Die Einigung der Ampel-Partner SPD, Grüne und FDP in der Haushaltskrise ist noch keine Woche alt - und schon stellen Vertreter aller drei Seiten mühselig errungene Kompromisse wieder in Frage. Regierungssprecher Steffen Hebestreit versuchte am Montag zu beschwichtigen: Er sehe wenig «Änderungswillen» innerhalb der Bundesregierung, sagte er in Berlin. Die Details würden im Augenblick noch vom Finanzministerium federführend geklärt. «Aber die allgemeine Einigung und auch die grundsätzliche Stoßrichtung bleiben.» Vorbehalte würden geprüft. «Aber die Regierung ist fest entschlossen, die Einigung von Mittwoch umzusetzen.»
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) hatten sich am vergangenen Mittwoch darauf geeinigt, wie nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts Milliardenlöcher im Bundeshaushalt für 2024 sowie im Klima- und Transformationsfonds gestopft werden sollen.
Habeck warnte davor, den Kompromiss aufzukündigen. «Wenn jetzt einzelne Streben herausgezogen werden, ohne neue einzusetzen, fällt die Gesamtlösung in sich zusammen. Das heißt, wer an einer Stelle Änderungen wünscht, muss eine abgestimmte und für alle Seiten tragfähige Gegenfinanzierung anbieten», sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Die Regierung könne es sich nicht leisten, keine Antwort zu geben, der Haushalt müsse gemacht werden.
An den «Streben» wird in der Tat bereits eifrig gezerrt. SPD-Fraktionsvize Dirk Wiese möchte den Haushaltskompromiss der Koalitionsspitzen in den Bundestagsberatungen noch einmal aufschnüren und nachverhandeln. Dabei geht es vor allem um das abrupte Ende der E-Auto-Kaufförderung und der Steuervergünstigung für Agrardiesel. Er betonte zudem, den Haushalt stelle der Bundestag auf. «Und darum werden wir uns sämtliche Vorschläge jetzt auf der Strecke anschauen, bis dann Ende Januar der Bundeshaushalt 2024 final unter Dach und Fach gebracht werden soll.»
Landwirte demonstrieren
Von Agrarminister Cem Özdemir (Grüne) und aus der FDP-Fraktion kam heftige Kritik an den Plänen zur Streichung von Steuervergünstigungen für Landwirte. Im ARD-«Morgenmagazin» warnte Özdemir vor Nachteilen für deutsche Landwirte im internationalen Wettbewerb. Beim Agrardiesel gebe es keine Alternativen für Bauern. «Wir reden über schwere Maschinen, die kann man nicht einfach auf Elektro umrüsten.» Die Landwirte dürften nicht überfordert werden, sagte Özdemir. Er habe Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) alternative Sparvorschläge gemacht. In Berlin demonstrierten Landwirte am Montag mit Traktoren gegen die Pläne.
Bisher können sich Höfe die Energiesteuer für Diesel teilweise zurückerstatten lassen. Zudem sind land- und forstwirtschaftliche Fahrzeuge von der Kfz-Steuer befreit.
FDP-Fraktionschef Christian Dürr kündigte ein Veto gegen die Streichung der Steuervergünstigungen an. «Die FDP-Fraktion hält die starke Belastung der landwirtschaftlichen Betriebe für nicht zustimmungsfähig», sagte er der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. Finanzminister Lindner zeigte sich im Redaktionsnetzwerk Deutschland offen für Alternativen. CDU-Chef Friedrich Merz sprach in diesem Zusammenhang in einer Mail an seine Anhänger von Steuererhöhungen und kündigte an, die Union werde sich «mit großem Nachdruck dafür einsetzen, dass diese Steuererhöhungen nicht kommen werden».
SPD-Chef Lars Klingbeil schlug derweil eine Ausweitung der Pendlerpauschale vor. «Ich bin dafür, dass wir die Debatte darüber führen, sie anzuheben und dafür zu sorgen, dass die arbeitende Bevölkerung entlastet wird», sagte er im Bild-Podcast «Ronzheimer». Beim Haushaltskompromiss der Ampel-Koalition sei klar: «Da sind Belastungen für die arbeitende Mitte drin. Da bin ich auch nicht glücklich darüber.»
Abruptes Ende der E-Auto-Kaufförderung
Die Pendlerpauschale wird bei der Berechnung der Einkommensteuer für die einfache Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsplatz abgezogen. Sie beträgt 30 Cent pro Kilometer, ab dem 21. Kilometer 38 Cent.
Für Irritationen sorgte auch das am Wochenende vom Bundeswirtschaftsministerium mitgeteilte abrupte Aus der staatlichen Förderung für den Kauf von Elektroautos. Mit Ablauf des Sonntags konnten keine neuen Anträge mehr für den Umweltbonus beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (Bafa) gestellt werden, wie das Ministerium am Samstag mitteilte. Bereits zugesagte Förderungen sind nicht betroffen und werden gezahlt. Anträge, die noch bis einschließlich 17. Dezember 2023 beim Bafa eingegangen sind, werden in der Reihenfolge ihres Eingangs weiterbearbeitet. Wer bereits ein Auto gekauft, aber noch keine Förderung beantragt hat, geht damit leer aus.
Von Martina Herzog, dpa
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