Seit Tagen greift das israelische Militär massiv im Libanon an. (Archivbild)
Ilia Yefimovich/dpa
Seit Tagen greift das israelische Militär massiv im Libanon an. (Archivbild)
Nahost-Konflikt

«Begrenzte Operationen» Israels - Sorge vor Bodenoffensive

Die Sorge vor einem Einmarsch der israelischen Armee in den Libanon wächst. Auf Nachfrage von Journalisten hält sich US-Präsident Biden bedeckt. Die Hisbollah gibt sich kampfbereit.

Israel hat Washington nach Angaben der US-Regierung über begrenzte Einsätze des Militärs an der libanesischen Grenze informiert. Israel habe mitgeteilt, dass es sich dabei um «begrenzte Operationen» handele, die sich auf «die Infrastruktur der Hisbollah in der Nähe der Grenze» konzentrierten, sagte der Sprecher des US-Außenministeriums, Matthew Miller. Zu Details wollte er sich nicht äußern. Ob damit erste kleinere und begrenzte Bodeneinsätze auf der libanesischen Seite der Grenze gemeint waren, wie manche Medien dies interpretierten, war nicht klar.

US-Medienberichten zufolge plant Israel eine begrenzte Bodenoffensive im Libanon. Diese könnte bereits binnen Stunden beginnen, berichteten die «Washington Post» und der Sender CBS unter Berufung auf einen US-Regierungsbeamten. US-Präsident Joe Biden bestätigte die Berichte in einem Austausch mit Journalistinnen und Journalisten nicht direkt.

Davor hatte das «Wall Street Journal» berichtet, dass israelische Spezialkräfte bereits kleine, gezielte Vorstöße in den Süden des Libanons unternommen haben sollen. Ziel der Vorstöße sollte laut dem unbestätigten Bericht sein, eine mögliche Bodenoffensive vorzubereiten.

Libanesische Sicherheitskreise: Keine Panzer nahe der Grenze

Armeesprecher Daniel Hagari warnte auf der Plattform X davor, «unverantwortliche Gerüchte» zu verbreiten. Es gäbe zahlreiche Berichte und Gerüchte über Aktivitäten der Armee an der libanesischen Grenze. Aus Sicherheitsgründen werde darum gebeten, keine Berichte über Truppenbewegungen zu verbreiten und sich an offizielle Mitteilungen zu halten, so Hagari.

Nach Angaben aus libanesischen Sicherheitskreisen am späten Montagabend befanden sich zumindest vorerst keine israelischen Panzer nahe der gemeinsamen Grenze. Israelische Panzer hätten sich bisher nicht der sogenannten Blauen Linie - der Grenze - genähert, erfuhr die Deutsche Presse-Agentur aus Sicherheitskreisen im Libanon. 

Zugleich hieß es, es gebe schwere Angriffe des israelischen Militärs in Nähe des Litani-Flusses, der etwa 30 Kilometer nördlich der Grenze liegt. Israelische Kampfflugzeuge seien im Südlibanon zu hören gewesen.

Militär erklärt mehrere Gebiete im Norden Israels zu Sperrgebiet

Mehrere Gegenden in Nordisrael wurden am Montagabend zu militärischem Sperrgebiet erklärt. Diese Gebiete dürften nicht betreten werden, so ein Militärsprecher zur Anordnung des nördlichen Kommandos der israelischen Truppen. Es handele sich um die Gebiete bei Metula, Misgav Am und Kfar Giladi nahe der libanesischen Grenze.

Zuvor hatte ein Armeesprecher von Übungen als Teil der erhöhten Kampfbereitschaft der Truppen gesprochen. Am Nachmittag hatte Israels Verteidigungsminister Joav Galant gesagt, die nächste Phase des Kampfs gegen die Hisbollah werde bald beginnen. Am Montag trat auch das Sicherheitskabinett von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu zusammen.

Der seit bald einem Jahr andauernde Konflikt zwischen Israel und der schiitischen Hisbollah-Miliz war zuletzt eskaliert. Seit Tagen greift das israelische Militär massiv im Libanon an. Dabei wurden Hunderte Menschen getötet. Israel hatte zuvor die Rückkehr geflüchteter Israelis in ihre Heimatorte im Norden des Landes als weiteres Ziel im Gaza-Krieg erklärt. 

Auch die Hisbollah schießt seit den neu entfachten intensiven Kämpfen täglich teils Hunderte Raketen auf Israel. Die Miliz hat nach Ausbruch des Gaza-Kriegs ihre sogenannte «Solidaritätsfront» eröffnet und Tausende Raketen auf Israel abgefeuert. Sie will ihre Waffen erst niederlegen, wenn der Krieg im Gazastreifen beendet wird. 

