«Zwei zu Eins»: Vom Wert des Geldes im letzten DDR-Sommer
Mal angenommen, man fände zufällig ein paar Millionen in Papiergeld: Was würde man damit anfangen? Und was wäre wirklich etwas wert? Eine Komödie mit Sandra Hüller - und mit wahrem Kern.
Mal angenommen, man fände zufällig ein paar Millionen in Papiergeld: Was würde man damit anfangen? Und was wäre wirklich etwas wert? Eine Komödie mit Sandra Hüller - und mit wahrem Kern.
Es klingt wie ein Märchen. Eine Freundesgruppe findet einen Millionenschatz in einem Stollen, schmuggelt ihn heraus und bringt das Geld unter die Nachbarn. Doch die sommerliche Komödie «Zwei zu Eins» mit den Stars Sandra Hüller, Max Riemelt und Ronald Zehrfeld beruht auf einer wahren Begebenheit. In Halberstadt (Sachsen-Anhalt) wurden mit Einführung der D-Mark in der DDR 1990 Millionen wertlos gewordener Geldscheine unter Tage eingelagert, um zu verrotten.
Als Regisseurin Natja Brunckhorst irgendwann zufällig davon hörte, waren das für sie sofort aufregende Bilder. «Diese Geschichte ist einfach Kino», sagt die 57-Jährige der Deutschen Presse-Agentur. Auch Hauptdarstellerin Hüller, die zu DDR-Zeiten in Suhl in Thüringen geboren wurde, war das versteckte Geld von Halberstadt völlig neu. «Ich war echt überrascht und auch sehr amüsiert darüber», sagt Hüller, die dieses Jahr bei den Oscars als beste Hauptdarstellerin für den Thriller «Anatomie eines Falls» nominiert war. «Man fragt sich auch: Warum haben die das nicht einfach vernichtet? Warum wird das gelagert? Dachten die, dass man es irgendwann noch mal braucht?»
Wohin mit 3000 Tonnen Geld?
Die wahre Geschichte geht so: Im Zuge der sogenannten Wirtschafts- und Währungsunion zum 1. Juli 1990 mussten die Tresore der damaligen Staatsbank für die neuen Devisen frei werden. Das DDR-Papiergeld «musste weg», erzählt Lysann Goldbach, Leiterin des Konzernarchivs der KfW-Bankengruppe, rechtlich die Nachfolgerin der Staatsbank. «Man brauchte eine kurzfristige Lösung.»
Verbrennen ging nicht, dazu fehlten die Kapazitäten. Also brachte man streng geheim und streng gesichert 3000 Tonnen Papiergeld in die unterirdischen Stollen bei Halberstadt, die in der NS-Zeit von Zwangsarbeitern errichtet und später militärisch genutzt worden waren. Ein Milliardengrab für die Ewigkeit, so schien es. «Das Geld wurde in eine moderne, hoch gesicherte Anlage gebracht, die im militärischen Besitz war», sagt Goldbach. «Tief in einem Stollen, eingemauert hinter einer zwei Meter dicken Wand. Da schien das Geld sicher.»
Originalverpackt in Plastik
Tatsächlich aber tauchten 2001 Scheine aus der angeblich so sicheren Geldgruft auf dem Sammlermarkt auf. Das erkannten Fachleute daran, dass 200- und 500-Mark-Noten angeboten wurden, die zu DDR-Zeiten nie im Umlauf waren, sondern nur als Devisenreserve dienten. In Halberstadt lagen sie teils originalverpackt in Plastik unter Tage. Die KfW, die für die Sicherung des Bestands zuständig war, wusste sofort: Da wird geklaut.
Nur Tage später ertappten Wachleute zwei Männer aus der Region, als sie Beute aus dem Stollen schleppten. Aus der Mauer um den Milliardenschatz waren in knapp fünf Metern Höhe Steine herausgebrochen und locker wieder eingesetzt worden, damit das nicht auffiel. Wer wie lange und wie viel von dem inzwischen schon muffigen Papiergeld gestohlen hatte - kein Mensch weiß es. Die KfW ließ den Bestand räumen und doch noch verbrennen.
Wie es hätte sein können
Daraus habe sie eine Geschichte gestrickt, «die so hätte sein können - auch wenn der zeitliche Ablauf nicht ganz korrekt ist, sondern dramaturgisch etwas verdichtet ist», sagt Brunckhorst. In «Zwei zu Eins» stoßen die Kindheitsfreunde Maren (Hüller), Robert (Riemelt) und Volker (Zehrfeld) im Sommer 1990 eher zufällig auf die eingelagerten Millionen und können ihr Glück kaum fassen. Mit Rucksäcken voller Scheinen beschließen sie, zugunsten ihrer Hausgemeinschaft mit dem wertlosen Ostgeld etwas auf die Beine zu stellen.
Wertlos war es eigentlich, weil die große Umtauschaktion Ost- gegen Westmark mit dem 1. Juli offiziell abgeschlossen war. Nur in Ausnahmefällen durfte noch etwas später getauscht werden. Im Film hat der westdeutsche Haustürverkäufer (Olli Dittrich), der den angeblich unbedarften Ossis Ramschware andrehen will, noch drei Tage zum Umtausch der Ostmark. Deshalb nimmt er die abgelaufene Währung noch an, wenn auch zu einem horrend schlechten Kurs. So nimmt die Geschichte Fahrt auf.
Die Hausgemeinschaft kauft und kauft, hievt Kartons voller Kristallgläser, Topfsets, Mikrowellen und Hängematten in die Wohnungen - und verhökert sie gegen Westmark weiter. Aus der Schnapsidee entwickelt sich ein ausgeklügeltes System. Wie im echten Leben fliegt das Ganze auf, als aus Versehen 200- und 500-Mark-Scheine in den Umlauf kommen. Aber es ist nicht die letzte Wendung dieser Wendestory.
Eine Art, sich zu ermächtigen
«Zwei zu Eins» ist über weite Strecken eine leichte und unterhaltsame Komödie, bei der vor allem Hauptdarstellerin Hüller in ihrer Rolle als pragmatische und selbstbewusste Maren hervorsticht. Brunckhorst lässt neben dem Abenteuer der Hausgemeinschaft Raum für Zwischentöne, etwa wenn es um das Gemeinschaftsgefühl der Nachbarn geht, um die Ungewissheit vieler DDR-Bürger nach dem Mauerfall, die (ausbleibende) Gerechtigkeit in der Währungsunion, den Wert von Geld an sich. Da hätte der Film eigentlich nicht auch noch ein Liebesdreieck zwischen Maren, Robert und Volker gebraucht.
Hüller sagt, es sei auf eine gewisse Art heilsam gewesen, durch den Film noch einmal eine Zeitreise zurück zu machen. «Das Gefühl, das dabei entstanden ist, ähnelt tatsächlich dem, wie ich aufgewachsen bin», sagt die 46-Jährige. Die Charaktere im Film hätten einen schönen Weg gefunden, ihre eigene Geschichte zu schreiben und sich zu ermächtigen, meint die Schauspielerin.
Von Sabrina Szameitat und Verena Schmitt-Roschmann, dpa
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