Der Internationale Gerichtshof in Den Haag erklärt die israelische Besatzung palästinensischer Gebiete für illegal.
Phil Nijhuis/AP/dpa
Der Internationale Gerichtshof in Den Haag erklärt die israelische Besatzung palästinensischer Gebiete für illegal.
Lage im Überblick

Besatzung illegal - UN-Gericht bringt Israel in Misskredit

Die Haager Richter beziehen klar Stellung zu Siedlungsbau und Okkupation. Israel wird ihr Gutachten ignorieren. Mit gewissen Konsequenzen wird es aber leben müssen.

Ein Rechtsgutachten des obersten UN-Gerichts verursacht dem Staat Israel, der an mehreren Fronten in kriegerische Auseinandersetzungen verwickelt ist, zusätzliche Probleme mit unabsehbaren Folgen. Die Besatzung der palästinensischen Gebiete sei illegal und müsse so schnell wie möglich beendet werden, stellte der Internationale Gerichtshof (IGH) in Den Haag fest. 

UN-Generalsekretär António Guterres wolle das Gutachten unverzüglich an die UN-Vollversammlung weiterleiten, die dann über das weitere Vorgehen entscheiden müsse, sagte einer seiner Sprecher in New York. 

Israel hatte das Westjordanland, den Gazastreifen und Ost-Jerusalem im Sechstagekrieg von 1967 erobert und besetzt. Die Palästinenser beanspruchen diese Gebiete für einen eigenen Staat, der an der Seite Israels entstehen sollte und den die meisten Länder der Welt, so auch Deutschland, bis heute befürworten. 2005 hatte Israel Gaza wieder verlassen, aber kontrolliert weiter die Grenzen zu Land, Wasser und in der Luft.

Gutachten: Israel soll Besatzung so schnell wie möglich beenden

«Die anhaltende Anwesenheit des Staates Israel in den besetzten palästinensischen Gebieten ist unrechtmäßig», sagte Gerichtspräsident Nawaf Salam. «Der Staat Israel steht in der Pflicht, seine unrechtmäßige Anwesenheit in den besetzten palästinensischen Gebieten so schnell wie möglich zu beenden», heißt es in einer Zusammenfassung des rechtlich nicht bindenden Rechtsgutachtens, die das Gericht am Freitag veröffentlichte.

Weiterhin sei Israel verpflichtet, neue Siedleraktivitäten in den palästinensischen Gebieten unverzüglich zu stoppen und die rund 700.000 Siedler aus den Gebieten wegzubringen. Die Staaten der Welt dürften keine Handlungen unterstützen, die zur Aufrechterhaltung der «illegalen Anwesenheit» Israels in den besetzten Gebieten beitragen oder die Siedleraktivitäten unterstützen. 

Netanjahu spricht von «Fehlentscheidung», Abbas von «Triumph der Justiz»

Israel reagierte empört auf das Gutachten: Ministerpräsident Benjamin Netanjahu schrieb auf X: «Das jüdische Volk ist kein Besatzer in seinem eigenen Land. Keine Fehlentscheidung in Den Haag wird die historische Wahrheit verfälschen, sowie die Rechtmäßigkeit der israelischen Siedlungen auf dem gesamten Gebiet unserer Heimat nicht angefochten werden kann.» 

Palästinenserpräsident Mahmud Abbas begrüßte dagegen das Gutachten. Dieses sei «ein Triumph der Justiz, eine Bestätigung dafür, dass die israelische Besatzung illegal ist». Abbas fordert die internationale Gemeinschaft dazu auf, «die Besatzungsmacht Israel dazu zu bringen, dass sie ihre Besatzung und ihr koloniales Projekt vollständig und unverzüglich beendet, ohne Bedingungen und Ausnahmen». Das teilte das Präsidentschaftsamt in Ramallah mit. Die islamistische Hamas im Gazastreifen lobte das Dokument, das «das faschistische System des Siedlungsbaus entlarvt» habe.

Faktische Annexion weiter Gebiete vollzogen

Das Gutachten verweist darauf, dass Israel durch den Siedlungsbau und diverse Verwaltungsakte eine faktische Annexion weiter Gebiete vollzogen habe. Es setzt sich auch mit den diskriminierenden und entwürdigenden Folgen der Besatzung für die palästinensische Bevölkerung auseinander. Gewalt der Siedler gegen palästinensische Bürger werde von Israel nicht verfolgt und nicht bestraft. Palästinenser würden gezwungen, von ihnen bewirtschaftetes Land zu verlassen. Zudem werde ihnen der Zugang zu Wasser verwehrt.

In den zahlreichen Einschränkungen der Bürgerrechte von Palästinensern in den besetzten Gebieten, in ihrer Ungleichbehandlung im Vergleich zu den jüdischen Siedlern, sieht das Dokument Verstöße gegen den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte sowie gegen die Internationale Konvention gegen Rassismus. 

