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US-Kongress erstürmt - Proteste von Trump-Anhängern enden im Chaos

Am US-Parlamentssitz haben sich nie da gewesene Szenen abgespielt. Proteste wütender Anhänger des abgewählten US-Präsidenten Donald Trump haben das politische Zentrum der USA in Washington zeitweise in beispielloses Chaos gestürzt.

Vier Menschen getötet

Nach einer laut dpa aufstachelnden Rede des abgewählten Präsidenten waren Trump-Unterstützer vor dem Kapitol aufmarschiert, dem Sitz des US-Parlaments, um gegen die Zertifizierung der Präsidentschaftswahlergebnisse zu protestieren. Randalierer stürmten das Kongressgebäude. Die beiden Kongresskammern mussten ihre Sitzungen unterbrechen, Parlamentssäle mussten geräumt, Abgeordnete in Sicherheit gebracht werden. Bei den Unruhen kamen nach Polizeiangaben vier Menschen ums Leben, weitere wurden zum Teil schwer verletzt. Erst Stunden später nahm der Kongress seine Beratungen demonstrativ wieder auf, um Trumps Niederlage bei der Wahl endgültig zu besiegeln. Dabei scheiterte auch der zweite Versuch mehrerer Republikaner, das Präsidentschaftswahlergebnis in einem der US-Bundesstaaten anzufechten.

Nach Rede des US-Präsidenten: Trump-Fans stürmen das Kapitol | DER SPIEGEL
Nach Rede des US-Präsidenten: Trump-Fans stürmen das Kapitol | DER SPIEGEL

Demonstranten zerschlagen Scheiben und dringen in Gebäude ein

Angesichts der Unruhen wurde die Nationalgarde mobilisiert. Im Kapitol schwärmten bewaffnete Sicherheitskräfte durch die Räume, um die Unruhestifter zu stellen. In Washington trat am Abend eine Ausgangssperre bis zum frühen Donnerstagmorgen in Kraft.

Nach der beispiellosen Erstürmung des Kapitols durch Trump-Unterstützer wurde eine Frau angeschossen - sie starb wenig später, wie eine Polizeisprecherin der Deutschen Presse-Agentur am Mittwochabend (Ortszeit) bestätigte.

Auf Fernsehbildern war zu sehen, wie Randalierer Scheiben zerschlugen, sich so Zugang zum Gebäude verschafften und auch in Abgeordnetenbüros eindrangen. Auf einem anderen Bild posierte ein Demonstrant im geräumten Senatssaal mit erhobener Faust auf dem Platz des Kammervorsitzenden. Erst nach mehreren Stunden brachten Sicherheitskräfte die Lage am Parlamentssitz wieder unter ihre Kontrolle. Daraufhin nahm der Kongress seine Arbeit wieder auf.

Vorwurf: Trump habe Aufruhr angezettelt

Der republikanische Mehrheitsführer im Senat, Mitch McConnell, sagte, die Kammer lasse sich nicht einschüchtern und werde sich nicht Gesetzlosen beugen. Der Minderheitsführer der Demokraten im Senat, Chuck Schumer, nannte die Aufrührer „inländische Terroristen“ und machte Trump für den Angriff auf das Kapitol mitverantwortlich.

Mehrere demokratische Kongressabgeordnete gaben Trump ebenfalls persönlich die Schuld für die Eskalation und forderten ein erneutes Amtsenthebungsverfahren gegen ihn. Aber auch mehrere Republikaner warfen Trump öffentlich vor, er habe den Aufruhr angezettelt.

