Charles Leclerc versuchte gar nicht erst, den Rückfall in schlimmste Ferrari-Krisenzeiten schönzureden. «Das ist sehr frustrierend und am Ende ein Wochenende zum Vergessen», sagte der Monegasse nach seinem vorzeitigen Ausfall beim Großen Preis von Kanada.
Zwei Wochen zuvor feierte Leclerc in seiner Heimat noch eine rauschende Siegesparty und hatte Hoffnung, endlich eine echte Chance im Formel-1-Titelkampf zu haben. Nach einem Debakel in Montreal mit Motorenproblemen, falscher Taktik und am Ende zwei Ausfällen ist beim Traditionsrennstall aus Italien davon nicht mehr viel übrig.
Weil Weltmeister Max Verstappen auch den sechsten von neun Saisonläufen am Sonntag gewann, ist der niederländische Red-Bull-Star in der Gesamtwertung nun wieder auf 56 Punkte vor dem Zweitplatzierten Leclerc enteilt. Der 26-Jährige schied aus, nachdem er zuvor überrundet worden war. Die Antriebsprobleme konnten nicht behoben werden, zudem musste er kurzzeitig auf nasser Strecke mit Trockenreifen fahren - eine unmögliche Aufgabe. «Dieser Sturzflug ist sehr schlecht für die Moral und die Ambitionen», schrieb die italienische Zeitung «Corriere della Sera» und nannte den doppelten Ausfall eine «Demütigung».
Sorgen durch Motorenprobleme wachsen
Denn auch Carlos Sainz, in diesem Jahr schon Sieger des Rennens in Australien, kam gar nicht ins Ziel. Er rutschte auf nasser Piste weg und krachte in die Streckenbegrenzung. «Das tut sehr weh. Dass wir so viele Punkte liegen lassen haben, ist ein großer Verlust. Wir müssen die Probleme anschauen und hoffen, dass das nicht wieder passiert», sagte Leclerc, der schon in der Qualifikation am Samstag keine Chance hatte und nur als Elfter gestartet war. Der Spanier Sainz lag als Zwölfter bei der Zeitenjagd sogar noch dahinter.
Grund für den Verlust von viel Leistung war wohl ein Fehler im Motorsteuerungssystem. «Dadurch haben wir viele PS verloren», sagte Teamchef Fred Vasseur. In Monaco waren er und Leclerc noch vor Freude über den Triumph gemeinsam euphorisch ins Hafenbecken gesprungen. «Nach dem feierlichen Sprung in den Hafen von Monaco tauchte Ferrari nie wieder auf», schrieb die «Corriere della Sera» nun leicht zynisch zur Punkte-Nullnummer.
«Dass wir oft die Motoren wechseln müssen, ist kein gutes Zeichen», sagte Leclerc. Schon in Imola hatte es einige Schwierigkeiten gegeben, in Monaco war es dann zwischenzeitlich kein Problem mehr. In Montreal verlor Leclerc aber teilweise eine Sekunde auf den Geraden im Vergleich zur Konkurrenz, in der Motorsport-Königsklasse eine Welt. Vor dem kommenden Rennen in zwei Wochen in Barcelona solle das Problem gelöst werden.
Letzter Fahrertitel vor 17 Jahren
Gelingt das nicht, dürfte die kurzfristige Euphorie beim stolzen Autobauer recht schnell wieder enden. Die Liste derer, die bei Ferrari daran scheiterten, Weltmeister zu werden, ist ohnehin schon lang und prominent. Fernando Alonso und Sebastian Vettel gehören ebenso dazu wie mittlerweile auch Leclerc selbst, der wohl auch in seinem bereits sechsten Anlauf scheitern wird. Vor zwei Jahren war er zumindest einmal Vizeweltmeister.
Der Finne Kimi Räikkönen schaffte es 2007 als bislang letzter Ferrari-Pilot ganz nach oben. Der letzte Mehrfach-Champion in Rot hieß Michael Schumacher. Er prägte eine ganze Ära und verzückte die Tifosi, wie seit seinem letzten Titelgewinn vor 20 Jahren keiner mehr. Die Sehnsucht nach der Rückkehr zu diesen Zeiten ist beim Team mit Sitz in Maranello enorm. Und die Hoffnung ist groß, dass es im kommenden Jahr vielleicht mit der Erfahrung von Lewis Hamilton gelingt, endlich die Wende zu schaffen.
Der 39-Jährige wechselt von Mercedes zur Scuderia, dürfte die immer wieder auftretenden Schwierigkeiten aber mit Sorge sehen, zumal sein aktueller Silberpfeil gerade immer stärker wird. In Kanada konnte Mercedes zeitweise das Tempo vorgeben und Verstappen unter Druck setzen, Hamilton wurde immerhin Vierter. Sainz, der am Saisonende vom britischen Superstar verdrängt wird, musste hingegen eingestehen: «Wir hatten nie die Geschwindigkeit, um konkurrenzfähig zu sein. Das ist sehr enttäuschend, wenn du erst das stärkste Wochenende hast und dann direkt danach das schwächste.»
Von Thomas Wolfer, dpa
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