Pionierin des Ugly Chic - Miuccia Prada wird 75
Bei ihren Modeschauen bleibt Miuccia Prada unscheinbar im Hintergrund. Dabei ist die Prada-Matriarchin eine der einflussreichsten Designerinnen. Sie prägte den Ugly Chic und Bad Taste in der Modewelt.
Bei ihren Modeschauen bleibt Miuccia Prada unscheinbar im Hintergrund. Dabei ist die Prada-Matriarchin eine der einflussreichsten Designerinnen. Sie prägte den Ugly Chic und Bad Taste in der Modewelt.
Nützlich soll ihre Mode in erster Linie sein. Und sie soll alle ansprechen: vom Kind bis zum Erwachsenen. Die italienische Modemacherin Miuccia Prada selbst will jeden Morgen entscheiden, ob sie ein 15-jähriges Mädchen oder eine alte Dame dem Tod nahe ist. Mit diesem Credo machte sie die Marke Prada zum Kult-Modelabel. Doch damit nicht genug, zog die Italienerin noch einen Moderiesen hoch: Miu Miu. Ihre Kleider und Accessoires prägen seit Jahrzehnten die Modewelt. Heute wird Miuccia Prada 75 Jahre alt.
Alles fing mit einer Handtasche aus schwarzem Militärnylon an. Ihre erste Designarbeit für das Familienunternehmen, das sie im Alter von 28 Jahren überraschend von ihrer Mutter übernahm, erwies sich sofort als geniale Idee. Praktisch, leicht, wasserfest - und vor allem nützlich. Bis heute ist die Nylon-Handtasche von Prada ein Kultobjekt. In der Folgezeit machte Miuccia Prada das Modehaus mit revolutionären Designs, schlichtem Understatement und praktischen Materialien zu einer weltweit erfolgreichen Marke.
Neben den klassischen Kleidern und Schnitten, die unter ihrer Ägide bei Prada produziert wurden, prägte die Italienerin als eine der ersten großen Modemacherinnen den sogenannten Ugly Chic (frei übersetzt etwa: hässliche Eleganz). Einige finden das schrecklich, doch bei Modefans war und ist er heute wieder der letzte Schrei.
Ugly Chic als Provokation
Erstmals zeigte Miuccia Prada den Ugly Chic in einer Kollektion 1996. Sie wollte damals provozieren und das Unpassende in den Mittelpunkt stellen: Knalliges Grün prallte auf staubiges Braun, dicker Zopfstrick auf hauchdünne Transparentstoffe, Retro auf Futuristisches, Plastik auf Kristall und Socken auf High-Heel-Sandalen. Sie spielte mit dem Hässlichen und Schönen, mit Tabu und Norm - und feierte damit einen Riesenerfolg.
Die Kollektion sollte mit Traditionen brechen. Prada setzte Trends - und folgte ihnen niemals. «Irgendwie wurde das, was man Bad Taste nennt, in der Mode nie akzeptiert. Damals war es eine Art Skandal, eine Beleidigung. Auch heute noch ist die Mode manchmal der Ort der klischeehaften Schönheit, aber es ist das Klischee der Schönheit, das komplett entfernt - ja, verändert werden muss», sagte Prada kürzlich der Modezeitschrift «Vogue».
Die Frau im Zentrum
Im Gegensatz zu ihren Konkurrenten widersetzte sie sich dem Bild des Makellosen und Matten. Pradas Mode stellte immer die Frau ins Zentrum. «Die Vorstellung von einer Frau als schöne Silhouette - nein! Ich versuche, Frauen zu respektieren. Ich neige nicht dazu, Kleider zu entwerfen, die super-sexy sind. Ich versuche, auf eine Art und Weise kreativ zu sein, um Kleider zu kreieren, die getragen werden können, die nützlich sind», sagte sie der «Vogue».
Heute ist die Prada-Group, zu der neben Prada auch das seit 1993 bestehende Label Miu Miu gehört, ein erfolgreicher Player in der Modewelt. Der Konzernumsatz belief sich im vergangenen Jahr auf knapp 4,73 Milliarden Euro. Den Konzern führt Pradas Ehemann Patrizio Bertelli. Längst vermarktet Prada auch Parfüms, Schmuck und Sonnenbrillen.
Eigentlich war ihr die Karriere als erfolgreiche Modemacherin in die Wiege gelegt, doch als junge Frau wehrte sie sich vehement dagegen, im Familienunternehmen zu arbeiten. 1913 hatte ihr Großvater Mario mit seinem Bruder Martino ein Unternehmen für hochwertige Lederwaren gegründet. Der Name damals: Fratelli Prada, die Brüder Prada. Später übernahm ihre Mutter Luisa. Miuccia Prada, am 10. Mai 1949 als Maria Bianchi geboren, studierte zunächst Politikwissenschaft und promovierte. Danach ließ sie sich als Pantomime ausbilden.
Designerkleider auf kommunistischen Demonstrationen
Eine Zeit lang war sie Mitglied der Kommunistischen Partei Italiens. Schon damals wollte sie anders sein. Bei den Demonstrationen und Sit-ins tauchte sie nicht wie ihre Genossinnen in Jeans auf, sondern trug Kleider des französischen Designers Yves Saint Laurent.
Mit 28 Jahren übernahm sie gemeinsam mit ihren zwei Geschwistern von ihrer Mutter das Unternehmen. Sie nahm deren Geburtsnamen an und nannte sich Miuccia - ihr Spitzname aus Kindheitstagen. Ihr Ehemann, mit dem sie zwei Söhne hat, animierte sie zur Designer-Karriere. Nach eigenen Angaben hielt sie zuvor noch nie einen Stift in der Hand. Sie habe auch nie gelernt, zu zeichnen und zu schneidern, sondern entwerfe immer «mit Worten» ihre Mode.
Mit ihrem Ehemann baute sie das Unternehmen zu einem Millionen-Imperium aus. Aus dem altehrwürdigen Familienbetrieb, der 1919 vom damaligen König Vittorio Emanuele III. zum königlichen Hoflieferanten ernannt wurde, machten sie einen modernen Modekonzern. 1993 gelang Prada mit ihrem zweiten Label Miu Miu ein weiterer Coup.
Stilbruch als Element
Als eine der wenigen Frauen in der von Männern dominierten italienischen Modewelt stach Miuccia Prada mit ihren Kreationen heraus. Neben ihr gibt es nur noch Donatella Versace, die in der Branche große Erfolge feiert. Viele erklären sich dies mit der Vielfalt in ihren Werken. Noch heute legt Miuccia Prada Wert auf Stilbruch. In neuen Kollektionen setzte sie wieder auf Kontraste und brach weibliche Klischees mit maskulinen Elementen und Stoffen.
Doch Prada will sich nicht an vergangenen Erfolgen messen. «Wenn die Leute fragen: "Bist du glücklich über deinen Erfolg in der Mode?" Das ist mir völlig egal», sagte sie der «Vogue». «Ich denke darüber nach, was ich als Nächstes tue.» Dabei treibe sie stets der Gedanke an, dass die Menschen, die ihre Kleider tragen, sich selbstbewusst fühlen. «Mode ist eine Darstellung der eigenen Vision der Welt. Denn sonst ist Mode meiner Meinung nach nutzlos.»
Von Robert Messer, dpa
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