Das Zeugnisverweigerungsrecht dient den Angaben zufolge dem Schutz des Zeugen, «durch seine der Wahrheitspflicht unterliegende Aussage nicht zur Belastung eines Angehörigen beitragen zu müssen». Damit einher geht ein Beweisverwertungsverbot. Bis zur Hauptverhandlung könne ein Zeuge aber frei entscheiden, ob eine frühere, vielleicht voreilige oder unbedachte Aussage verwertet werden dürfe. Dies könnte zur Sachaufklärung beitragen. Im Interesse des Angeklagten und der Allgemeinheit an der Wahrheitserforschung habe der Einfluss des Zeugen auf den Umfang der Verwertbarkeit früherer Aussagen und somit auf das Strafverfahren allerdings Grenzen, heißt es in dem Beschluss.
Das Konstanzer Landgericht hatte im Januar einen 21-Jährigen der Vergewaltigung in 5 Fällen, der gefährlichen Körperverletzung in 10 Fällen und der vorsätzlichen Körperverletzung in 40 Fällen für schuldig gesprochen und eine Haftstrafe von viereinhalb Jahren verhängt. Die Schwester des Angeklagten hatte gestattet, Angaben, die sie bei einer aussagepsychologischen Sachverständigen gemacht hatte, zu verwerten. Die Jugendkammer berücksichtigte diese, aber nicht eine polizeiliche Vernehmung. Laut dem BGH-Beschluss war der Verzicht der Zeugin auf das Beweisverwertungsverbot in dieser Form aber unwirksam. Es sei - trotz des rechtsmedizinisch dokumentierten Verletzungsbildes - nicht auszuschließen, dass das Gericht ohne die Angaben der Zeugin bei der Sachverständigen zu einem anderen Ergebnis gelangt wäre.
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