Der künftige US-Präsident Joe Biden sprach indes von einem Angriff auf die Demokratie. „Das Kapitol zu stürmen, Fenster einzuschlagen, Büros zu besetzen, den Senat der Vereinigten Staaten zu besetzen, durch die Schreibtische des Repräsentantenhauses im Kapitol zu wühlen und die Sicherheit ordnungsgemäß gewählter Beamter zu bedrohen, ist kein Protest“, sagte der Demokrat. „Es ist Aufruhr.“

Welt blickt schockiert auf die USA

Auch international lösten die Unruhen Besorgnis aus. Vertreter der Bundesregierung und Regierungschefs anderer Länder äußerten sich ebenso schockiert über die Ausschreitungen wie die Spitzen des EU-Parlaments und der Europäischen Kommission. „Die Feinde der Demokratie werden sich über diese unfassbaren Bilder aus Washington, D.C. freuen“, schrieb Bundesaußenminister Heiko Maas auf Twitter. Trump und seine Unterstützer sollten endlich die Entscheidung der amerikanischen Wähler akzeptieren und „aufhören, die Demokratie mit Füßen zu treten“.

Trump stichelt auf Twitter

Zurück nach Washington: Im Kapitol hatten sich das Repräsentantenhaus und der Senat am Mittwochmittag (Ortszeit) versammelt, um die Ergebnisse der US-Präsidentenwahl vom November - und Bidens Sieg - offiziell zu bestätigen. Tausende Trump-Anhänger strömten indes in die US-Hauptstadt, um gegen die Zertifizierung des Wahlausgangs zu protestieren.

Trump hatte die Wahl mit deutlichem Abstand gegen seinen Herausforderer Biden verloren - will seine Niederlage aber nicht eingestehen. Er behauptet, er sei durch massiven Betrug um den Sieg gebracht worden. Weder er noch seine Anwälte legten in den letzten Monaten stichhaltige Beweise dafür vor. Dutzende Klagen des Trump-Lagers wurden bislang von Gerichten abgeschmettert, auch vom Obersten US-Gericht.

Kurz vor dem Start der Kongresssitzung war Trump nahe dem Kapitol vor seinen Anhängern aufgetreten, hatte unbelegte Wahlbetrugsbehauptungen wiederholt und seine Unterstützer aufgerufen, zum Kapitol zu ziehen. Sie dürften sich den „Diebstahl“ der Wahl nicht gefallen lassen.

Twitter sperrt Konto von Trump

Nachdem zahlreiche Politiker eindringlich an Trump appellierten, den Gewaltausbruch zu stoppen, veröffentlichte der Präsident auf Twitter eine Videobotschaft, in der er seine Anhänger aufrief abzuziehen. Er verstehe den Ärger über den Ausgang der Wahl, „aber ihr müsst jetzt nach Hause gehen“, sagte Trump in dem Clip. Zugleich sagte er an die Adresse seiner Anhänger: „Wir lieben euch.“ Später schrieb er in einem weiteren Tweet, solche „Dinge und Geschehnisse“ passierten eben, wenn „ein Erdrutschsieg“ gestohlen werde. „Erinnert Euch für immer an diesen Tag!“, schob er nach.

Twitter sperrte Trumps Konto daraufhin für zwölf Stunden. Drei Tweets des Accounts hätten „wiederholt und schwerwiegend“ gegen die Richtlinien der Plattform verstoßen, erklärte der Kurznachrichtendienst zur Begründung.

Trump-Begleiter verurteilt Ausschreitungen scharf

Anders als Trump verurteilte sein US-Vizepräsident Mike Pence die Ausschreitungen scharf. Pence leitete die Kongresssitzung zur Zertifizierung der Wahlergebnisse. Trump hatte ihn direkt dazu aufgerufen, sich gegen die Bestätigung von Bidens Sieg zu stellen - entgegen den Gesetzesvorgaben. Pence, seinem Chef sonst stets treu ergeben, wies das Ansinnen jedoch zurück.

Die Zertifizierung der Wahlergebnisse ist in den USA üblicherweise eine Formalie. Diverse Republikaner hatten jedoch vorab eine politische Störaktion angekündigt, dadurch dass sie Einspruch gegen Ergebnisse aus mehreren US-Staaten einlegen wollten.

Quelle: dpa