Wie geht es weiter bei den Windsors?
Martin Meissner/Pool AP/dpa
Wie geht es weiter bei den Windsors?
Königshäuser

Kein Weihnachtsfriede bei den britischen Royals

Die Kluft zwischen Herzogin Meghan und Prinz Harry in Kalifornien und dem Rest der königlichen Familie in Großbritannien ist erneut größer geworden. Das liegt an einem neuen Buch.

Das zweite Jahr in Folge verdirbt ein Buch den Royals die Stimmung vor Weihnachten. War es 2022 die Autobiografie «Reserve» von Prinz Harry, ist es nun «Endgame» (deutsch: Endspiel) von Omid Scobie. War bereits über eine Annäherung zwischen König Charles III. und seinem jüngeren Sohn Prinz Harry spekuliert worden, dürfte jede Aussicht auf einen Weihnachtsfrieden jetzt hinfällig sein.

Der Inhalt von «Endgame» dürfte Charles und Co. kaum ärgern. Problematisch ist vor allem eine Passage, die es nach Angaben des Autors gar nicht geben dürfte. Aber in der niederländischen Fassung standen die Namen von zwei britischen Royals, denen Harrys Ehefrau Herzogin Meghan vorgeworfen hatte, sich besorgt über die Hautfarbe ihrer damals ungeborenen Kinder geäußert zu haben. Übereinstimmenden britischen Medienberichten zufolge handelt es sich um Charles sowie Prinzessin Kate, die Ehefrau von Harrys Bruder Prinz William.

Wie die Namen in der niederländischen Version auftauchten, die kurzfristig aus dem Verkauf genommen wurde, ist unklar. Autor Scobie beteuert, er habe die Namen nie aufgeschrieben. Die Übersetzerinnen gaben an, sie hätten in der ihnen vorgelegten Fassung gestanden. Die «Times» berichtete jüngst, in der vorläufigen Version, die Scobies Agentur an den niederländischen Verlag geschickt hatte, hätten die Namen gestanden, in der späteren Endausgabe aber nicht mehr.

«Ohrenbetäubendes Schweigen»

Was den Streit zwischen Harry und Meghan einerseits und dem Rest der Royal Family andererseits verschärft, ist die Stille. Das Schweigen des Paares, das seit Jahren in Kalifornien wohnt, sei ohrenbetäubend, zitierte der «Telegraph» aus dem Umfeld der königlichen Familie. «Sie könnten es stoppen, wenn sie wollten», sagte der Verfassungsrechtler Craig Prescott von der Londoner Universität Royal Holloway.

Britischen Medien gilt Scobie, der bereits an einem anderen Buch über Harry und Meghan mitgewirkt hatte, als Sprachrohr des Paares. Indem sich die beiden nicht von Scobie distanzierten, hätten sie ihre Position im Familienzwist deutlich gemacht, sagte Royals-Experte Prescott. «Falls sie eine Wiederannäherung wollen würden, wäre dies eine gute Gelegenheit gewesen.» Nach Informationen der «Daily Mail» ist Charles außer sich vor Wut. Sogar eine Klage sei möglich.

Aber wie sehr belastet es die Monarchie, dass ausgerechnet der König im Zusammenhang mit Äußerungen genannt wird, die von einigen Beobachtern als rassistisch gewertet wurden? Wird «Endgame» zum Endspiel für die Monarchie?

Weiße Männer in Top-Positionen

Royals-Experte Prescott glaubt nicht, dass Charles gefährdet ist. Der König habe viel für Multikulturalismus und Religionsfrieden getan, sein Einsatz für den Staatenbund Commonwealth, dessen meiste Mitglieder schwarze Bevölkerungsmehrheiten haben, sei anerkannt. Wer dem König positiv gegenüberstehe, werde seine Meinung nicht ändern. Eher müssten sich die Royals fragen lassen, warum sich die moderne britische Gesellschaft nicht im Hofstaat abbilde, sagte Prescott. Top-Ämter wie Privatsekretäre würden von weißen Männern besetzt.

Auch die BBC sieht «Endgame» nicht als zentrale Herausforderung für die Monarchie. Der Titel lege nahe, dass die Institution in ernsthaften Schwierigkeiten stecke, schrieb der Sender in seiner Rezension. «Doch dies ist nicht das Buch, das sie versenken wird.»

Angst vor einem neuen Skandal

Viel gefährlicher für die Royals wäre ein neuer Skandal, wie es ihn um Charles' Bruder Prinz Andrew gab. Er ist kaum noch öffentlich zu sehen, seitdem ihm eine US-Amerikanerin vorwarf, sie vor gut 20 Jahren als Teenagerin sexuell missbraucht zu haben. Ein Zivilprozess in den USA wurde angeblich gegen eine Millionenzahlung vermieden. Ein ähnliches Kaliber würde aber viele Untertanen glauben lassen, dass es sich bei Andrew nicht um einen Einzelfall, sondern um ein institutionelles Problem handele, sagte Prescott.

Zweitens: die Demografie. Dass sich junge Leute in Umfragen gegen die Monarchie aussprechen, ist nicht neu. Mittlerweile scheinen aber immer mehr Menschen diese Haltung beizubehalten, wenn sie älter werden. Die politische Stabilität und wirtschaftliche Sicherheit, die viele mit der 70-jährigen Regentschaft von Charles' Mutter Queen Elizabeth II. verbunden hätten, sei vorbei, sagte Prescott. Die aktuellen Probleme mit hohen Steuern und Lebenskosten würden auch mit dem König verbunden - da er nunmal das Staatsoberhaupt ist.

Mit William und Kate gibt es zudem nur zwei aktive jüngere Royals. Doch sie werden von vielen als zu langweilig empfunden. Mit Harry und Meghan sind zwei mögliche Repräsentanten, die auch mal neue Wege einschlagen konnten, weggebrochen, wie Prescott sagte.

Viele Menschen seien zudem einfach «royals-satt». Von Williams und Kates Hochzeit 2011 bis zur Krönung von Charles im Mai 2023 hätten die Briten mehr als ein Jahrzehnt voller königlicher Dröhnung erlebt, so Prescott. «Die Royal Family muss wieder langweilig werden, lediglich ihr Ding abspulen und sich von Streitigkeiten so gut wie möglich fernhalten.» Bleibt aus Sicht des Palasts nur eine Sorge: die Unberechenbarkeit des Paares Meghan und Harry.

Von Benedikt von Imhoff, dpa
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