Van der Poel gewinnt Paris-Roubaix - Politt Vierter
In einem beispiellosen Hochgeschwindigkeitsrennen feiert der niederländische Weltmeister nur eine Woche nach der Flandern-Rundfahrt den nächsten Erfolg. Die deutschen Asse sind beeindruckt.
In einem beispiellosen Hochgeschwindigkeitsrennen feiert der niederländische Weltmeister nur eine Woche nach der Flandern-Rundfahrt den nächsten Erfolg. Die deutschen Asse sind beeindruckt.
Nach der denkwürdigen Triumphfahrt von Mathieu van der Poel in der Hölle des Nordens gerieten die beiden deutschen Klassiker-Spezialisten John Degenkolb und Nils Politt geradezu ins Schwärmen.
«Phänomenal, eine andere Liga. Von allen Rennfahrern, die ich in meiner Karriere erlebt habe, ist es das Beeindruckendste», lobte Routinier Degenkolb, der den Frühjahrsklassiker Paris-Roubaix 2015 selbst noch gewann, den neuen Kopfsteinpflaster-König.
Der niederländische Weltmeister war in beeindruckender Manier mit drei Minuten Vorsprung auf der Betonpiste im ehrwürdigen Velodrome zu seinem zweiten Triumph nach 2023 gestürmt. Er hatte wie bei seinem Coup bei der Flandern-Rundfahrt vor einer Woche der Konkurrenz um den viertplatzierten Politt nicht den Hauch einer Chance gelassen.
«Er ist ein verdienter Weltmeister, so wie er das Rennen fährt. Chapeau», ergänzte Politt, der sich im Sprint der Verfolgergruppe hinter den «Weltklasse-Sprintern» Jasper Philipsen (Belgien) und Mads Pedersen (Dänemark) geschlagen geben musste. Als die Rivalen noch um die Plätze sprinteten, hatte sich van der Poel nach seinem Ritt über 259,7 Kilometer, davon 55,7 Kilometer über die harten Pavés aus den Zeiten Napoleons bereits in der ersten Reihe als Zuschauer eingereiht.
Van der Poel auf den Spuren von Cancellara
«Das hätte ich mir als Kind nicht erträumen können. Ich wollte das Rennen hart machen. Es war die richtige Entscheidung von mir, dort loszufahren», sagte van der Poel, der 59,7 Kilometer vor dem Ziel auf dem staubigen Feldweg in Orchies mit einer kraftvollen Attacke seine Rivalen abgeschüttelt hatte. Van der Poel ist der erste Fahrer seit dem Schweizer Klassiker-Spezialisten Fabian Cancellara 2013, dem das seltene Double aus Flandern-Rundfahrt und Paris-Roubaix gelang.
Politt war dem beispiellosen Hochgeschwindigkeitsrennen - mit einem Stundenmittel von 47,802 km/h wurde ein Rekord bei der 121. Auflage des Rennens aufgestellt - ganz nah dran an seinem zweiten Podium nach 2019 (2. Platz). Der 30-Jährige hatte zwischenzeitlich in einer dreiköpfigen Spitzengruppe sogar vom ganz großen Coup träumen dürfen. «Meine Beine waren echt gut», sagte Politt. Es sei aber sehr hart für ihn gewesen bei diesem «unfassbar schnellen» Rennen. «Ich kann glücklich sein», bilanzierte der Kölner. Auch Degenkolb war lange Zeit trotz eines Reifendefekts zur Unzeit im Vorderfeld vertreten und wurde am Ende Elfter.
Der befürchtete Regen war am Wochenende in Nordfrankreich ausgeblieben, sodass die Strecke nur an vereinzelten Stellen noch feucht war. Entsprechend hielt sich die Anzahl der Stürze auch in Grenzen. Nach den schlimmen Sturzszenen der vergangenen Tage war dies eine erleichternde Nachricht für die Branche. Erst am Donnerstag hatten der dänische Tour-de-France-Sieger Jonas Vingegaard und Zeitfahr-Weltmeister Remco Evenepoel aus Belgien nach einem heftigen Crash zahlreiche Knochenbrüche erlitten. Die beiden Stars werden wie auch Alleskönner Wout van Aert (Belgien), den es bei Quer durch Flandern erwischt hatte, wochenlang ausfallen.
Schikane entschärft Arenberg-Passage
Auch im berüchtigten Wald von Arenberg gab es dieses Mal kein «Russisches Roulette», wie es Renndirektor Thierry Gouvenou mit Blick auf frühere Dramen formuliert hatte. Die Veranstalter hatten den Kopfsteinpflaster-Abschnitt durch eine Schikane kurz vor dem Eingang in den Wald entschärft, um Geschwindigkeiten von bis zu 70 km/h zu verhindern. Das Hindernis hielt aber van der Poel nicht davon ab, ein erstes Kräftemessen zu initiieren. Der Weltmeister drückte dermaßen auf das Tempo, dass nur noch drei Fahrer folgen konnten.
Dass die exquisite Gruppe - auch Ex-Weltmeister Pedersen war dabei - nicht schon 95 Kilometer vor dem Ziel alleine wegzog, war einem Defekt von van der Poels Teamkollegen Philipsen aus dem Rennstall Alpecin-Deceuninck geschuldet. Den Sieger von Mailand-Sanremo wollte der Topfavorit so früh im Rennen noch nicht an seiner Seite verlieren. Das ermöglichte auch Degenkolb die Chancen, nach seinem Defekt am Ende des Arenberg-Waldes wieder aufzuschließen.
Danach war es Politt, der zusammen mit dem Schweizer Stefan Küng und dem Belgier Gianni Vermeersch zwischenzeitlich mit einer halben Minute Vorsprung entwischt waren. Der 30-jährige Kölner präsentiert sich in diesem Frühjahr ohnehin in starker Form. Schon in Flandern war er auf Platz drei gesprintet - wenn auch weit hinter Sieger van der Poel.
Von Stefan Tabeling, dpa
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