Nach dem Vorpreschen einiger ostdeutscher Landkreise ist ein Streit über eine Ausweitung von Arbeitspflichten für Asylbewerber ausgebrochen. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) hält eine solche Arbeitspflicht im Einzelfall für sinnvoll. Der Union im Bundestag reichen Einzelfälle nicht. Gewerkschaften und Pro Asyl stellen sich strikt gegen solche Vorstöße.
Landkreistags-Präsident Reinhard Sager hatte bereits im Herbst eine Arbeitspflicht gefordert. «Wer gesund ist und nicht gehandicapt ist, muss arbeiten. Eine Arbeitspflicht muss her», sagte er damals der «Bild»-Zeitung. Er nannte gemeinnützige Arbeit oder auch etwa Arbeit in der Gastronomie.
80 Cent pro Stunde
Im ostthüringischen Saale-Orla-Kreis sollen Asylbewerber nun zu vier Stunden Arbeit pro Tag verpflichtet werden. Die Geflüchteten sollen für 80 Cent Entlohnung pro Stunde einfache Arbeiten erledigen. Weigern sie sich, drohen Geldkürzungen bei ihren Leistungen. Auch in Sachsen-Anhalt überlegten einige Landkreise, wie eine Arbeitspflicht für Geflüchtete organisiert werden könnte, sagte Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) im rbb24 Inforadio.
Heil wies darauf hin, dass es geltendes Recht sei, dass die Kommunen Asylbewerber, die in Gemeinschaftsunterkünften leben, zu gemeinnütziger Arbeit verpflichten können. «Im Einzelfall mag es auch sinnvoll sein, Menschen während der mitunter langen Wartezeit in Sammelunterkünften zu beschäftigten», sagte Heil der «Bild»-Zeitung (Donnerstag). Eine nachhaltige Arbeitsmarktintegration werde so allerdings nicht gelingen.
Tätigkeiten frühestens nach drei Monaten
Im Asylbewerber-Leistungsgesetz heißt es in Paragraf 5 wörtlich: «Arbeitsfähige, nicht erwerbstätige Leistungsberechtigte, die nicht mehr im schulpflichtigen Alter sind, sind zur Wahrnehmung einer zur Verfügung gestellten Arbeitsgelegenheit verpflichtet.»
Dies gilt aber derzeit für gemeinnützige Tätigkeiten für Bewohner von Sammelunterkünften - zum Lohn von 80 Cent pro Stunde. Tätigkeiten in der freien Wirtschaft sind frühestens nach drei Monaten möglich.
CDU: «Nicht zu viel verlangt»
Der Parlamentsgeschäftsführer der Unionsfraktion im Bundestag, Thorsten Frei (CDU), forderte: «Die Verpflichtung sollte sich keinesfalls auf Einzelfälle beschränken.» Die Menschen bekämen ein faires Verfahren, menschenwürdige Sozialleistungen und Unterstützung bei Krankheit, sagte Frei der «Rheinischen Post». «Wenn wir diese Menschen im Gegenzug auffordern, der Gesellschaft in Form eines gemeinnützigen Dienstes etwas zurückzugeben, ist das nicht zu viel verlangt. Ganz im Gegenteil.» Die rechtlichen Grundlagen sollten konsequent angewandt werden.
Heil sagte, sein Ziel sei, Menschen, die hier Schutz gefunden hätten, dauerhaft in sozialversicherungspflichtige Arbeit zu bringen. «Deshalb setze ich auf den Job-Turbo, mit dem wir die Betreuung durch die Jobcenter intensivieren, Fähigkeiten und Qualifikationen der Geflüchteten ermitteln und somit konkrete Arbeitsangebote unterbreiten.»
Die SPD-Vorsitzende Saskia Esken hat sich dagegen ausgesprochen, Asylbewerber zu gemeinnütziger Arbeit zu verpflichten. «Ich halte davon nichts», sagte sie der «Thüringer Allgemeinen». Ähnliche Maßnahmen seien in der Vergangenheit erfolglos bei Langzeitarbeitslosen versucht worden. «Angesichts des Fachkräftemangels ist es heute viel besser, die Geflüchteten schneller und unkomplizierter in sozialversicherungspflichtige Beschäftigung zu bringen.»
Nahles überrascht
Tatsächlich wird die Möglichkeit zur Arbeitspflicht von den Kommunen «eher zurückhaltend» genutzt, wie die Vorstandsvorsitzende der Bundesagentur für Arbeit, Andrea Nahles, in Nürnberg sagte. Vom Vorstoß von Landkreistag-Präsident Sager zeigte sich Nahles überrascht. Sager hatte in der «Bild» erneut gefordert: «Die finanzielle Unterstützung vom Staat darf nicht bedingungslos sein. Wer sich über einen längeren Zeitraum in Deutschland aufhält, muss einer Arbeit nachgehen.»
Strikt gegen solche Forderungen wandten sich Gewerkschaften und die Flüchtlingsorganisation Pro Asyl. «Arbeitspflicht für Geflüchtete ist ein weiterer substanzloser Höhepunkt der Debatten auf dem Rücken von geflüchteten Menschen», sagte DGB-Vorstandsmitglied Anja Piel der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. Sie könnten zwar mit gemeinnützigen Tätigkeiten gegen Aufwandsentschädigung betraut werden. «Ansonsten ist ihnen der Zugang zum Arbeitsmarkt aber weitgehend verwehrt.»
DGB: Diskussion schadet und spaltet
Piel sagte, werde in Arbeit vermittelt, müsse dies gute und sozialversicherte Beschäftigung sein. «Schutzsuchende Menschen in den Niedriglohnsektor zu zwingen und sie ausbeuterischen Verhältnissen preiszugeben, darf keinesfalls Geschäftsmodell werden.» Problemfälle zum Beispiel bei Paketdiensten, in der Saisonarbeit, in Lkws und auf dem Bau seien hinlänglich bekannt. Diskussionen über Arbeitspflichten heizten die aufgeladene Stimmung im Land weiter an. «Das schadet und spaltet», sagte Piel.
«Die Debatte suggeriert, dass wir es mit Menschen zu tun haben, die arbeitsunwillig sind, während sie meist gar nicht arbeiten dürfen», sagte der flüchtlingspolitische Sprecher von Pro Asyl, Tareq Alaows, der dpa. «Das ist menschenverachtend und rassistisch.» Alaows forderte stattdessen die Aufhebung der Arbeitsverbote für Asylbewerber. «Viele warten monatelang auf eine Arbeitserlaubnis.» Um die Menschen schneller und besser in den Arbeitsmarkt zu integrieren, sollten ihre Abschlüsse und Zertifikate zudem schnell anerkannt und die Sprachkursangeboten ausgebaut werden.
Von Basil Wegener und Michael Donhauser, dpa
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