Musicalbranche will sich stärker positionieren
Vom Publikum geliebt, vom Feuilleton naserümpfend betrachtet? Expertin Birgit Simmler sieht das Musical im deutschsprachigen Raum inzwischen gleichwertig zu Oper, Schauspiel und Ballett.
Vom Publikum geliebt, vom Feuilleton naserümpfend betrachtet? Expertin Birgit Simmler sieht das Musical im deutschsprachigen Raum inzwischen gleichwertig zu Oper, Schauspiel und Ballett.
Das oft verkannte Genre Musical ist dabei, sich in der deutschen Theaterlandschaft stärker zu positionieren. «Ich sehe das Genre gleichwertig zu Schauspiel, Oper, Tanz», sagte Birgit Simmler, Vorsitzende des Branchenverbandes Deutsche Musical-Akademie. Musical sei eine Weiterentwicklung von Oper und Operette, «es ist modernes, attraktives Musiktheater». Die Branche trifft sich von heute an) an bis zum 1. Mai zur Messe für deutschsprachiges Musical auf der Luisenburg im fränkischen Wunsiedel.
Die Produktionsbedingungen in Deutschland seien geprägt von zwei Strängen - zum einen gebe es die in klassische Sparten aufgeteilten, öffentlich geförderten Häuser, zum anderen gebe es Longrun-Produktionen - oft von rein kommerziellen Anbietern.
Forderung nach mehr Flexibilität an öffentlichen Häusern
Simmler appellierte an die Politik, nicht an der Spartenaufteilung in Ballett, Oper und Schauspiel festzuhalten, sondern eine flexiblere Aufstellung der öffentlichen Häuser zu ermöglichen. Sie müssten offen für Musiktheater sein, nicht nur für den klassischen Kanon: «Wir müssen uns bewegen.»
Denn schließlich übe das Musical eine große Faszination aufs Publikum aus. Die Handlung werde mit verschiedenen künstlerischen Mitteln erzählt. «Das ist die Faszination, die auch große Opern ausmacht», sagte Simmler. Die Musik orientiere sich dabei jedoch an den Hörgewohnheiten der heutigen Zeit, an Rock und Pop. «Das wirkt heutiger als der klassische Gesang.»
In den vergangenen Jahrzehnten seien die Produktionen meist aus dem anglo-amerikanischen Raum eingekauft worden. Inzwischen gebe es aber auch einige Häuser im deutschsprachigen Raum mit einer lebendigen Musical-Szene. Und: «Das Talent zum Schreiben und Komponieren ist da», sagte Simmler, die zugleich Intendantin der Luisenburg-Festspiele ist. Mittlerweile habe das deutschsprachige Musical eine Qualitätsstufe erreicht, die sich nicht verstecken müsse.
Mehr gut ausgebildete Darstellerinnen und Darsteller
Auch die Auswahl an gut ausgebildeten Darstellerinnen und Darstellern habe sich stark verbessert im Vergleich zu den 1980er- und 1990er-Jahren. Damals sei es schwierig gewesen, gute Leute zu finden, die Singen, Tanzen und Schauspielern beherrschen. «Heute gibt es Ausbildungsstätten, die das vermitteln können.» Sie sei immer wieder beeindruckt, welche Qualität gezeigt werde, wenn sie für die Produktionen der Luisenburg nach Besetzungen suche.
Bei der Musical-Messe soll es laut Simmler vor allem um die Vernetzung in der Branche gehen. Ihr ist vor allem auch der Austausch zwischen öffentlich finanzierten und kommerziellen Häusern wichtig.
In den vergangenen Jahren gab es durchaus aufsehenerregende Produktionen auf deutschen Musical-Bühnen - etwa das Musical «Ku'damm 56», basierend auf dem gleichnamigen ZDF-Mehrteiler. Jüngst feierte in München Mozarts «Zauberflöte» als Musical Weltpremiere. Bereits seit 2001 ist das Broadway-Musical «Der König der Löwen» von Elton John und Tim Rice in Hamburg zu sehen.
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