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Der Tag in Rheinland-Pfalz mit John Seegert

SPEZIAL: Die Lehren des Shaolin Meisters Shi Heng Yi

Pandemie, Ukraine-Krieg, Inflation - wir leben in sehr turbulenten Zeiten, die uns eine ganze Menge abverlangen.

Immer mehr Menschen suchen deshalb nach Halt, nach einem Anker, der ihnen Halt geben kann, egal, was eben gerade so passiert.
„Dieser Fels in der Brandung, dieser unerschütterliche Kern, liegt bereits in jedem von uns“, sagt Meister Shi Heng Yi, Leiter des Shaolin Temple Europe in Otterberg bei Kaiserslautern. „Dieser Kern muss nur gefunden werden, dann kann Dich nichts mehr erschüttern!“.

In der aktuellen Folge unseres Podcasts „Der Tag in Rheinland-Pfalz“ begibt sich unser Moderator John Seegert gemeinsam mit Meister Shi Heng Yi auf die Reise zu diesem unerschütterlichen Kern: Ein Gespräch über Leben und Tod, Sinn und Glück, sowie Krisen, Social Media, „Kung-Fu-Panda“ – und was wir auf dem Weg zum Glück häufig falsch machen.

John Seegert:
Meister Shi Heng Yi, Sie wurden mit gerade mal vier Jahren von ihrem Vater im Shaolin Temple Europe in Otterberg eingeschrieben, also den Tempel, den sie heute leiten. Wie sah der Weg dahin aus? Sie haben ja zuerst den „klassischen Weg“ gewählt?!

Shi Heng Yi:
„Von meinem vierten Lebensjahr bis zu meinem 18. war ich eigentlich durchgängig und größtenteils in Kaiserslautern, also in Rheinland-Pfalz in der Shaolin-Schule und hatte dort mein regelmäßiges Training. Parallel dazu bin ich eben auch die schulische Laufbahn gegangen und dann im Alter von 20 Jahren habe ich das erste Mal für längere Zeit Kaiserslautern verlassen und war dann ungefähr fünf Jahre auch im Ausland studiere. Aber parallel eben nebst dieser Laufbahn war die Praxis immer ein täglicher Bestandteil von meinem Leben. Im Alter von 26 Jahren stand ich eben vor dieser Entscheidung: „okay ich habe jetzt fertig studiert, bin jetzt erstmal soweit mit dem ausgestattet, was meine Eltern sich von mir gewünscht hatten“. Letztendlich aber habe ich jetzt in meinem Fall im Alter von vier Jahren bereits mit dem Shaolin-Kung-Fu begonnen und ich mache das, was mir vom Inneren her am meisten zusagt und finde einfach raus wie einfach oder wie schwierig, wie machbar oder wie unmöglich dieser Weg zu gehen ist.“

John Seegert:
Was ist das Besondere am Weg des Shaolin? Warum sind Sie diesen Weg gegangen?

Shi Heng Yi:
„Die Besonderheit des Shaolin-Weges oder der Shaolin-Praktiken ist eben das da sehr wenig oder um eigentlich zu sagen, dass es gar keine Praktiken gibt, die letztendlich auf Glauben basieren. Die Praktiken basieren auf Praxis, das heißt man muss es erstmal einfach ausprobieren: Welche Einsichten haben einem diese Praktiken gegeben? Und diese Einsicht, das ist das Elementare und das Wichtige, was eben ein jeder Mensch auch entlang seiner Lerngeschwindigkeit selbst praktizieren kann.“

John Seegert:
Was glauben Sie ist das größte Problem unserer heutigen Zeit hier in Deutschland und Europa?

Shi Heng Yi:
„Was ich sehen kann in der heutigen Gesellschaft, ist einfach die Tendenz, dass sehr viel Lebenszeit, statt in Körperlichkeit investiert zu werden, in geistige Aktivität investiert wird. Das ist an sich auch nicht verkehrt, aber es ist verkehrt, wenn man noch zu jung ist.“

John Seegert:
Wieso?

Shi Heng Yi:
„Wenn man in jungen Jahren bereits zu viel Zeit vor den Bildschirmen verbringt und den Körper nicht nutzt, um eben Energie zu transformieren, ist das ein Problem. In dem Moment, wo wir einen jungen Körper haben, der besitzt noch sehr viel körperliche Energie und diese Energie, wenn wir die nicht in die richtigen Bahnen lenken, wenn der Körper also nicht genutzt wird, damit die Energie fließt, dann staut sich diese Energie und wenn man jung ist, dann staut sich diese Energie in dem Maße, dass die Energie sich in den Gedanken widerspiegelt.“

John Seegert:
… was dann zum bekannten „Gedankenkarussell“ und nicht selten zu psychischen Problemen führen kann.
Was ist also ihr Rat? Wie können wir gegensteuern? Was ist wichtig?

