Das Verhältnis von Romy und Samuel wird komplizierter und zunehmend sexueller. «Geh auf die Knie», «Braves Mädchen», «Du bist mein Babygirl», «Törnt dich das an?» Samuel könnte jederzeit einen Anruf tätigen und das bürgerliche Leben und Romys Ruf zerstören. Doch gerade das macht sie an.
Das Klischee von der Affäre zwischen reichem Chef und verruchter Untergebener wird hier nicht einfach nur geschlechtervertauscht pseudo-modernisiert. Der ganze Film ist subversiver als man zunächst denkt.
Provokation ist bei Regisseurin Halina Reijn (49) kein Selbstzweck. Gefeiert wird Neugier und Experimentierlust, letzten Endes die Befreiung aus moralinsauren Vorstellungen. Ist nicht alles in Ordnung, was in gegenseitigem Einvernehmen geschieht? Sollte der Arbeitsplatz tabu sein für das Anbahnen sexueller Beziehungen? Darf ich nicht alle Facetten meiner Libido akzeptieren? Wer muss eingeweiht werden, wenn zwei Menschen sich spielerisch ausprobieren wollen?
Ähnlich wie kürzlich die Französin Coralie Fargeat im Bodyhorrorfilm «The Substance» mit Demi Moore Schönheitsideale auseinandernahm, so gelingt es «Babygirl», Versatzstücke eines Filmgenres zu benutzen, um Herrschaftsverhältnisse zu zerlegen.
Weibliche Sexualität wird ernst genommen
Wie Kidman und Dickinson mit Geschlechterverhältnissen, mit Macht und Dominanz sowie mit Distanz und Nähe spielen, ist eine Freude zu sehen. Neuartig scheint, dass weibliche Sexualität ernster genommen wird als früher.
Vor bald 40 Jahren in «Fatal Attraction» mit Michael Douglas («Eine verhängnisvolle Affäre» auf Deutsch) entpuppte sich die Frau (Glenn Close) als böse Stalkerin und mörderische Verführerin. Die Figuren wurden damals für das, was viele wohl immer noch Abgründe nennen würden, zur Rechenschaft gezogen. Die eheliche und gesellschaftliche Ordnung wurde brutal wiederhergestellt.
So etwas scheint Reijn nicht zu interessieren. Am Ende ist nicht alles Friede, Freude, Eierkuchen. Das wäre auch unterkomplex bei den menschlichen Problemen wie Eifersucht, um die es hier geht. Doch so viel sei verraten: Hart bestraft, gar getötet werden muss hier niemand für seine sexuelle Lust.
Von Gregor Tholl, dpa
© dpa-infocom, dpa:250130-930-359878/1
Copyright 2025, dpa (www.dpa.de). Alle Rechte vorbehalten