Schauspieler Sidney Poitier bei der Verleihung der 69. Golden Globe Awards 2012.
Paul Buck/EPA/dpa
Schauspieler Sidney Poitier bei der Verleihung der 69. Golden Globe Awards 2012.
Film

Sidney Poitier schrieb vor 60 Jahren Oscar-Geschichte

Die Oscars sind zu weiß, Schwarze haben in Hollywood das Nachsehen, es mangelt an Vielfalt. Es gibt Kritik an der Oscar-Akademie und Bemühungen um mehr Diversität. Sidney Poitier war 1964 ein Vorreiter.

Montag, der 13. April 1964, war ein geschichtsträchtiger Tag in Hollywood. Schauspiel-Star Jack Lemmon, der bei den 36. Academy Awards als Gastgeber auf der Bühne stand, kündigte Oscar-Preisträgerin Anne Bancroft an, die den besten Hauptdarsteller des Jahres auszeichnen sollte.

Die Schauspielerin verlas die Namen der fünf Nominierten: Albert Finney («Tom Jones»), Richard Harris («Lockender Lorbeer»), Rex Harrison («Cleopatra»), Paul Newman («Der Wildeste unter Tausend») und Sidney Poitier für «Lilien auf dem Felde». Als Bancroft den Umschlag öffnet, ist ihr die Freude anzusehen. Strahlend gibt sie Poitier als Gewinner bekannt.

Eine kurze, aber epochale Dankesrede

Im Civic Auditorium von Santa Monica bricht das überwiegend weiße Publikum in lauten Beifall aus. Der damals 37-jährige Poitier ist der erste schwarze Hauptdarsteller in der langen Geschichte der Academy Awards, der Hollywood höchsten Preis gewinnt. Vor ihm hatte nur Hattie McDaniel 1940 für ihre Nebenrolle als Haushälterin im Melodrama «Vom Winde verweht» als Schwarze einen Oscar erhalten.

Poitier nutzt das historische Rampenlicht für eine kurze, aber bedeutungsvolle Rede. Es sei «eine lange Reise bis zu diesem Moment» gewesen. Er sei vielen Menschen zum Dank verpflichtet, setzt er fort - und nennt unter anderem «Lilien auf dem Felde»-Regisseur Ralph Nelson, seinen Agenten Martin Baum und «natürlich die Mitglieder der Filmakademie». Allen möchte er ein «ganz besonderes Dankeschön» aussprechen, sagt er sichtlich gerührt übers ganze Gesicht strahlend.

Sie habe als kleines Mädchen im ärmlichen Elternhaus diesen Moment als etwas ganz Bedeutsames erlebt, sagte Star-Moderatorin und Schauspielerin Oprah Winfrey («Die Farbe Lila», «Der Butler»), als sie 2018 den Golden-Globe-Ehrenpreis für ihr Lebenswerk entgegennahm. Der eleganteste Mann, den sie je gesehen habe, sei auf die Bühne getreten. Sie erinnere sich an die weiße Fliege und die schwarze Haut. «Nie zuvor hatte ich gesehen, dass ein schwarzer Mann so gefeiert wurde», sagte Winfrey.

Es geht um Toleranz und Menschlichkeit

Die historische Auszeichnung platzte mitten in die US-Bürgerrechtsbewegung, die sich gegen Rassismus und auch gegen Stereotype über Afroamerikaner auflehnte. Die preiswert gedrehte Komödie «Lilien auf dem Felde» traf damals den richtigen Ton. Poitier spielte darin den einfachen, aber moralisch überlegenen Wanderarbeiter Homer Smith, der für dünkelhafte weiße Nonnen im ländlichen Amerika eine Kirche baut. Es geht auch um Themen wie Toleranz und Mitmenschlichkeit.

