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Diagnose Prosopagnosie

Gesichtsblindheit: Wenn Menschen Gesichter nicht unterscheiden können

Stell dir vor, du gehst durch die Stadt und kannst die Gesichter um dich herum nicht zuordnen. Du weißt nicht, ob es sich um fremde oder bekannte Menschen handelt. Was klingt wie eine Szene aus einem unheimlichen Gruselfilm, nennt sich Prosopagnosie...

Erkennungszeichen merken

Mehr als zwei Prozent der Bevölkerung leiden an einer angeborenen Gesichtserkennungsschwäche. Das hat zur Folge, dass sich diese Menschen schwerer integrieren können. Menschen mit Prosopagnosie können ihre Kollegen oft nur anhand der Sitzplätze im Büro unterscheiden. Hilfreich ist es, wenn sich Betroffene auch weitere bestimmte Merkmale einprägen, um eine Person identifizieren zu können. Das geht über die Stimme, eine Frisur oder Brille, die Gangart oder sogar ein spezielles Parfüm. Dieses System funktioniert aber nur so lange, wie das eingeprägte Merkmal gleichbleibt. Schon eine neue Frisur oder Brille kann das verändern.

Wer von Geburt an mit Gesichtsblindheit lebt, kommt nicht gleich darauf, dass mit ihm etwas nicht stimmen könnte. Auch gibt es in Deutschland nur wenige Anlaufstellen für eine Untersuchung. Zum Beispiel in Berlin an der Charité oder in Bochum an der Ruhr-Universität.

Krankenkasse zahlt Untersuchung nicht

Bei den zwei bis vier Stunden langen Tests werden viele Fragen gestellt. Zum Beispiel, ob der Betroffene bei Filmen durcheinanderkommt, wenn Schauspieler ihr Äußeres verändern. Neuropsychologische Untersuchungen haben ergeben, dass Menschen mit Prosopagnosie Objekte, Figuren oder Tiere problemlos unterscheiden und erkennen können – nur eben Gesichter nicht. Weil die Gesichtsblindheit bisher nicht als Erkrankung anerkannt wurde, übernimmt die Krankenkasse auch keine Kosten der mehrere hundert Euro teuren Diagnostik.

Die beiden Fachmediziner in Berlin und Bochum berichten jedoch, dass sie von den Anfragen zu Untersuchungen beinahe überrannt werden. Gesichtsblindheit kann im Übrigen nicht geheilt oder therapiert werden. Vielen Menschen ist es jedoch wichtig, zu erfahren, was mit ihnen los ist. So können sie besser mit ihrer Schwäche umgehen.

Selbstdiagnose online stellen

Wer das Geld nicht aufbringen oder nicht bis nach Berlin bzw. Bochum reisen kann, der kann sich mittlerweile auch online informieren. Auf der Seite www.prosopagnosie.de von Martina Grüter und ihrem Mann Dr. Thomas Grüter, der selbst gesichtsblind ist, gibt es Forschungsergebnisse und Informationen.

Auch einige Universitäten bieten kostenlose Selbsttests an. Zum Beispiel das „Cambridge Face Memory“ und der „Glasgow Face Matching Test“. Weil die Tests aber auch für gesunde Menschen eine Herausforderung sind, sind Experten von dieser Art der Selbstdiagnose nicht besonders überzeugt.

Gesichtsblindheit kann vererbt werden

Im Gehirn ist ein Bereich, der in etwa so groß wie eine Heidelbeere ist und hinter dem rechten Ohr sitzt, für die Erkennung von Gesichtern zuständig. Er wurde von der Wissenschaftlerin Nancy Kanwisher als Fusiform Face Area (FFA) bezeichnet. Aber auch weitere Hirnareale spielen bei der Gesichtserkennung und Erinnerung an eine Person eine Rolle. Im vorderen Schläfenlappen werden Informationen zu Aussehen und Charakter von Personen gespeichert.

Verstärkt geforscht wird auf diesem Gebiet erst seit der Jahrtausendwende. In ihrer 2004 publizierten Doktorarbeit zeigt Martina Grüter, dass Prosopagnosie erblich ist. Ist ein Elternteil gesichtsblind, so hat ein Kind eine 50-prozentige Wahrscheinlichkeit ebenfalls gesichtsblind zu sein. Bis zu dieser Veröffentlichung war Prosopagnosie nur als Folge von Verletzungen oder Erkrankungen wie einem Schlaganfall oder Epilepsie bekannt. Wer unter Gesichtsblindheit leidet, sollte unbedingt seine engen Freunde und Angehörige darüber informieren. Das nimmt den Betroffenen enormen Druck und hilft auch dem Umfeld, die Schwäche besser zu verstehen und im Umgang damit zu helfen.

++ Nur ein Arzt kann eindeutig klären, woher individuelle Beschwerden kommen und was dahinter steckt! Ferndiagnosen, Zeitungsartikel oder Berichte im Netz ersetzen keine Diagnose eines Experten! ++ 

Quelle: Apotheken Umschau