Zehntausende Libanesen flohen aus ihren Dörfern und Städten. Viele harren in der Hauptstadt Beirut aus und schlafen angesichts fehlender Unterkünfte teils auch auf Matratzen an der Küstenpromenade der Mittelmeerstadt. Die jüngste Eskalation dürfte bei vielen der rund neun Millionen Einwohner des Landes Erinnerungen an den letzten Krieg zwischen Israel und der Hisbollah vor 18 Jahren wecken.

Israels Verteidigungsminister spielt auf Bodeneinsatz an

Israels Verteidigungsminister Joav Galant spielte am Montag auf einen möglichen Bodeneinsatz im Libanon an. Die Tötung von Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah sei ein wichtiger Schritt, «aber noch nicht alles», sagte Galant bei einem Truppen-Besuch an der Nordgrenze. «Wir werden alle unsere Fähigkeiten einsetzen.» 

Ziel sei weiterhin, die Rückkehr von 60.000 Israelis zu ermöglichen, die seit Monaten durch die Hisbollah-Angriffe aus Gebieten entlang der Grenze vertrieben sind. Man sei bereit, dafür «jede Anstrengung zu unternehmen» und Truppen in der Luft, auf See und am Boden einzusetzen.

Hisbollah zu Bodenoffensive: Wir sind bereit

Erstmals nach der Tötung Nasrallahs meldete sich die Spitze der islamistischen Miliz zu Wort und signalisierte ihre Kampfbereitschaft. «Wir wissen, dass der Kampf lang dauern könnte und sind auf alle Möglichkeiten vorbereitet», sagte der stellvertretende Hisbollah-Chef Naim Kassim in einer im Fernsehen übertragenen Rede. «Wenn Israel sich entscheidet, eine Bodenoffensive zu starten: Wir sind bereit.» Wer die Hisbollah anführen soll, sagte er nicht. 

Am Freitag hatte Israels Armee den Generalsekretär der vom Iran unterstützten Hisbollah im Süden der libanesischen Hauptstadt Beirut getötet. Auch viele weitere Führungsmitglieder wurden getötet. Dennoch setzte die Hisbollah ihre Angriffe auf Israel zuletzt fort. 

UN: Schon 100.000 vom Libanon nach Syrien geflohen

Im Libanon spitzt sich die humanitäre Notlage derweil zu. Nach UN-Angaben flohen seit Beginn der massiven israelischen Luftangriffe bereits rund 100.000 Menschen nach Syrien. 60 Prozent seien Syrer, die einst im Libanon Zuflucht gesucht hatten, 40 Prozent Libanesen, berichtete das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR in Genf.

Angesichts der sich verschärfenden Lage im Libanon hat ein Flugzeug der Luftwaffe Botschaftspersonal aus der libanesischen Hauptstadt Beirut ausgeflogen. An Bord der Bundeswehrmaschine waren nach Angaben des Auswärtigen Amtes rund 110 Passagiere. Das Flugzeug landete am Abend in Berlin auf dem Hauptstadtflughafen BER, wie eine Sprecherin des Auswärtigen Amtes bestätigte. 

Netanjahu warnt Iraner: Israel erreicht jeden Ort im Nahen Osten

Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu wandte sich derweil in einer Videobotschaft an die iranische Bevölkerung. Er betonte darin, es gebe im Nahen Osten keinen Ort, den sein Land nicht erreichen könne. «Fragt Mohammed Deif. Fragt Nasrallah», sagte er in Bezug auf die gezielt getöteten Führer von Hamas und Hisbollah. Es gebe keinen Ort, an den Israel nicht gehen würde, «um unser Volk und unser Land zu beschützen». Die Regierung in Teheran bringe die iranische Bevölkerung täglich «näher an den Abgrund».

Zugleich fand Netanjahu versöhnliche Worte an die Iraner, verbunden mit der Hoffnung auf einen Machtwechsel in Teheran: «Wenn der Iran endlich frei ist – und der Moment ist näher, als die Leute glauben -, wird alles anders sein», versicherte er. «Zwei alte Völker, das jüdische und das persische, werden endlich im Frieden sein.» 

Die Hisbollah sowie die islamistische Hamas im Gazastreifen gehören zur sogenannten «Achse des Widerstands», einem von der Führung in Teheran unterstützten Netzwerk im Kampf gegen den Erzfeind Israel.

Von den dpa-Korrespondenten
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