Vor zwei Wochen flog die Verordnung zur Festlegung der Beitragsbemessungsgrenze für die Sozialversicherungsbeiträge kurzfristig von der Liste der Vorhaben, die im Bundeskabinett beraten werden. Jetzt hofft das Ministerium von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD), dass über die für Arbeitnehmer und Träger der Sozialversicherung wichtige Verordnung bei der nächsten Kabinettssitzung am Mittwoch kommender Woche entschieden wird. Sicher ist aber auch das nicht.
«Wir streben eine Kabinettsbefassung am 6. November an», sagte eine Sprecherin des Bundesarbeitsministeriums der Deutschen Presse-Agentur. Das Haus von Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP), der hier zuletzt auf der Bremse gestanden hatte, teilte auf Anfrage lediglich mit, man äußere sich nicht zu Kabinettsterminen anderer Ressorts.
Die Deutsche Rentenversicherung sieht noch keinen Grund für Alarmismus. Um die Bearbeitung von Renten mit Rentenbeginn ab Januar sicherzustellen, habe man auf Basis des vorliegenden Entwurfs bereits vorbereitende Arbeiten durchgeführt, teilt eine Sprecherin auf Anfrage mit.
Gutverdiener sollen stärker zur Kasse gebeten werden
Nach den Plänen von Heil sollen in den Sozialversicherungen künftig auch bei höheren Monatseinkommen Beiträge fällig werden. Genauer gesagt: in der gesetzlichen Rentenversicherung bis zu einem Monatseinkommen von 8.050 Euro und in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung bis zu einer Grenze von 5.512,50 Euro monatlich. Aktuell liegen die Grenzwerte deutlich niedriger. Wer mehr verdient, zahlt auf das darüber liegende Einkommen keine Beiträge. Am 1. Januar soll die neue Verordnung in Kraft treten, die Bezieher höherer Einkommen stärker belasten würde.
In der Ampel gibt es seit längerem Streit darüber, bis zu welcher Einkommenshöhe künftig Beiträge für die Kranken- und Sozialversicherung fällig werden und über höhere Freibeträge bei der Steuer zur Einkommensentlastung. Die FDP setzt sich für letzteres in der Koalition ein und wirft den Grünen hier eine Blockade vor. Die Grünen halten ihrerseits der FDP vor, die Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze zu blockieren.
Beitragsbemessungsgrenze wird mit Steuerfragen verknüpft
Mitte Oktober hatte Lindner «Bild» gesagt: «Solange keine Klarheit besteht, dass wir die Steuerzahler von der kalten Progression befreien, kann es keine Anpassung der Bemessungsgrenze bei den Sozialbeiträgen geben.» Laut «Handelsblatt» soll in seinem Ministerium zudem überlegt werden, ob nicht vielleicht die Systematik geändert werden sollte, die der Berechnung der Grenze für das jeweils folgende Jahr zugrunde liegt.
Nach Informationen der Zeitung heißt es in einem Vermerk des Finanzministeriums, die Berechnungsmethoden bei der Steuer und der Sozialversicherung könnten angeglichen werden. Die «Fortschreibungssysteme» für den Ausgleich der kalten Progression und für die Anpassung der Beitragsbemessungsgrenzen müssten «konsistent zueinander ausgerichtet werden». Und: «Äquivalent dazu wären auch die Bemessungsgrenzen mit der Inflationsrate fortzuschreiben.»
Der rentenpolitische Sprecher der Gruppe Die Linke, Matthias Birkwald, hat schon vor Wochen nachgehakt. Er wollte vom Finanzministerium wissen, ob dort «konkrete Pläne zur Änderung der Bemessungsgrundlagen der Sozialversicherungsrechenwerte» vorlägen und wie sich die Verzögerung bei der Verabschiedung der Verordnung auf die Einnahmen der
Rentenversicherung und die Rentenanpassung 2025 auswirken könnten. Seine schriftlichen Fragen hat das Ministerium innerhalb des vorgesehenen zeitlichen Rahmens nicht beantwortet, sondern dafür mehrfach um Fristverlängerung gebeten.
Der Sozialverband Deutschland wirft der FDP vor, sie betreibe «Klientelpolitik» zulasten der breiten Bevölkerung. «Christian Lindner fällt wieder einmal negativ auf und versucht, die Anpassung der Beitragsbemessungsgrenze zu blockieren», kritisiert die Vorstandsvorsitzende, Michaela Engelmeier. Die Sozialversicherungssysteme stünden vor steigenden Kosten, wenn die Grenzen nicht angepasst würden, wären es vor allem Menschen mit kleinen und mittleren Einkommen, die unter einer höheren Beitragslast zu leiden hätten.
© dpa-infocom, dpa:241030-930-274073/3
Copyright 2024, dpa (www.dpa.de). Alle Rechte vorbehalten