US-Außenminister Antony Blinken und der britische Außenminister David Lammy sind zu Gesprächen in die ukrainische Hauptstadt Kiew gereist.
Mark Schiefelbein/AP/dpa
US-Außenminister Antony Blinken und der britische Außenminister David Lammy sind zu Gesprächen in die ukrainische Hauptstadt Kiew gereist.
Ukraine-Krieg

Blinken besucht Kiew - Ukraine hofft auf Weitschusserlaubnis

US-Außenminister Blinken und sein britischer Kollege Lammy sind in Kiew. Angekündigt ist ein Gipfel der Krim-Plattform, doch wichtigstes Thema sind weitreichende Waffen für die Ukraine.

US-Außenminister Antony Blinken und sein britischer Amtskollege David Lammy sind zu Gesprächen in Kiew eingetroffen - auch über die Aufhebung von Waffenbeschränkungen für die Ukraine. Örtliche Medien zeigten die beiden gemeinsam bei der Ankunft auf dem Bahnhof der ukrainischen Hauptstadt. Kiew fordert seit langem, US-amerikanische und britische Waffen auch gegen Ziele auf russischem Territorium einsetzen zu dürfen. Blinken und Lammy sollen darüber unter anderem mit Präsident Wolodymyr Selenskyj und dem neuen Außenminister Andrij Sybiha reden.

Am Vormittag traf Lammy zunächst den ukrainischen Regierungschef Denys Schmyhal. «Ich habe betont, dass wir die Erlaubnis Großbritanniens zu Schlägen mit weitreichenden Waffen auf militärische Ziele auf dem Territorium unseres Feindes (Russland) erwarten», schrieb Schmyhal nach der Begegnung auf Telegram. Thema sei auch eine Stärkung der ukrainischen Flugabwehr gewesen. Der Ukrainer dankte London zudem für die bereits gewährte Hilfe. Später wurden Blinken und Lammy gemeinsam von Sybiha in Empfang genommen.

Krim-Plattform Teil des Besuchsprogramms

Die beiden ranghohen Politiker werden auch als Gäste beim Gipfeltreffen der sogenannten Krim-Plattform erwartet. Zu dem Treffen reisten zudem der litauische Präsident Gitanas Nauseda, Kroatiens Ministerpräsident Andrej Plenkovic, Lettlands Regierungschefin Evika Silina und der Präsident des tschechischen Senats, Milos Vystrcil, nach Kiew. 

Im Vorprogramm des Gipfels weihte Selenskyj ein Mahnmal für den Genozid am krimtatarischen Volk ein. Dabei erinnerte der Staatschef an die Deportation der Krimtataren im Jahre 1944 durch die Sowjetunion, aber auch an die russische Annexion der Schwarzmeer-Halbinsel Krim im Jahre 2014. «Und als Symbol dessen, dass Tyrannen und Diktatoren unvermeidlich verlieren, eröffnen wir dieses Denkmal zu der Zeit, wenn sich die Geschichte wiederholt, in der die Krim erneut zum Schlachtfeld für Freiheit, Würde und für das Recht zu leben wird», sagte Selenskyj.

Mit der 2021 geschaffenen Krim-Plattform wollte Kiew international mehr Aufmerksamkeit für die Lage rund um die annektierte Halbinsel wecken. Obwohl die Ukraine seit der großangelegten russischen Invasion noch größere Gebiete verloren hat, besteht Kiew weiterhin auf der Rückgabe der Krim, wie Selenskyj bei der Einweihung des Denkmals betonte.

Raketen sollen helfen, Lufthoheit zu überwinden

Militärisch ist die Lage für Kiew weiter schwierig, speziell im ostukrainischen Gebiet Donezk, wo russische Truppen immer weiter vorrücken. Dies ist zum Teil auch der anhaltenden Lufthoheit Russlands geschuldet. Russische Bomber und Kampfjets können aus großer Entfernung ukrainische Stellungen, aber auch Städte und wichtige Infrastrukturobjekte insbesondere zur Energieversorgung angreifen. Die Ukraine verfügt nicht über genügend Flugabwehrwaffen, um alle Angriffe abfangen zu können.

Daher drängt Kiew darauf, die russische Luftwaffe schon auf eigenem Gebiet bekämpfen zu dürfen. Das geht effizient nur mit den US-amerikanischen und britischen Raketen.

Kreml geht von US-Erlaubnis zu Raketenschlägen für Kiew aus

Der Kreml geht davon aus, dass der Ukraine dieser Einsatz gegen russisches Gebiet erlaubt wird. «Höchstwahrscheinlich sind all diese Entscheidungen schon gefallen», sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow russischen Agenturen zufolge angesichts von Medienberichten über Diskussionen zu diesem Thema zwischen den USA, Großbritannien und der Ukraine und dem gleichzeitigen Besuch von Blinken und Lammy in Kiew.

Peskow fügte hinzu, derzeit werde in den Medien Stimmung für den angeblich bereits gefallenen Entschluss gemacht. Nach Darstellung Peskows verstrickt sich der Westen so immer tiefer in den Konflikt. Er kündigte eine entsprechende Reaktion Moskaus an. Details nannte er nicht. Stattdessen betonte er einmal mehr die Notwendigkeit des in Moskau nur «militärische Spezialoperation» genannten Kriegs.

Moskau setzt in Kursk zum Konter an

In diesem hat Moskaus Militär nach eigenen Angaben im westrussischen Gebiet Kursk eine Gegenoffensive zur Vertreibung der dort eingedrungenen ukrainischen Truppen begonnen. «Die ukrainischen Streitkräfte sind aus beinahe zehn Ortschaften vertrieben worden», schrieb der Kommandeur der tschetschenischen Spezialeinheit Achmat, Generalmajor Apti Alaudinow, in seinem Telegram-Kanal.

Dazu leitete er ein Video weiter, das die Gefangennahme von acht ukrainischen Soldaten in der Region zeigen soll. Unabhängig lassen sich die Angaben nicht überprüfen. Alaudinow ist auch Vizechef der politischen Hauptverwaltung der russischen Streitkräfte.

Die Ukraine war Anfang August überraschend in das Gebiet Kursk vorgestoßen. Im Zuge dieser Offensive hatte Kiew mehr als 1000 Quadratkilometer erobert und viele russische Soldaten gefangen genommen. Ziel des Vorstoßes war es, Moskau zumindest zum teilweisen Abzug von Soldaten aus dem ostukrainischen Gebiet Donezk zu zwingen, um die Region Kursk zu decken.

Dieses Kalkül ist nach Ansicht von Militärbeobachtern nicht aufgegangen. Die russische Militärführung hat zwar einige Einheiten aus der Ukraine zum Schutz von Kursk abgezogen, aber ihre Hauptangriffsachse dabei nicht geschwächt.

Putin will bislang nicht verhandeln

Kremlchef Wladimir Putin, der vor mehr als zweieinhalb Jahren den Befehl zum Angriffskrieg gegen die Ukraine gegeben hatte, bezeichnete die ukrainische Gegenoffensive, die erstmals russisches Territorium zum Kriegsgebiet macht, als Provokation. Die Angreifer würden auf jeden Fall vertrieben, kündigte er an. Vorherige Verhandlungen zur Beendigung des Kriegs lehnte er ab. Der jetzige russische Gegenangriff ist der erste ernsthafte Versuch Moskaus, die ukrainischen Truppen aus Kursk zu verdrängen.

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