Shi Heng Yi:
„Dass es unbedingt einen körperlichen Ausgleich geben muss, unabhängig davon, ob das jetzt Kung-Fu ist oder ob das jetzt Taijiquan, Karate, Taekwondo, Fußball, Schwimmen oder Tennis ist. Es geht nicht um das Kung-Fu, es geht nicht um das Shaolin. Es geht erstmal um die Einsicht in die Natur von dem, was wir Menschen sind, bestehend aus einem Körper mit einem innewohnenden Geist oder einer Seele - wie man das auch nennen mag - und weil wir eben diesen Körper besitzen müssen wir ihn auch nutzen, weil sonst hätten wir ihn nicht.“

John Seegert:
Was passiert, wenn wir nicht auf dieses Gleichgewicht zwischen Körper und Geist achten – also uns zu wenig bewegen, zu viel Medien konsumieren und Ähnliches?

Shi Heng Yi:
„Dann kann es eben sein, dass Menschen, statt auf sich selbst zu hören, statt wirklich zu spüren: „was kann ich selbst? Wie sehr vertraue ich mir? Wie viel Kraft ist in mir vorhanden?, statt also Selbstvertrauen zu haben,  fließt dieses Selbstvertrauen weg und man achtet eher darauf: „Was denken die anderen von mir?“ und „Ich weiß nicht, ob ich das kann“.
Das heißt, dann kommt da sehr viel Selbstzweifel, weil da einfach eine gewisse innere Stärke, ein gewisser innerer Charakter eben noch nicht ausreichend kultiviert ist. Es gibt eine bestimmte Welt, da kann man jeden Tag in die Großstädte Deutschlands gehen, aber es gibt auch eine Welt, die kennt in jedem Menschenleben immer nur eine Person selbst. Das heißt es gibt eine Welt, die bekommt da draußen kein anderer mit und das ist diese eigene Welt von sich selbst und in dieser Welt zurecht zu kommen, ist auch ein sehr sehr wichtiger Bestandteil von dem wie wir uns entwickeln können und eben in unserer Tradition sollten.“

John Seegert:
Der Shaolin-Temple Europe, den sie leiten, befindet sich in Otterberg in der Westpfalz, nur einen Steinwurf entfernt von der US-Airbase-Ramstein – wo immer wieder über Maßnahmen im Ukraine-Krieg beraten wird. Können Sie in Ihrem Tempel ruhig meditieren und sich auf sich besinnen, wenn quasi nebenan über Krieg und schwere Waffen diskutiert wird?

Shi Heng Yi:
„Die Welt war noch nie unkompliziert, es hat schon immer seit Existenz in dieser Welt verschiedene Kräfte gegeben. Die Frage ist allerdings jetzt, wenn ich in diesem Leben mit einer dieser Kräfte konfrontiert werde, was passiert dann eigentlich mit mir? Schwimme ich jedes Mal wenn’s auf geht auf? Und wenn’s ab geht ab? Dann bedeutet das, dass das Leben manchmal sehr chaotisch werden kann, weil ich ständig in dem Fluss von auf und ab gefangen bin.“

John Seegert:
Wie sieht die Lösung dafür aus?

Shi Heng Yi:
„Die Lösung liegt darin, nach etwas zu suchen oder etwas in sich zu entwickeln, was trotz aller Schwankungen der Welt sich nicht bewegt, was man trotz aller Schwankungen der Welt tief in sich weiß. Das bewegt sich nirgends hin, das ist auch unberührt von all den Sachen im Außen, weil es etwas gibt, was durch sehr viel Stabilität und Kraft geprägt wird. Stabilität, Kraft und das Vertrauen oder den Glauben eben an das, was den Menschen innewohnt.“

John Seegert:
Kann das denn jeder erreichen? Also: Kann denn wirklich JEDER von uns glücklich werden? Auch jemand, der nicht im Kloster lebt, dafür Familie, Job, Alltagsprobleme hat? Wie sieht der Weg zu diesem Glück aus?

„Wenn man selbst die Disziplin, die Willenskraft, den Wunsch und die Lebenszeit aufbringt und tatsächlich sagt: „Das ist das, was ich mir in meinem Leben wirklich wünsche, was stabil ist, dann gibt es Wege! Und dieser Weg ist eben mit den richtigen Methoden ganz alleine gangbar. Das ist die Besonderheit davon, dass wir also nicht mehr irgendjemanden jedes Mal verantwortlich dafür machen müssen, warum es uns nicht gut geht - sondern jetzt ist die Möglichkeit da: „du bist unzufrieden mit allem, wie es in der Welt läuft? Dann fang mal an etwas in dir selbst zu entwickeln, weil diese Entwicklung ist eben nur von dir abhängig.“
Shi Heng Yi

Das komplette sehr intensive Gespräch mit Meister Shi Heng Yi vom Shaolin Temple Europe hört ihr in der aktuellen Ausgabe unseres Podcasts „Der Tag in Rheinland-Pfalz“:

Folge 0 | 11.05.2023 | 65:27

Die Lehren des Shaolin - Der Weg zum Glück?

Pandemie, Ukraine-Krieg, Inflation - wir leben in sehr turbulenten Zeiten, die uns eine ganze Menge abverlangen. Immer mehr Menschen suchen deshalb nach Halt, nach einem Anker, der ihnen Halt geben kann, egal, was eben gerade so passiert. „Dieser Fels in der Brandung, dieser unerschütterliche Kern, liegt bereits in jedem von uns“, sagt Meister Shi Heng Yi, Leiter des Shaolin Temple Europe in Otterberg bei Kaiserslautern. „Dieser Kern muss nur gefunden werden, dann kann Dich nichts mehr erschüttern!“