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GIF löst epileptischen Anfall aus

Cyber-Attacke auf US-Journalisten

Ein User namens @jew_goldstein verschickte über Twitter eine animierte Bilddatei. Der Absender hatte nur ein Ziel vor Augen: Den 55-jährigen Journalisten Kurt Eichenwald, der für The New York Times und Newsweek arbeitet, zu töten.

Gefährliche Reizüberflutung

Kurt Eichenwald verlor für acht Minuten die Kontrolle über sich. Er erlitt einen epileptischen Anfall, nachdem er den Anhang einer Benachrichtigung öffnete. Dieser offenbarte ein animiertes Bild, das Lichtblitze in einer äußerst schnellen Bildfolge zeigte. Mehr brauchte es nicht, um ihn außer Gefecht zu setzen. Der US-Journalist konnte der Reizüberflutung nicht standhalten.

Eichenwalds Frau entdeckte ihren Mann und den flackernden Bildschirm nur kurze Zeit später. Sofort rief sie die Polizei und schrieb dem Absender der Cyber-Attacke zurück: „Hier ist seine Frau. Sie haben einen Anfall verursacht. Ich habe Ihre Daten und die Polizei angerufen.“

Er wusste von der Schwäche seines Opfers

John Rayne Rivello ist der Name des Verdächtigen. Hinweise, dass er womöglich der Absender der beinahe tödlichen Bilddatei war, entdeckte die Polizei, als sie seinen Twitter-Account durchsuchte. Der 29-Jährige hatte in Direktnachrichten gegenüber anderen Nutzern offenbart, dass er von Eichenwalds Epilepsie Bescheid wisse. „Ich hoffe, hiervon bekommt er einen Anfall“ und „Habe Eichenwald das hier geschickt, mal sehen, ob er stirbt“, soll er geschrieben haben. Sogar die Wikipedia-Seite des US-Journalisten habe er bearbeitet, um den mutmaßlichen Todestag, den 16. Dezember, einzutragen.

Rivello wurde wegen Cyberstalking angeklagt. Ihm droht nach Angaben der New York Times eine Haftstrafe von bis zu 10 Jahren. Eichenwald trug durch die Cyber-Attacke körperliche Schäden davon. Seine Sprache war monatelang beeinträchtigt und er hatte mit Lähmungserscheinungen zu kämpfen.

Nicht jeder, der an Epilepsie erkrankt ist, erleidet von animierten Lichtblitzen einen Anfall. Betroffen sind nur diejenigen, die an fotosensitiver Epilepsie erkrankt sind. Nach derzeitigen Erkenntnissen leiden deutschlandweit etwa 20.000 Menschen unter dieser fotosensitiven Form, erklärt Hirnforscher Nils Birbaumer in einem Interview mit Deutschlandfunk Nova.

Unterschätzte Gefahr

Animierte GIFs sind in den sozialen Medien kaum mehr wegzudenken. Ähnlich wie Emojis können sie Aussagen bildhaft unterstützen oder gar vollständig ersetzen. Lautlos zeigen die Bilder oft Gesichtsausdrücke und Gestiken, können aber auch nützliche Tipps oder Missgeschicke anschaulich darstellen. Der Nachteil: Internet-User wissen nicht, welchen Inhalt sie bereithalten. Außerdem spielen sich die Animationen oft von selbst ab. Für Menschen mit fotosensitiver Epilepsie kann ein GIF, das Lichtblitze nach einem ganz bestimmten Muster enthält, dadurch zur tödlichen Falle werden.

Dabei müssen solche Animationen gar nicht mit böser Absicht ausgestrahlt werden, um ernsthaften Schaden anzurichten. 1997 mussten in Japan hunderte Kinder ärztlich behandelt werden, nachdem sie sich eine ganz bestimmte Folge der beliebten Pokémon-Serie angeschaut hatten. Eine extrem schnelle Bildfolge, in der 54-mal pro Sekunde (!) abwechselnd die Farben rot, blau und grün über den Bildschirm flackerten, war verantwortlich für die Anfälle. Das Gehirn der Kinder konnte sie vor der Reizüberflutung nicht schützen.

Quelle: Deutschlandfunk Nova/ Berliner Zeitung