Haftstrafen verurteilt wurden.

Die Hamas forderte darüber hinaus einen vollständigen und umfassenden Waffenstillstand, eine Beendigung der Blockade des Gazastreifens und den Wiederaufbau des vom Krieg zerstörten Küstengebiets. Israel lehnt dies ab.

Blinken sieht Chancen auf Deal zwischen Israel und Hamas

US-Außenminister Blinken hingegen sieht Chancen auf einen möglichen Deal zwischen Israel und der Hamas. Die Reaktion der Hamas auf den internationalen Vermittlungsvorschlag enthalte zwar einige «Rohrkrepierer», sagte Blinken. «Aber wir sehen in dem, was zurückkam, auch Raum, um die Verhandlungen fortzusetzen und zu sehen, ob wir zu einer Einigung kommen können», betonte er. «Und wir glauben, dass wir ihn nutzen sollten.»

Ehemalige Hamas-Geiseln kritisieren Regierungskurs

Mehrere ehemalige Geiseln kritisierten derweil den Kurs der israelischen Regierung. Der Preis, um die noch im Gazastreifen festgehaltenen Menschen zu befreien, sei hoch, räumte eine Frau nach Angaben der Zeitung «Times of Israel» bei einer Pressekonferenz ein. «Aber wenn wir es nicht tun, wird es Israel für immer beschmutzen.»

Wenn die Geiseln nicht nach Hause kämen, werde jeder wissen, «dass wir in einem Land leben, das sich keine Sorgen um unsere Sicherheit macht, das seine Bürger nicht schützt», sagte eine andere freigelassene Frau. Alles liege in Netanjahus Händen, erklärte dem Bericht zufolge eine weitere ehemalige Geisel. Sie habe große Angst, dass es keine Verschleppten mehr zu befreien geben werde, sollte der Ministerpräsident seinen Weg fortsetzen.

Guterres warnt Israel vor Militäroffensive im Süden Gazas

UN-Generalsekretär António Guterres warnte Israel vor einer Militäroffensive im südlichen Gazastreifen. «Ich bin besonders beunruhigt über Berichte, dass das israelische Militär beabsichtigt, sich als Nächstes auf Rafah zu konzentrieren - wo Hunderttausende Palästinenser auf der verzweifelten Suche nach Sicherheit unter Druck geraten», sagte Guterres vor der UN-Vollversammlung in New York.

Eine solche Aktion würde das, «was bereits ein humanitärer Albtraum mit ungeahnten regionalen Folgen ist, exponentiell verstärken». Netanjahu hatte zuvor gesagt, er habe die politische Führung der Armee angewiesen, sich auf einen Kampf in Rafah vorzubereiten.

Norwegen überweist UNRWA rund 24 Millionen Euro

Nach Spanien greift auch Norwegen dem in die Kritik geratenen UN-Hilfswerk für palästinensische Flüchtlinge im Nahen Osten (UNRWA) finanziell unter die Arme. Das Hilfswerk sei das Rückgrat aller humanitären Bemühungen im Gazastreifen, teilte der norwegische Außenminister Espen Barth Eide während einer Reise nach Washington mit.

Norwegen überweise daher 275 Millionen norwegische Kronen für die Arbeit der Organisation für palästinensische Flüchtlinge. Umgerechnet entspricht diese Summe rund 24 Millionen Euro. Spanien hatte Anfang der Woche angekündigt, das Hilfswerk mit einer Sonderzahlung in Höhe von 3,5 Millionen Euro zu unterstützen. 

EU-Militäroperation im Roten Meer soll in Kürze beginnen

Die Planungen für den EU-Militäreinsatz zur Sicherung der Handelsschifffahrt im Roten Meer stehen kurz vor dem Abschluss. Wie die Deutschen Presse-Agentur aus dem Rat der Mitgliedstaaten erfuhr, soll der Grundsatzbeschluss für die Einrichtung der Operation Aspides im Idealfall bereits heute im schriftlichen Verfahren gefasst werden. Der anschließend noch notwendige Beschluss zum Start des Einsatzes würde dann aller Voraussicht beim nächsten EU-Außenministertreffen am 19. Februar gefasst werden.

Irak verurteilt tödlichen US-Drohnenangriff im Land

Der Irak bezeichnet indes die Tötung des Kommandeurs einer proiranischen Miliz bei einem US-Drohnenangriff im Land verurteilt und die Präsenz der US-geführten Koalition als «Faktor für Instabilität».

«Dieser Kurs zwingt die irakische Regierung mehr als jemals zuvor, den Einsatz dieser Koalition zu beenden», teilte der Sprecher der irakischen Streitkräfte, Jahja Rasul, mit. Es bestehe die Gefahr, dass der Irak in den «Zyklus des Konflikts» gezogen werde.

Das US-Militär hatte rund anderthalb Wochen nach dem tödlichen Angriff auf US-Soldaten in Jordanien erneut mit einem Gegenschlag im Irak reagiert. Dabei wurde Abu Bakir al-Saadi getötet, Kommandeur der proiranischen Miliz Kataib Hisbollah. Nach US-Angaben war er für die «direkte Planung und Beteiligung an Angriffen auf US-Streitkräfte in der Region verantwortlich».

Beschuss aus dem Libanon

Bei Angriffen aus dem Libanon auf den Norden Israels wurde zudem nach Militärangaben ein israelischer Soldat schwer verletzt. Zwei weitere Soldaten hätten Verletzungen erlitten, teilte die Armee mit.

Als Reaktion auf die Angriffe hätten Kampfjets der israelischen Armee militärische Einrichtungen der libanesischen Schiitenmiliz Hisbollah im Süden des Libanons angegriffen. Von dort aus sei zuvor die israelische Grenzstadt Kiriat Schmona beschossen worden.

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