Ein Palästinenser rettet seine Habseligkeiten nach einem israelischen Angriff auf Rafah.
Fatima Shbair/AP/dpa
Ein Palästinenser rettet seine Habseligkeiten nach einem israelischen Angriff auf Rafah.
Krieg in Nahost

Augenzeugen: Israels Armee bombardiert Ziele in Rafah

Über eine Million Palästinenser drängen sich im äußersten Süden des Gazastreifens. Beim Sturm auf die Stadt droht eine humanitäre Katastrophe. Der Überblick.

Israels Armee hat Augenzeugen zufolge trotz internationaler Warnungen Ziele in der Stadt Rafah im Süden des Gazastreifens angegriffen. Bei Angriffen aus der Luft auf zwei Häuser sollen mehr als 20 Menschen getötet worden sein, hieß es aus medizinischen Kreisen. Auch der Bürgermeister der Stadt im Süden des Küstengebiets, Ahmed al-Sufi, bestätigte der Deutschen Presse-Agentur die Opferzahl.

Israelische Soldaten bombardierten außerdem ein Fahrzeug der Hamas und töteten dabei drei Personen, darunter den Chef des Polizeigeheimdienstes der Islamistenorganisation sowie dessen Stellvertreter, wie es am Samstag aus Polizeikreisen und von Augenzeugen hieß. Die Angaben ließen sich allesamt zunächst nicht unabhängig überprüfen. Israels Militär äußerte sich zunächst nicht konkret. Die Armee halte sich bei ihren Einsätzen an das Völkerrecht und treffe Vorkehrungen, um den Schaden für die Zivilbevölkerung gering zu halten, teilte sie auf Anfrage lediglich mit.

Augenzeugen: Bislang intensivste Angriffe auf Rafah

Es waren nicht die ersten Berichte über Angriffe auf Ziele in der Stadt nahe der Grenze zu Ägypten. In der vergangenen Wochen hatte das israelische Militär dort Augenzeugen zufolge häufiger Stellungen von Hamas-Mitgliedern attackiert. Den Angaben nach waren die Angriffe heute aber die bislang intensivsten. Rafah ist der einzige Ort im gesamten Küstenstreifen, in dem die Hamas noch die Kontrolle ausübt.

Derzeit sind in der Stadt noch keine israelischen Bodentruppen im Einsatz. Rafahs Bürgermeister Al-Sufi warnte vor einem Vorstoß der Armee in den Ort. «Jeder Militäreinsatz in der Stadt, in der mehr als 1,4 Millionen Palästinenser leben, wird zu einem Massaker und einem Blutbad führen.»

Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hatte zuvor der Armee den Befehl erteilt, eine Offensive auf Rafah vorzubereiten. In der Stadt gebe es noch immer vier verbleibende Hamas-Bataillone. Demnach soll die Militärführung die Evakuierung der Zivilisten in dem Ort planen.

Mehr als eine Million Palästinenser in Rafah

Eine Militäroffensive in Rafah gilt als hochproblematisch. In dem Ort, der vor dem Krieg rund 300.000 Einwohner hatte, sollen sich inzwischen weit mehr als eine Million Palästinenser aufhalten. Die meisten von ihnen flohen vor dem Krieg aus anderen Teilen des Gazastreifens dorthin, zum Teil auf Anordnung des israelischen Militärs.

UN-Generalsekretär António Guterres hatte bereits zuvor vor einer humanitären Katastrophe und Folgen für die gesamte Region gewarnt. Die Hälfte der Bevölkerung des Gazastreifens sei in Rafah zusammengepfercht und könne nirgendwo anders hin.

Auch Außenministerin Annalena Baebock warnte erneut eindringlich vor einer israelischen Militäroffensive im Süden des Gazastreifens und kündigte zugleich eine weitere Reise nach Israel an. «Eine Offensive der israelischen Armee auf Rafah wäre eine humanitäre Katastrophe mit Ansage», schrieb die Grünen-Politikerin auf X (vormals Twitter). «Die Menschen in Gaza können sich nicht in Luft auflösen.» Baerbock verwies darauf, dass die Not in Rafah schon jetzt unfassbar sei und dort 1,3 Millionen Menschen auf engstem Raum Schutz vor den Kämpfen im Gazastreifen suchten.

Saudi-Arabien warnte Israel entschieden vor einem Militäreinsatz. Das Königreich wies auf die schwerwiegenden Folgen einer Militäraktion in Rafah hin und betonte seine kategorische Ablehnung der Zwangsumsiedlung von Hunderttausenden Zivilisten, wie aus einer Erklärung des Außenministeriums hervorging. Riad forderte eine Dringlichkeitssitzung des UN-Sicherheitsrats, um «Israel daran zu hindern, eine drohende humanitäre Katastrophe zu verursachen».