Der in ärmsten Verhältnissen auf den Bahamas aufgewachsene Bauernsohn Poitier hatte sich anfangs in den USA als Straßenverkäufer, Tellerwäscher und Handlanger durchgeschlagen. In New York war er dann dem American Negro Theater beigetreten und 1950 in «Der Hass ist blind» an der Seite von Richard Widmark sein Filmdebüt gegeben. Für seine Hauptrolle in «Flucht in Ketten» war er 1959 erstmals für einen Oscar nominiert worden.

Zu Poitiers Erfolgen zählt auch, dass er als erster Schwarzer in einem Hollywood-Film eine Weiße küssen durfte. Die Szene in dem Film «Rat mal, wer zum Essen kommt» wurde 1967 allerdings noch verschämt durch den Rückspiegel eines Taxis gedreht.

Der charismatische Star aus Filmen wie «Porgy and Bess», «Ein Fleck in der Sonne» und «In der Hitze der Nacht» zählte Ende der 1960er-Jahre zu den bestbezahlten Filmschauspielern. Nach seinem Oscar-Erfolg wurde Poitier als Wegbereiter für Schwarze in Hollywood gefeiert, doch die Realität sah anders aus.

Nur sehr wenige schwarze Oscargewinner

Es dauerte fast 20 Jahre, bis ein schwarzer Schauspieler wieder auf der Oscar-Bühne stand. Der kürzlich gestorbene Louis Gossett Jr. holte 1983 für «Ein Offizier und Gentleman» als erster Schwarzer den Nebenrollen-Oscar. 1990 wurde Denzel Washington als bester Nebendarsteller für «Glory» gefeiert. Erst 2002 würdigte die Akademie einen weiteren Hauptdarsteller: Washington überzeugte mit seiner Hauptrolle als korrupter Polizist in «Training Day».

Zugleich gewann Halle Berry mit ihrer Rolle in dem Drama «Monster's Ball» als erste Afroamerikanerin den Oscar als beste Hauptdarstellerin. «Die heutige Nacht hat eine Tür aufgestoßen», sagte Berry damals unter Tränen. Doch seither gab es keinen weiteren Oscar für eine schwarze Hauptdarstellerin.

Mit dem Hashtag #OscarsSoWhite kochte die Kontroverse um mangelnde Vielfalt und die Anerkennung schwarzer Talente in Hollywoods Filmgeschäft immer wieder hoch. Als 2016 zum zweiten Mal hintereinander keine Schwarzen in den vier begehrten Kategorien für Schauspieler nominiert wurden, reagierte die Oscar-Akademie auf die massive Kritik und kündigte «historische Maßnahmen» an.

Inzwischen gibt es Standards für Filmproduktionen, die gewisse Vielfaltskriterien erfüllen müssen, um sich für den Oscar-Wettbewerb zu qualifizieren. Der Filmverband hat deutlich mehr Frauen und unterrepräsentierte ethnische Gruppen als neue Mitglieder aufgenommen, um einen Wandel herbeizuführen.

2002 trat Poitier noch einmal unter stürmischem Applaus auf die Oscar-Bühne. Mit 75 Jahren nahm er eine Ehrentrophäe für sein Lebenswerk entgegen. Mit 22 Jahren sei er nach Hollywood gekommen, um eine Reise anzutreten, die damals «fast unmöglich» erschien, sagte Poitier in seiner bewegenden Ansprache. Er lobte die «mutigen und selbstlosen» Entscheidungen von Regisseuren und Produzenten, die ihm trotz seiner Hautfarbe Rollen und damit eine Chance gegeben hätten.

Im Januar 2022 starb die Filmikone im Alter von 94 Jahren. Die Oscar-Akademie veröffentlichte damals ein Foto von 1964, auf dem Poitier strahlend seine Oscar-Trophäe festhält. Er habe Barrieren eingerissen und durch seine Kunst den Dialog in den USA vorwärtsbewegt, schrieb die Academy. «Nur wenige Filmstars hatten oder werden den Einfluss von Poitier haben, auf der Leinwand und darüber hinaus.»

Von Barbara Munker, dpa
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