Gutachten könnte hohe Sprengkraft haben.

Obwohl es rechtlich nicht bindend ist, hat das Rechtsgutachten möglicherweise hohe Sprengkraft. Denn es wird erwartet, dass der internationale Druck auf Israel weiter steigt, die Angriffe im Gazastreifen zu beenden. Das Gutachten dürfte auch die propalästinensische Protestbewegung weltweit befeuern. 

Die rechtlich nicht bindenden Gutachten des IGH würden als «äußerst gültige Darstellungen des internationalen Rechts, wie es ist, wahrgenommen», sagte der Rechtsprofessor Eliav Leiblich von der Universität Tel Aviv dem US-Fernsehsender CNN. Zivilorganisationen könnten etwa die Angelegenheit vor nationale Gerichte bringen und verlangen, dass diese den Export von Waffen untersagen, die in den besetzten Gebieten zum Einsatz gelangen könnten. 

Drohnenangriff aus dem Nichts 

Indes herrscht in Israel Bestürzung darüber, dass eine von den Huthi-Milizen im Jemen auf den Weg gebrachte Kampfdrohne unentdeckt die Küstenmetropole Tel Aviv erreichen konnte. Das sprengstoffbeladene Geschoss explodierte in der Nacht zum Freitag unweit des dicht bebauten Mittelmeerufers und tötete einen 50 Jahre alten Mann in seinem Quartier. Zehn weitere Menschen erlitten Verletzungen, wie Rettungsdienste mitteilten. Die Huthi-Miliz im Jemen bekannte sich zu dem Angriff. 

Das Geschoss schlug unweit der Tel Aviver Dependance der US-Botschaft ein. Die US-Botschaft befindet sich seit 2018 in Jerusalem. Das israelische Militär geht davon aus, dass das Tel Aviver Botschaftsgebäude nicht gezielt angegriffen wurde, sondern dass die Drohne es eher zufällig überflog. 

Armeesprecher Daniel Hagari sagte, dass es sich bei der fliegenden Waffe um eine Drohne des iranischen Typs Samad-3 gehandelt habe, die für lange Flugstrecken modifiziert wurde. Nach israelischer Einschätzung flog sie etwa 2000 Kilometer, überquerte vom Roten Meer kommend die ägyptische Halbinsel Sinai und schwenkte über dem Mittelmeer auf einen Kurs Richtung Tel Aviv ein. 

Bewohner in der Stadt hörten kurz nach 3.00 Uhr morgens (Ortszeit) einen lauten Knall und wenig später die Sirenen der Rettungsfahrzeuge. Der sonst übliche Luftalarm war ausgeblieben. Die Armee sprach von menschlichem Versagen. Der Botschafter Israels bei den Vereinten Nationen, Gilad Erdan, rief Medienberichten zufolge den UN-Sicherheitsrat dazu auf, den Huthi-Angriff zu verurteilen und Maßnahmen zu ergreifen, bevor es zu einer weiteren Eskalation der Lage in der Region kommen könne.

Die vom Iran unterstützten und bewaffneten Huthi greifen seit Ausbruch des Gaza-Kriegs im vergangenen Oktober immer wieder die Seefahrt im Roten Meer an. Auch schossen sie gelegentlich Raketen auf den Süden Israels ab, die aber bislang stets abgefangen wurden oder über freiem Gelände niedergingen. 

Schlagabtausch im Norden

Die Schiiten-Miliz Hisbollah verstärkte ihren Beschuss von Gebieten im Norden Israels. Das Militär habe 65 Geschosse identifiziert, die aus dem Libanon kommend in israelisches Territorium eindrangen, teilte die Armee auf ihrem Telegram-Kanal mit. Ein Teil der Geschosse wurde von der israelischen Luftabwehr abgefangen, der Rest schlug in unbewohntem Gelände ein. Personen seien demnach nicht verletzt oder getötet worden. Die Armee habe im Gegenzug die Abschussrampen und Waffenlager der Hisbollah im Südlibanon angegriffen. 

Die Hisbollah bestätigte ihre Angriffe und bezeichnete sie als Vergeltung für israelische Bombardements am Vortag, bei denen in der östlichen Bekaa-Ebene sowie im Südlibanon zwei ranghohe Kämpfer getötet worden waren - ein Hisbollah-Mann und ein im Libanon tätiger Kader der palästinensischen Hamas, die mit der Hisbollah verbündet ist. 

Israel und die libanesische Hisbollah-Miliz liefern sich seit dem Beginn des Gaza-Kriegs nahezu täglich Gefechte. Auf beiden Seiten gab es Tote. Die vom Iran unterstützte Hisbollah handelt nach eigenen Aussagen aus Solidarität mit der Hamas, die auch im Libanon aktiv ist. Seit langem wird befürchtet, dass sich der Konflikt regional ausweiten könnte.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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