Netanjahu geht einem israelischen Medienbericht zufolge davon aus, dass Israel aufgrund des internationalen Drucks nur rund einen Monat Zeit für eine Offensive in Rafah hätte. Der Einsatz muss demnach bis zum 10. März abgeschlossen sein. An dem Tag beginnt für Muslime weltweit der Fastenmonat Ramadan.

Auslöser des Gaza-Kriegs war das beispiellose Massaker, das Terroristen der Hamas und anderer extremistischer Gruppen am 7. Oktober im Süden Israels verübt hatten. Israel reagierte mit massiven Luftangriffen und einer Bodenoffensive.

Medien: Israel beschießt Ziele nahe Damaskus

Die israelischen Streitkräfte griffen laut Medienberichten auch Ziele in der Nähe der syrischen Hauptstadt Damaskus an. Von den Golanhöhen aus habe das israelische Militär das Umland von Damaskus unter Beschuss genommen, berichtete die staatliche syrische Nachrichtenagentur (Sana) unter Berufung auf eine Militärquelle. Westlich der syrischen Hauptstadt seien heftige Explosionen zu hören gewesen.

Die syrische Flugabwehr habe einige der Raketen abgeschossen. Es sei lediglich Sachschaden entstanden, berichtete Sana weiter. Die in Großbritannien ansässige syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte teilte mit, ein Wohngebäude westlich der syrischen Hauptstadt sei getroffen worden. Dabei seien drei Menschen getötet worden. Am Freitagabend hatte die schiitische Hisbollah-Miliz einen Raketenangriff auf eine israelische Kaserne auf den Golanhöhen für sich reklamiert.

UN zu Gaza-Krieg: Israel verweigert Hilfslieferungen

Im Gazastreifen gelingt es den Vereinten Nationen und anderen humanitären Organisationen nach eigenen Angaben nicht, die Menschen in Not ausreichend zu versorgen - auch wegen Behinderungen durch das israelische Militär. Seit Januar hätten israelische Behörden 39 von 76 geplanten Konvois in den Norden und Delegationsbesuche zur Abklärung der dortigen Bedürfnisse verweigert, berichtete das UN-Nothilfebüro OCHA. 16 weitere seien behindert worden, zwei seien nur teilweise genehmigt worden. Nur zwölf Konvois oder Delegationsbesuche zur Abklärung der Bedürfnisse hätten wie geplant durchgeführt werden können, neun hätten von den Hilfsorganisationen selbst verschoben werden müssen.

Auch Hilfseinsätze im Süden müssen je nach Sicherheitslage teilweise mit dem israelischen Militär abgesprochen werden. 172 solcher Missionen seien seit Anfang Januar geplant gewesen, davon seien 41 verweigert worden. Im Süden sind demnach auch Lieferungen ohne Absprachen mit dem israelischen Militär möglich, die in dieser Statistik nicht aufgeführt sind.

Israel: Hamas-Tunnel unter UNRWA-Zentrale

Das israelische Militär hat nach eigenen Angaben einen Tunnel der Hamas-Miliz entdeckt, der unter dem Hauptquartier des UN-Palästinenserhilfswerks UNRWA in der Stadt Gaza verlaufen soll. Der unterirdische Gang sei 700 Meter lang, liege in 18 Metern Tiefe und habe als wichtige Einrichtung des Militärgeheimdienstes der Hamas gedient, teilte das Militär mit.

In dem - von der UNRWA in der Anfangsphase des Krieges verlassenen - Hauptquartier der UN-Organisation will das Militär in den vergangenen zwei Wochen zudem große Mengen von Waffen und Sprengstoff gefunden haben. Weiters würden Indizien darauf hindeuten, dass Büros und Räumlichkeiten der UNRWA-Zentrale von Hamas-Terroristen genutzt worden seien. Es gab keine Angaben dazu, wann genau diese Nutzung erfolgt sei, ob vor oder nach Kriegsbeginn. Die Angaben ließen sich zunächst nicht unabhängig überprüfen. 

UNRWA-Chef Philippe Lazzarini erklärte zu den Berichten über die Entdeckung des Tunnels unter der Zentrale seiner Organisation in Gaza, dass das Hilfswerk keine Kenntnis davon hatte.

Hamas-Behörde: Zahl der Gaza-Toten steigt auf über 28.000

Die Zahl der im Gazastreifen getöteten Palästinenser ist seit Kriegsbeginn nach palästinensischen Angaben auf über 28.000 gestiegen. In den vergangenen 24 Stunden kamen infolge israelischer Angriffe 117 Menschen ums Leben, wie die von der Hamas kontrollierte Gesundheitsbehörde mitteilte. Damit stieg die Zahl der Getöteten seit Kriegsbeginn auf 28.064. Weiterhin wurden den Angaben zufolge im Gaza-Krieg 67.611 Menschen verwundet, 152 von ihnen in den vorangegangenen 24 Stunden

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